Kostenexplosion
Experte: „Der Pelletmarkt ist völlig überhitzt“

16.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:21 Uhr

237 Euro kostete die Tonne Pellets vor fünf Jahren. Mittlerweile ist der Preis auf 759 Euro angestiegen. −Foto: iw

Von Melanie Bäumel-Schachtner

Dass die Gaspreise explodieren, ist nicht neu. Doch auch die Kosten für Pellets schnellen derzeit nach oben. Im Interview erklärt Simon Lesche, Experte für Biogene Festbrennstoffe am Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) in Straubing, die Hintergründe und mutmaßt, wo die Reise hingehen könnte.



Herr Lesche, wie haben sich die Pelletpreise in den letzten fünf Jahren in Bayern entwickelt? Ähnlich wie im vergangenen Jahr?

Simon Lesche: Im Zeitraum von Oktober 2017 bis heute sind die Pelletpreise für Deutschland um den Faktor 3,2 gestiegen. Das heißt, während die Tonne Pellets inklusive Anlieferung vor fünf Jahren noch 237 Euro kostete, liegt der Preis im Oktober 2022 bei 759 Euro. Diese deutliche Preissteigerung fand jedoch nicht über den gesamten Zeitraum statt, sondern begann mit Jahresbeginn 2022. In den vier Jahren zuvor schwankten die Preise lediglich zwischen 220 und 270 Euro. Im Januar überschritt der Durchschnittspreis das erste Mal die 300 Euro pro Tonne-Grenze und stieg dann kontinuierlich bis auf knappe 800 Euro im September. Seit Oktober ist ein Rückgang der Preise zu beobachten. Diese Preise wurden von CARMEN e.V. ermittelt und beschreiben den durchschnittlichen Preis für Deutschland bei der Lieferung von fünf Tonnen bei einer Anfahrt von 50 Kilometern.

Was ist der Grund für diese immense Preissteigerung?

Die Pelletproduzenten geben hierzu mehrere Gründe an. Neben den stark gestiegenen Kosten für Produktion und Anlieferung und den hohen Kosten für Sägenebenprodukte als Hauptrohstoff für Pellets spielt vor allem die sprunghaft angestiegene Nachfrage eine Rolle. Es ist eine allgemeinen Bevorratungsdynamik erkennbar: Viele Heizungsbetreiber bestellen Pellets auch ohne akuten Bedarf. Zudem wurden durch eine unsicher gewordene Versorgung mit fossilen Brennstoffen und hohen Kosten viele Heizungsanlagen auf Pelletheizungen umgestellt.

Ist das in Ihren Augen gerechtfertigt oder eine vollkommene Überhitzung des Marktes?

Die oben genannten Gründe sind so gesehen durchaus eine Rechtfertigung für eine Preissteigerung. Inwieweit die Höhe der Preissteigerung gerechtfertigt ist, kann ich nicht sagen. Allerdings fanden im Oktober in Österreich bei verschiedenen Akteuren des Pelletmarktes Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts auf Preisabsprachen statt.

Glauben Sie, dass sich die Preise für Holzpellets wieder regulieren werden, und wenn ja, warum und wann?

Eine Aussage dazu, wann sich diese Situation beruhigt, ist angesichts der aktuellen Verunsicherung der Energiemärkte schwerlich möglich. Betreibern von Pelletheizungen kann momentan dazu geraten werden, nur bei Bedarf das Lager mit der notwendigen Menge aufzufüllen und die weitere Preisentwicklung zu beobachten.

Allerdings ist aktuell ein leichter Rückgang bei den Pelletpreisen zu erkennen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt, da sich ein Großteil der Pelletkunden bereits mit dem Brennstoff eingedeckt hat. Das Preisniveau vor der Krise wird unserer Ansicht nach jedoch nicht mehr erreicht werden. Hier spielen beispielsweise die gestiegenen Energiekosten und die allgemeine Inflation eine Rolle.

Wie viele Pelletheizungen gibt es in Bayern?

Für Bayern kenne ich bis dato keine aktuellen Zahlen. Für Deutschland geht das Deutsche Pelletinstitut (DEPI) von insgesamt etwa 650.000 Pelletanlagen im Jahr 2022 aus. Davon entfallen 250.000 Anlagen auf Pelletöfen, der Rest auf Zentralheizungskessel. Das DEPI prognostizierte im Februar einen Zubau von 91.000 Anlagen für 2022.

Raten Sie den Verbrauchern dennoch noch dazu, Pelletsheizungen einzubauen?

Der Einbau einer Pelletheizung macht nach wie vor Sinn. Dass eine Abkehr von fossilen Energieträgern wichtig ist, wissen wir nicht erst seit Beginn der kriegsbedingten globalen Verwerfungen der Energiemärkte. Das Heizen mit Erneuerbaren ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Während bei Gebäuden mit einem hohen Dämmstandard, geringen Heizlasten und niedrigen Vorlauftemperaturen die Wärmepumpe das Mittel der Wahl ist, stellen Pelletheizungen im Gebäudebestand eine sinnvolle Alternative dar. Dabei weisen Pelletanlagen aufgrund ihres hohen Automatisierungsgrades einen ähnlichen Bedienkomfort wie eine Öl- oder Gasheizung auf. Eine sinnvolle Möglichkeit, Biomasse zu nutzen, sind sogenannte Hybridlösungen. Hier wird die Synergie zwischen Biomasse und anderen Wärmeerzeugern genutzt. So bietet es sich beispielsweise an, eine Wärmepumpe mit einem Pelletkessel zu verknüpfen. Dabei erzeugt die Wärmepumpe die Wärme bei gemäßigten Außentemperaturen und eine Pelletheizung bei hohem Wärmebedarf. Das System entscheidet eigenständig, bei welchen Bedingungen welche Wärmeerzeugung genutzt wird.