Thalmassing
Reitbetrieb muss ruhen – Pferd und Mensch leiden darunter

11.03.2021 | Stand 11.03.2021, 12:22 Uhr

„Bella“, Bettina, „Fly“, Christiane und „Luna“ (im Januar gestorben) haben es zur Zeit nicht leicht. Foto: Lisa Ziegler Fotografie

Für Bettina Lermer und ihre Tochter Christiane ist die Corona-Zeit genauso schwierig wie für ihre Pferde. Die beiden Frauen haben sich als Reittherapeutin beziehungsweise Kinderreitlehrerin selbstständig gemacht und bieten in ihrem kleinen, familiären Betrieb in Thalmassing normalerweise Reitstunden an.

Von Kathrin Lechl

Thalmassing. Doch wegen der Pandemie können derzeit nur Therapiestunden mit ärztlichem Attest stattfinden. Das Reitpony „Fly“ und die Haflinger Stute „Bella“ müssen trotzdem versorgt werden. Und dazu gehört vor allem viel Vertrauensarbeit, wie Reittherapeutin Bettina Lermer erklärt: „100 Prozent reichen eigentlich nicht, mein Pferd muss 120 Prozent bieten, wenn es weglaufen würde, wäre das eine Katastrophe.“ In den Therapiestunden mit Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen mit Beeinträchtigungen passieren immer wieder unvorhersehbare Dinge: ein Kind, das plötzlich schreit, zum Beispiel. Hier darf das Pferd zwar erschrecken, jedoch auf gar keinen Fall weglaufen, so Lermer. Momentan ist die 19-jährige Christiane, selbst Reitlehrerin, „Probandin“ fürs Luftballon- oder Schusstraining oder eben als „schreiendes Kind“. Doch zur Ausbildung eines Reittherapiepferdes gehört nicht nur Stress: Obwohl derzeit kaum Reittherapiestunden stattfinden, werden die Pferde trotzdem täglich bewegt, betreut und massiert.

Außerdem muss das Pferd lernen, vorauszulaufen, damit die Therapeutin nebenher gehen kann, Kommandos wie „Stopp“ beherrschen und lernen, neben der Aufsteighilfe stehen zu bleiben. Lermer therapiert zum Beispiel ein 14-jähriges Mädchen mit Spasmen und verkürzten Sehnen, das erst seitwärts auf dem Pferd sitzt, bevor es lernt richtig auf dem Tier zu sitzen. „Wir machen mit ihr viele Ballspiele und Streckübungen“, erzählt Bettina Lermer und erklärt: „Die Therapie findet nicht zwangsläufig auf dem Pferd statt, sondern vor allem auch mit dem Pferd.“ Lermer schildert weiter: „Der taktreine, also gleichmäßige Gang des Pferdes simuliert den korrekten Gang des Menschen.“ Dies helfe vielen Patientinnen und Patienten genauso wie die Ruhe, die das Pferd ausstrahlt. Deshalb sei es besonders wichtig, von Grund auf Vertrauen zwischen Pferd und Mensch aufzubauen.

Ihre eigene Tochter, so Lermer, sei als Kind sehr schüchtern gewesen. Eine Reittherapie hat ihr damals sehr geholfen und die Mutter so fasziniert, dass sie 2015/2016 die Ausbildung zur Reittherapeutin absolvierte. Die Haflinger Stute „Luna“, die sie bereits vorher hatte, brachte zudem beste Voraussetzungen als Reittherapiepferd mit. Leider verstarb die Stute im Januar 2021, worüber nicht nur Bettina und Christiane Lermer trauerten: „Unsere Pferde waren total mitgenommen, als ,Luna‘ starb. Wir haben drei Tage lang gar nichts gemacht und die beiden waren nicht so ausgeglichen wie sonst“, erzählt die Reittherapeutin.

Obwohl die Kinderreitstunden immer einzeln stattfinden – die Stunden sind sehr individuell aufgebaut, da es oft um Kinder geht, die sehr ängstlich sind – können aktuell nur Reittherapiestunden mit ärztlichem Attest angeboten werden. Eine Maskenpflicht gibt es bei den Lermers bereits seit Februar 2020. Außerdem werden Hände, Zügel und Gurt desinfiziert und das Pferd wird bereits vor der 20- bis 30-minütigen Therapieeinheit fertig gemacht. Eine wichtige Einnahmequelle fällt für den familiären Reitbetrieb „dank“ Corona ebenfalls weg: Normalerweise bekommen die Lermers regelmäßig Besuch von Schulen mit je drei Kindern, die die Pferde putzen und mit ihnen Parkour reiten dürfen. Den fehlenden Einnahmen stehen Kosten für die Versorgung der Pferde und Fixkosten wie Versicherungen für Pferde und Therapeuten gegenüber, die sehr teuer sind, wie Bettina Lermer erläutert.

Bettina und Christiane Lermer bleibt nichts anderes als zu hoffen und sich dafür einzusetzen, dass die Reitstunden bald wieder erlaubt werden. Denn „Reitsport gehört zum Kindeswohl“, bekräftigt Bettina Lermer. Mehr Infos gibt es unter www.reittherapie-lermer.at, auf Facebook und Instagram sowie direkt unter der Telefonnummer 0171/ 3478453 (Bettina) oder 0151/ 59134141 (Christiane).