Von Corinna Mühlehner
Mit dem Fahrrad nach Istanbul – das ist der große Traum von Rojan-Paul Stockner. Der gerade einmal 18 Jahre junge Landshuter hat sich auf eine rund 2200 Kilometer lange Reise gemacht, um in drei Wochen in die türkische Stadt am Bosporus zu kommen.
Auf dem Rad geht es dabei durch sieben Länder und über zwei Gebirge. Die Nächte verbringt er unter freiem Himmel. Das schreckt ihn nicht ab, im Gegenteil: „Je unangenehmer es wird, desto motivierter bin ich.“
Mit seiner Tour nach Istanbul schließt sich für Rojan-Paul ein Kreis. „Meine Mutter stammt aus Roßbach im Landkreis Rottal-Inn. Ende der 80er ist sie mit dem Auto in die Türkei gefahren“, erzählt der 18-Jährige. Dort habe sie seinen Vater kennengelernt, der aus dem kurdischen Teil der Türkei stammt. Gut 30 Jahre später macht sich ihr Sohn Rojan-Paul auf den Weg nach Istanbul.
Mit acht Jahren kam die Idee für das Abenteuer
Auch dabei folgt er gewissermaßen einer Tradition. „Meine Familie und ich fahren in den Ferien oft mit dem Auto nach Istanbul, das dauert etwa 30 Stunden“, erzählt er. Mit seinem Vorhaben setzt er einen Entschluss um, den er genau auf dieser Strecke schon mit acht Jahren gefasst hat: Einmal mit dem Fahrrad nach Istanbul zu radeln.
„Ich war schon immer sehr abenteuerlustig. Als Kind wollte ich bereits alles entdecken“, sagt Rojan. Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren offenbar nicht geändert. Gerade im Sport probiert sich Rojan gerne aus. „Ich bin ein Athlet.“ Mixed Martial Arts, Turnen, Marathon oder spezielle Fitness-Strategien wie Crossfit und Calisthenics – Rojan sei nicht der Typ, der sich nur auf eine Sache konzentriert. „Für mich ist die Idee: Am besten kannst du alles.“
Bis zu 150 Kilometer täglich
Und dass er durch die vielen verschiedenen Sportarten konditionell alles abdecke, komme ihm auch bei seiner Tour nach Istanbul zugute. Denn da braucht Rojan ordentlich Puste und Muskeln: Zwischen 100 und 150 Kilometer will der Landshuter am Tag zurücklegen. Und das laut Wettervorhersage wohl bei ordentlich Hitze. „Richtung Türkei sollen es um die 47 Grad werden“, sagt Rojan. Deshalb werde er möglichst früh aufstehen, um die Mittagshitze zu vermeiden.
Die Zeit dazwischen nutzt er dann einfach fürs Pauken. Er ist Physiotherapeuten in Ausbildung und nutzt die Sommerferien für sein großes Abenteuer. Nächstes Jahr steht das Staatsexamen an. „Da will ich auch in den Ferien am Ball bleiben“, betont Rojan, der zwar keine Schulbücher mit aufs Fahrrad packt, dafür aber mit dem Handy lernt. Und weil rund acht Stunden Radfahren am Tag noch nicht reichen, ist auch regelmäßig eine Stunde Training abseits der Straße eingeplant. „Ein wenig dehnen, mobilisieren und die Muskeln stärken, die man beim Radfahren nicht so benutzt“, erklärt Rojan. „Ich will ja nicht wie ein Zombie in Istanbul ankommen.“
Bei der Routenplanung haben die Eltern geholfen
Auch wenn er lieber einfach drauf losgefahren wäre, hat er vorab eine genaue Route geplant. Geholfen haben ihm seine Eltern. „Natürlich ist bei ihnen eine gewisse Angst da, aber sie sind solche verrückten Sachen von mir gewohnt. Und sie unterstützen mich“, sagt der 18-Jährige. Seine Freunde seien großteils begeistert von der Idee, nur einige fänden es gefährlich und rieten ihm lieber zum „schönen Sommerurlaub“. Rojan bevorzugt allerdings die Herausforderung. „Und vielleicht kann ich ja ein paar inspirieren, sowas auch einmal zu machen“, hofft er.
Das ist auch der Grund, warum der 18-Jährige sein Abenteuer auf Instagram und Youtube mit anderen teilt – obwohl er sich zuvor nicht wirklich mit den sozialen Medien befasst habe. Deshalb muss nun neben Kleidung und allem Nötigen für Camping und Reparaturen auch noch die Kameraausrüstung in den Taschen seines Gravel-Bikes Platz finden. Das Rennfahrrad mit dickeren Reifen hat sich der 18-Jährige eigens für seine Tour angeschafft.
Auf 2000 Meter Höhe über zwei Gebirge
„Ich bin immer schon viel mit dem Rad unterwegs gewesen, aber tatsächlich eher im Alltag. Radfahren war so der einzige Sport, den ich noch nicht intensiver gemacht habe“, sagt Rojan. Im Vorfeld habe er auch einige Testtouren gefahren, manche bereits mehrtägig mit Übernachtungen unter freiem Himmel.
In drei Wochen will Rojan-Paul Stockner Istanbul erreichen. „Ob ich das schaffe, muss man schauen.“ Immerhin könne es passieren, dass er sich zwischendurch auch einmal verfahre oder der Weg einfach aufhöre. Auch allgemein sei ihm die Herausforderung bewusst, etwa, wenn er auf seiner Reise zwei Gebirge auf bis zu 2000 Höhe überquert. „Ich bin jemand, der sich eigentlich sehr gesund ernährt, das wird dann natürlich eher nicht gehen“, sagt er. „Dazu das lange Fahren, die Hitze... Da kommt alles zusammen.“
Auch auf die vielen Straßenhunde auf dem Weg müsse man aufpassen. „Ich liebe Hunde, aber ich habe auch Respekt vor ihnen. Und da muss man immer aufpassen, dass einem die nicht reinlaufen und ein Unfall passiert“, betont Rojan. Das alles werde zu einem „Riesenbrei“, der einen auch mental runterziehen könne. „Aber: Je schwieriger die Bedingungen werden, desto mehr Lust bekomme ich“, sagt der 18-Jährige.
Von Istanbul geht es dann mit dem Zug zurück in die Heimat. Nicht, weil Rojan den Rückweg scheut. Da gehe es schlicht um die Zeit. „Ich hab ja nur sechs Wochen Ferien.“
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