Cannabis als Medizin in Deutschland: Wenn herkömmliche Therapieansätze versagen

08.04.2021 | Stand 08.04.2021, 9:28 Uhr

Medizinalhanf wird vor allem in der Schmerztherapie eingesetzt! (Foto von Terrance Barksdale von Pexels)

Seit März 2017 darf Cannabis (Hanf) schwerkranken Menschen auf Rezept verschrieben werden, um deren Lebensqualität zu verbessern. Zwei Wirkstoffe der Hanfpflanze sind dabei ausschlaggebend, um die gewünschten Effekte zu erzielen: THC und CBD. Landläufig wird Cannabis mit THC (Tetrahydrocannabinol) gleichgesetzt. THC besitzt psychoaktive Wirkungen. Im Gegensatz dazu zeitigt CBD (Cannabinol), eine Substanz derselben Pflanze, keinerlei berauschende Effekte. Beide Wirkstoffe sind in vielen Darreichungsformen erhältlich.

Durch das weltweite Cannabisverbot wurde ein großer Wissensschatz verschüttet, der erst in den letzten Jahren durch weltweite Legalisierungsmaßnahmen langsam wieder an die Oberfläche tritt.

Indikationen für Medizinalcannabis
Es sei vorangestellt, dass Cannabis als Medizin kein Allheilmittel ist. Es dient zur Linderung von Symptomen und wird in der begleitenden Behandlung eingesetzt. Ein von der Techniker Krankenkasse (TK) kürzlich in Auftrag gegebener wissenschaftlicher Report kommt zu dem Ergebnis, das Medizinalhanf besonders in der Schmerztherapie Erfolge verspricht. Rheumapatienten profitieren ebenso davon wie Menschen, die an schwerer Arthrose leiden.

Zudem werden Indikationen bei Multipler Sklerose, Epilepsie und Paraplegie angezeigt. Bei HIV-Patienten führt medizinisches Cannabis zu Appetitsteigerung. Die Studie kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass Linderungen bei Angst- und Schlafstörungen sowie bei Tourette-Syndrom und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung) möglich sind.


Darreichungsformen
Mit dem neuen Gesetz kann Medizinalhanf sowohl in Form von unbehandelten Cannabisblüten sowie als Cannabisöl verschrieben werden. Letzteres ist nicht mit CBD Öl zu verwechseln! Der Unterschied zwischen Cannabisöl und CBD Öl liegt vornehmlich in dem THC-Gehalt.

Als Fertigarzneimittel steht medizinisches Cannabis als Mundspray oder Kapseln zur Verfügung. Zusätzlich wird es in Apotheken als Rezepturarzneimittel individuell hergestellt.


Wirkung von Cannabis als Medizin
Wissenschaftliche Untersuchungen sind noch nicht gänzlich abgeschlossen. Jedoch gehen Experten davon aus, dass die entspannenden, antiinflammatorischen und krampflösenden Wirkungen von THC und CBD sich im sogenannten endogenen Cannabinoid-System (ECS) entfalten. Das ECS ist im menschlichen Organismus an vielen vitalen Orten wie dem Gehirn und dem Immunsystem angesiedelt. Es wirkt im Magen-Darmtrakt und im zentralen Nervensystem. Zudem hat es Auswirkungen auf die Knochenbildung. Seine Aufgabe ist die Informationsweiterleitung über die Nervenzellen.

Dies geschieht über körpereigene Cannabinoide (Endocannabinoide). Diese docken an den Rezeptoren an, welche die Enden der Nervenzellen bevölkern. An diesen Übertragungsstellen werden Gefühle und Emotionen wie Schmerz, Hunger, Angst, Trauer und Freude entweder aktiviert oder blockiert. Die Phytocannabinoide THC und CBD besitzen wie die körpereigenen Cannabinoide die Fähigkeit, mit dem ECS zu interagieren und können ihre vielfältigen Wirkungen dadurch zur Geltung bringen, indem sie positive Emotionen fördern und negative Gefühle blockieren.


Nebenwirkungen
Cannabis wirkt sowohl auf den Körper als auch auf die Psyche. Dabei hängen die Wirkungen und Nebenwirkungen von vielen Faktoren ab. Die wichtigsten sind sicherlich die Dosis, die Dauer der Einnahme sowie die persönliche Gewöhnung an Cannabis. Hinzu kommen individuelle Faktoren, ist doch jeder Organismus anders gelagert.

Man unterscheidet zwischen zwei Typen von Nebenwirkungen. Zu den akut auftretenden gehören eine vorübergehende Gedächtnisschwäche in Verbindung mit einer gestörten Wahrnehmung von zeitlichen Abläufen. Zudem wird der Cannabiskonsum von einer Appetitsteigerung begleitet. Bei längerfristigem Konsum schwächen sich diese Nebenwirkungen ab, der Organismus entwickelt eine gewisse Toleranz. Bei sehr hohen Dosen, die über lange Zeit eingenommen werden, ist in manchen Fällen eine gewisse Suchtanfälligkeit zu bemerken.


Wann dürfen Ärzte medizinisches Cannabis verschreiben?
Die Vorgaben für Ärzte, Cannabis auf Rezept zu verordnen, sind klar definiert. Medizinalhanf darf nur dann verschrieben werden, wenn der Patient austherapiert ist. Das bedeutet, herkömmliche Behandlungsformen schlagen nicht mehr an. Zudem muss eine realistische Aussicht bestehen, dass mit einer Cannabistherapie Krankheitsverläufe verkürzt und schwerwiegende Symptome gelindert werden.

Bevor der Arzt ein Medikament auf Cannabisbasis verschreiben darf, muss der Patient bei der Krankenkasse einen Antrag stellen. Dieser wird in der Regel genehmigt, allerdings kann das bis zu fünf Wochen dauern.

In dringenden Fällen verkürzt sich diese Frist auf drei Tage. Bei einer Ablehnung muss die Krankenkasse eine Begründung formulieren.


Fazit
Bei den Erfolgen von Medizinalhanf stimmt es nachdenklich, warum Cannabis nur in besonders schweren Fällen verschrieben werden darf. Bei einer Öffnung auch für minder schwere Fälle könnte Millionen von Menschen eine lange Leidenszeit erspart bleiben.



(Foto von Terrance Barksdale von Pexels)