Die Fußball-Europameisterschaft 1988 war die bislang einzige auf deutschem Boden, sofern man die Spiele des Paneuropa-Championats 2021 ausklammert. Für Kult-Physiotherapeut Klaus Eder aus Donaustauf (Kreis Regensburg) war es das erste Turnier im Kreis der Nationalmannschaft. In Kürze startet die zweite EM im eigenen Land. Im Interview blickt Eder zurück und voraus.
Herr Eder, welche Erinnerungen verknüpfen Sie mit der EM 1988?
Klaus Eder: Mir ist vor allem eine Szene bis heute präsent. Als Marco van Basten in Hamburg im Halbfinale das 2:1 für Holland (den späteren Europameister/d. Red.) erzielt und damit kurz vor dem Abpfiff unser Aus besiegelt hat, hatte ich mich schon auf die Verlängerung vorbereitet und gerade eine Kiste Wasser aus der Kabine geschleppt. Keine wirklich schöne Erinnerung. (schmunzelt)
Der im Januar verstorbene Franz Beckenbauer stand damals als Teamchef unter besonderer Anspannung. Wie haben Sie ihn erlebt?
Eder: Franz hatte mich ja damals zum DFB geholt. Er war bei den Besprechungen mit den Spielern voll konzentriert, voll fokussiert. Im Gegensatz zu anderen Trainern, die ich in meinen 30 Jahren mit der Nationalmannschaft erlebt habe, hat er die Gegner immer schwach geredet. Er hat zum Beispiel zu (Innenverteidiger/d. Red.) Jürgen Kohler gesagt: „Du, der van Basten kann nix! Da bist Du viel besser.“ (lacht) Aber sobald er den Besprechungsraum wieder verlassen hatte, war er der Franz, wie er leibte und lebte. Er hatte für jeden ein offenes Ohr, war für jeden da. Zu uns Physiotherapeuten ist er oft nachts um elf oder noch später in den Behandlungsraum gekommen und hat gefragt: „Was ist? Braucht ihr was, Burschen?“
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Wie haben Sie seinerzeit die Stimmung im Land erlebt? Von einem Sommermärchen wie 2006 war jedenfalls nicht die Rede.
Eder: In der Tat, die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Ende März, Anfang April 1988 fand zur Vorbereitung ein Vier-Länder-Turnier in Berlin statt. Dabei waren unter anderem die Argentinier mit Diego Maradona. Da verloren sich im riesigen Olympiastadion gerade einmal 10000 Zuschauer, wenn ich mich recht erinnere. Ein Hype wie heutzutage herrschte damals sicherlich nicht.
Wie stimmen Sie sich auf die kommende EM ein?
Eder: Wir hatten gerade erst eine Zusammenkunft der Mannschaft von 1996, die ja letztmals die EM für Deutschland gewonnen hat, im Europapark Rust. Vor Kurzem hatten wir uns anlässlich des „Zehnjährigen“ des WM-Titelgewinns 2014 in Brasilien auf Einladung des DFB im kleinen Kreis in Frankfurt getroffen. Das Ganze wird übrigens im größeren Rahmen im September wiederholt, dann im Hotel Andreus im Südtiroler Passeiertal, wo die Mannschaft damals in die WM-Vorbereitung eingestiegen ist.
Hoffen Sie bei der EM auf eine Wiederholung des Sommermärchens?
Eder: Zumindest wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass eine Stimmung wie 2006 entsteht. Wegweisend wird meiner Ansicht nach das Eröffnungsspiel in München gegen Schottland sein. Ich glaube, wenn die deutsche Mannschaft da eine gute Leistung abliefert und das Spiel auch noch gewinnt, kann sie eine Euphorie entfachen. Das Interesse in der Bevölkerung ist auf jeden Fall da. Das ist am Kartenvorverkauf abzulesen. Es ist unheimlich schwierig, an Tickets zu kommen.
Gibt es Spieler, mit denen Sie aus langer Verbundenheit besonders mitfiebern werden?
Eder: Für Toni Kroos würde es mich besonders freuen, wenn er seine einzigartige Laufbahn mit dem EM-Titel abschließen würde. Natürlich denke ich auch an meinen alten Golf-Partner Thomas Müller. Der Titelgewinn wäre das i-Tüpfelchen auf seiner Karriere. Ähnlich bei Manuel Neuer, dessen lädierte Schulter wir vor der WM in Brasilien Tag und Nacht behandelt haben, damit er rechtzeitig fit wird. Gleichzeitig bedauere ich, dass Spieler wie Leon Goretzka und Mats Hummels, die ich jahrelang betreuen durfte, nicht dabei sein werden. Aber ich kann Bundestrainer Julian Nagelsmann gut verstehen. Die vergangenen großen Meisterschaften verliefen sehr enttäuschend. Ich glaube, dieser frische Wind tut der ganzen Mannschaft gut.
Herr Eder, werden Sie bei der EM im Stadion sein?
Eder: Mal sehen. (DFB-Sportdirektor/d. Red.) Rudi Völler hat angedeutet, dass er meinen alten Weggefährten Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und mich einladen möchte. Aber mittlerweile genieße ich es auch, ganz gemütlich daheim mit Freunden die Spiele zu schauen. Die Jahrzehnte auf Tour mit der Nationalelf, mit den deutschen Olympiamannschaften und dem Davis-Cup-Team waren spannend und aufregend, aber natürlich auch sehr fordernd. Jetzt – mit bald 71 – vermisse ich nichts.
Abschließend Ihr Tipp?
Eder: Ich glaube auf jeden Fall fest ans Finale.
Interview: Heinz Gläser