Hobby
Nischensport mit Schwert und Schild – historisches Fechten

30.03.2021 | Stand 30.03.2021, 14:00 Uhr

RCF Ratisbona – neue Gesichter sind immer willkommen. Foto: Thomas Bachwitz

„Ich habe den Saum des Ärmels nur mit einem Überwendling genäht.“ – „Da musst du den Stoff aber zwei Mal umschlagen, sonst franst er Dir aus.“ So oder ähnlich könnte sich ein Gespräch der Jungs und Mädels vom RCF Ratisbona beim Nach-Trainings-Met in einer Regensburger Mittelalterkneipe anhören. RCF steht für Reenactment Combat Fighting. Die Gruppe trainiert so genanntes historisches Fechten und verbindet den Sport mit dem Reenactment.

Von Kathrin Lechl

Regensburg. „Reenactment ist die Darstellung geschichtlicher Ereignisse in möglichst authentischer Art und Weise. Das bedeutet für jeden, sich eine geschichtliche Epoche, Zeitraum und geografischen Ort herauszusuchen, um dann die dortige Mode und Kultur so genau wie möglich nachzustellen. In unserem Fall beziehen sich alle Darstellungen auf das Mittelalter. In welchem Zeitraum und welcher Region des Mittelalters genau ist jedem persönlich überlassen. Bei uns finden sich somit durchaus der Wikinger aus Schweden um 900 neben dem Ritter aus Frankreich um 1300 neben dem Waffenknecht aus Deutschland um 1450“, erklärt Thomas Bachwitz, Trainingsleiter beim RCF Ratisbona. Eine historisch authentische Gewandung, die man größtenteils selbst näht, gehört für viele aus der Gruppe dazu.

Auch Armin Miller hat seine Gewandung inklusive Schuhe selbst gemacht. Der 28-Jährige ist über das Reenactment und den Schaukampf zum RCF Ratisbona gekommen. „Ich habe mehr sportliche Herausforderung gesucht.“

Neben der sportlichen und der taktischen Herausforderung mag er besonders den Wettbewerb und das Gemeinschaftsgefühl, sowohl während des Trainings als auch so in der Gruppe. „Historisches Fechten ist ein Nischensport, der nicht sehr verbreitet ist. Deshalb braucht man keine Vorkenntnisse, lediglich ein gutes Körpergefühl, Koordination und eine gewisse Grundfitness sind gute Voraussetzungen.“ Ansonsten braucht man natürlich noch Schwert und Schild oder auch Speer, Axt oder eine ähnliche Waffe. Um Verletzungen zu vermeiden, sind alle Waffen stumpf. Mindestens Handschuhe sind dennoch Pflicht, die meisten tragen außerdem einen Helm und oft einen Gelenkschutz.

Ein national oder international anerkanntes Regelwerk gibt es beim historischen Fechten nicht. Beim RCF Ratisbona wird nach „Codex Belli“ trainiert. Dabei gibt es bestimmte Trefferzonen: Oberarme, Oberkörper und Oberschenkel – Treffer am Kopf sind strafbar. Gekämpft wird zusammen, nicht nur Einer gegen Einen, sondern in zwei Gruppen beziehungsweise Linien, zum Beispiel fünf gegen fünf. In den Trainings sind immer ganz unterschiedliche Sportlerinnen und Sportler dabei. Daniel zum Beispiel hat schon immer „alternative“ Sportarten betrieben und „aus dem Alter, in dem man Ritter cool findet, bin ich wohl nie herausgekommen“. Für ihn gehört nicht nur das Kämpfen dazu, sondern „auch die Taktik und das Austauschen über Techniken und Ausrüstung“.

Auch ein paar Frauen sind regelmäßig in den Trainings des RCF Ratisbona. Jenny erzählt: „Ich war lange Zeit die einzige Frau in der Gruppe und fand das absolut nicht schlimm, hätte mir aber gewünscht, dass sich noch ein paar mehr Mädels dafür begeistern würden.“ Jetzt ist der Austausch unter den Frauen für sie sehr wertvoll: „Fast alles, was man an Schutzausrüstung in ,normalen‘ Sportgeschäften kaufen kann, ist nämlich nur in Männergrößen erhältlich oder in pink. Da besteht noch großer Nachholbedarf.“ Kommentare bekommt Jenny höchstens im Sommer für die blauen Flecken, „ja, das tut durchaus mal weh, aber mir als Frau nicht mehr als den Männern“. Und mit der richtigen Schutzausrüstung lassen sich blaue Flecken gut vermeiden. Anstrengend ist der Nischensport aber auf alle Fälle zu Beginn: „Gerade als Frau trainiert man eher selten seine Arme, da reicht es schon, ein bis zwei Stunden Schwert und Schild einfach nur zu halten, um am nächsten Tag ordentlich Muskelkater zu haben.“

Auch Anna fühlt sich als Frau nicht unwohl mit ihrem ungewöhnlichen Hobby, sondern ist stolz darauf: „Ich persönlich fühle mich klasse, diese Sportart auszuüben, weil sie mir Spaß macht, und das, finde ich, ist ja auch die Hauptsache.“ Auch wenn ihr Vater ihr regelmäßig die Frage stelle, ob sie nicht langsam zu alt dafür sei, sich als „Burgfräulein“ zu verkleiden. Ansonsten bekomme sie aber sehr viel positives Feedback und Interesse.

Aktuell sind zwar keine gemeinsamen Trainings möglich, was von allen schmerzlich vermisst wird, doch alleine oder zu zweit wird zuhause einfach weiter trainiert.

In normalen Zeiten übernimmt Thomas Bachwitz Aufgaben wie einen Trainingsplan aufstellen, die Techniken erklären und rüberbringen, den Trainingsstand feststellen, Bewegungen analysieren und richtige Tipps bei der Umsetzung geben. Dabei ist eine Herausforderung die Diversität innerhalb der Gruppe: „Es gibt in der Gruppe Anfänger, denen man die Basics beibringen muss, und Fortgeschrittene, denen man schon bestimmte Techniken und Abfolgen erklären kann. Zudem entwickelt jeder im Lauf der Zeit seinen eigenen Stil, auf den man Rücksicht nehmen muss, und die Teilnehmer entscheiden sich hierbei dann auch gerne für eine bestimmte Waffenkategorie, zum Beispiel Schwert und Schild, Einhandspeer und Schild, Zweihandspeer. Für alle diese Kategorien gilt es, Übungen zu finden und das Team dabei möglichst gut in ihrem Training voranzubringen.“ Neue Gesichter sind beim RCF Ratisbona jederzeit willkommen. „Wer bei uns anfangen möchte, braucht keine historische Darstellung, da die Trainings komplett mit moderner Ausrüstung stattfinden. Wir freuen uns über jeden Neuzugang. Es gibt auch die Möglichkeit, nur mal in das Hobby reinzuschnuppern und sich Ausrüstung auszuleihen“, erklärt der Trainingsleiter. Die Trainings finden im Sommer draußen statt, zum Beispiel an der Donau, und im Winter im Schloss Pirkensee. Wann wieder Trainings möglich sind, ist derzeit noch unklar. Aber die Hoffnung wird nicht aufgegeben. Und sobald Corona es erlaubt, sind auch das ein oder andere gemeinsame Feierabendbier und der Austausch über die neue Axt oder die neuen Schuhe wieder drin.

Mehr Informationen gibt es bei Facebook unter „RCF Ratisbona“ oder auch per Mail an RCF-Ratisbona@gmx.de.