Politik als Hobby
Warum eine 17-Jährige aus Landshut bei Fridays For Future mitmacht

26.08.2021 | Stand 26.08.2021, 16:05 Uhr

So kennt man Sarah Schöps eigentlich. −Fotos: FFF Landshut

Von Veronika Bayer

Mit Vorurteilen, wenn sie sich politisch äußert oder aktiv sein wollen, sehen sich heute mitunter auch Jugendliche konfrontiert. Eine politische Aktivistin aus Landshut ist Sarah Schöps (17).

„Für eine Welt, in der wir sozial gleich, menschlich verschieden und vollkommen frei sein werden“ gilt als Zitat von Rosa Luxemburg (1871–1919), Akademikerin und politisch Aktive in einer Zeit, in der Frauen schon für offene Worte schief angesehen wurden. Mit diesem Zitat schließt Sarah Schöps ihre E-Mails. Auf Demos spricht sie vor einer Menschenmenge auf der Tribüne ins Mikrofon – oder schlichtet, wenn die erwachsenen Redner sich in die Haare bekommen.



Kürzlich gewann sie Preise für ihr „außergewöhnliches politisches und soziales Engagement“, so der ZONTA Club Landshut: auf regionaler ZONTA Club-, und auf internationaler District-Ebene jeweils den ersten Rang. Weltweit wurde ihr der 13. Platz beim ZONTA Young Women in Public Affairs Award verliehen. Der Award wird seit 1990 vergeben und honoriert das Engagement junger Frauen, die sich für Andere und den guten Zweck einsetzen.

Im Interview spricht Sarah Schöps darüber wie sie so jung zum Aktivismus kam.

Sarah, Du bist 17 Jahre, hast heuer Abitur gemacht, engagierst dich seit Jahren und hast jetzt so einen stolzen Preis gewonnen. Wie fühlst Du dich?
Sarah Schöps: Es ist ein wenig surreal. Ich fühle mich fast wie eine Hochstaplerin. Das ehrt mich wirklich sehr, dass ich kleiner Mensch aus Landshut so einen großen Preis bekomme. Es hat mich überwältigt.

Gerne. Was sagen Familie und Freunde?
Sarah Schöps: Die waren überrascht. Mein Orientierungslauf-Trainer hat die Bewerbung vorgeschlagen. Es gab sehr viel positive Wertschätzung und es hat sehr gut getan, zu merken, dass der eigene Aktivismus irgendwie wahrgenommen wird.

Orientierungslauf? Hast Du sonst noch Hobbys?
Sarah Schöps: Aktivismus. Alles was mit Fridays for Future und Politik zu tun hat. Das ist das zeitintensivste.


Politik als Hobby?

Sarah Schöps: Ja. Oder als Aufgabe, wenn so viel falsch läuft, muss man halt was machen.

Was läuft alles falsch?
Sarah Schöps: Klimapolitik bewegt am meisten. Da wurde in den letzten Jahren viel zu wenig getan. Vor allem zu wenig, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Wenn wir die überschreiten, lösen wir Kippelemente aus, wie das Auftauen des Permafrostbodens, das Abtauen der Arktis, das Verlangsamen des Golfstroms. Wenn wir die Kipppunkte überschreiten, können wir sie nicht mehr rückgängig machen.

Woher kommt Dein Wissen?
Sarah Schöps: Das meiste kann man ja in der Zeitung lesen. Das sind keine Geheimnisse, viele Studien werden in diesen herunter gebrochen. All das, was mich zum Aktivismus bringt, sind ja wissenschaftliche Tatsachen. Es wäre die Aufgabe der Politik, darauf zu reagieren und dann macht’s mich umso wütender, wenn es nur wenige aktivistische Menschen ernst nehmen – und nicht die Politiker, die das in Vollzeit tun sollten.

Wie viel Zeit steckst Du in Aktivismus?

Sarah Schöps: Wir kommen alle so auf 15 bis 20 Wochenstunden Aktivismus – Hintergrundorganisation, Infostände usw. – neben Schule. Wir sind ein Team von fünf bis zehn Leuten, alleine wäre die Arbeit unmöglich. Aktivismus ist Arbeit, unbezahlte. Aber wir wissen, wofür wir kämpfen.

Musst Du dich verteidigen, auf Demos zum Beispiel?
Sarah Schöps: „Geht doch mal arbeiten“ oder „Ihr wollt doch nur Schule schwänzen“ wird uns vorgeworfen. Aber das widerlegt sich schon selber, wie erwähnt. Die Zeit an den Info-Ständen kann sehr nervenaufreibend sein. Oft kommen Menschen damit, dass es nicht realistisch sei, was wir fordern: Dass es unrealistisch sei, in zehn Jahren aus der Kohle auszusteigen und in 14 Jahren klimaneutral zu werden.

Also man unterstellt euch Träumerei?
Sarah Schöps: Gewissermaßen. Aber es ist genau umgedreht. Jetzt noch zu glauben, die Klimakrise würde sich von selber lösen, das ist realitätsfern. Während sich der Golfstrom schon verlangsamt, wir Sturzfluten auch in Landshut haben und Kanada neue Hitzerekorde aufstellt: Jetzt noch so zu tun, als hätten wir Zeit, das ist realitätsfern.

Wie kamst Du zum Aktivismus?
Sarah Schöps: Mit 13 oder 14 habe ich angefangen, Zeitung nicht nur zu lesen, sondern mich auch zu beschweren. Das Gelesene nicht einfach so stehen zu lassen, sondern auch mal anzusprechen. Zuerst bei der Grünen Partei Jugend, dann bei Fridays for Future. Fridays for Future war dann die Bewegung, die Plattform, bei der es endlich die Chance gab, Themen anzusprechen, sich mit Menschen zu vernetzen. Ich hab dann einfach weiter gemacht, Demos organisiert, um endlich auf großer, politischer Ebene Veränderung zu fordern.

Was wünschst Du dir, damit zu erreichen?
Sarah Schöps: Das ist eine zweigleisige Angelegenheit. Zum einen wollen wir Politik selbst adressieren: Ihr habt das Pariser Abkommen unterschrieben, also haltet euch auch dran. Zum anderen wollen wir auch die Bevölkerung erreichen und zeigen, es geht jeden und jede an.

Und wenn das Klima gerettet ist?
Sarah Schöps: Es gibt noch so viele weitere Probleme: Patriarchale- und rassistische Strukturen, soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung… Jetzt haben die Taliban Afghanistan eingenommen und zu wenig Menschen wurden evakuiert. Es entstehen ständig neue Probleme. Wir werden nie in einer perfekten Welt leben, aber es wäre die politische Aufgabe, möglichst nah ran zu kommen. Solange das politisch nicht geschieht, wird es Aktivismus geben.

Wie geht’s für Dich privat weiter?
Sarah Schöps: Ich werde jetzt erst mal zwei Semester Politikwissenschaften studieren. Dann ein freiwilliges ökologisches Jahr machen und dann Urbanistik studieren, um die Stadt der Zukunft mitzugestalten. Und ganz wichtig noch: Der Globale Klimastreik ist am 24. September – vor dem Rathaus in Landshut. Das ist das Projekt, was aktuell am meisten Zeit schluckt, worauf wir hin arbeiten.