Heikles Thema
Streitpunkt Schwangerschaftsabbruch: So ist die Versorgung in der Region

28.09.2022 | Stand 28.09.2022, 20:12 Uhr

Eine ungewollte Schwangerschaft stellt Frauen oft vor die Entscheidung, ob sie das Kind austragen wollen – oder können. −Foto: dpa

Von Corinna Mühlehner

Abbrüche von Schwangerschaften sind ein heikles Thema. Fakt ist: In Deutschland sind sie möglich. Doch wie sieht es in der Region mit der Versorgung aus?



Für die einen ist es ein unstrittiges Frauenrecht, für die anderen gleichbedeutend mit Mord: Die Frage, ob Schwangerschaftsabbrüche legal sein und Frauen ein Recht darauf haben sollten, spaltet die Gesellschaft. Im Juni flammte die Debatte wieder auf – in Deutschland mit dem Wegfall des Werbeverbots für Ärzte und global mit der Entscheidung des Supreme Courts in den USA, dass Frauen kein grundsätzliches Recht mehr auf einen Abbruch haben. Am Mittwoch war der internationale „Safe Abortion Day“. Das hat unsere Redaktion zum Anlass genommen, nach der Lage in der Region zu fragen.

Vor einem Abbruch muss eine Beratung stattfinden

Wer in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen will, muss sich zunächst bei einer offiziell anerkannten Beratungsstelle melden. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätzlich illegal, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei. Unter anderem muss dem Arzt mit einer Bescheinigung nachgewiesen werden, dass mindestens drei Tage vor dem Eingriff eine Beratung stattgefunden hat.

Solche bietet der Donum Vitae e.V.. Die Leiterin der Beratungsstelle in Landshut, Stefanie Löchli, weiß, dass Schwangerschaftsabbrüche ein stigmatisiertes Thema sind. „Es ist schwer, darüber zu reden“, sagt sie, „weil die Leute ihre Meinung auf andere abwälzen.“ Bei der Beratung müsse man dagegen „absolut neutral“ vorgehen. „Sonst ist man nicht hilfreich.“

Schwangerschaftskonfliktberatungen machten etwa ein Drittel der Beratungsarbeit von Donum Vitae aus. 2021 fanden 200 solcher Gespräche statt, 2022 waren es bis Ende August 150. Die am häufigsten genannten Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch sind laut Stefanie Löchli das Gefühl, psychisch oder physisch überfordert zu sein, die Angst vor der Verantwortung und Zukunftsangst sowie auch berufliche Probleme oder dass die Ausbildung dadurch gefährdet sein könnte. Auch das Alter der Schwangeren sei oft der Grund, auch finanzielle Probleme oder Schulden.

„2020 war die Gruppe, die die meisten Konfliktberatungsgespräche in Anspruch nahm, zwischen 26 und 30 Jahre alt“, erklärt Stefanie Löchli. Im Jahr 2021 seien es die 36- bis 40-Jährigen gewesen. Bei der Beratung würden der Schwangeren viele Informationen mit auf den Weg gegeben. Das geschehe unabhängig davon, ob sich die Frau noch im Findungsprozess befinde oder bereits entschlossen sei. Wenn die Frau etwa in einer finanziellen Notlage ist, vermittle man an Stellen, die unterstützen. „Das ist quasi der einfachste Fall, aber der ist leider auch der seltenste“, so Stefanie Löchli.

Wichtig sei, dass die Beratung ergebnisoffen ist. Zwar habe jede Beraterin ihre persönliche Haltung. „Und das kann ich als Frau auch für mich selbst entscheiden und denken. Aber ich muss die Frauen, die zu mir kommen mit ihren Lebenssituationen wahrnehmen. Eine Schwangerschaft, ein Kind, ist eine lebensbegleitende Sache – ein Abbruch aber natürlich auch.“

Nur noch eine Praxis für Abbrüche in Niederbayern

Beratungsstellen stünden auch Anfeindungen gegenüber. „Es wird oft so hingestellt, als würden wir die Frauen beeinflussen“, teilt Stefanie Löchli ihre Erfahrungen. Dabei sei die Beratung gewissermaßen Pflichtprogramm. In Deutschland habe man mit diesem System einen guten Kompromiss gefunden, denkt sie: „Man gibt dem ungeborenen Leben einen gewissen Schutz, aber wahrt auch die Selbstbestimmung der Frauen.“

Auch am Landratsamt gibt es eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatung. Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin, dass sich vor allem Mädchen und Frauen im Alter von 16 bis 46 Jahren in den vergangenen Jahren an die Stelle gewandt hätten. Die Konfliktberatungen bewegten sich zwischen 100 und 120 Beratungen pro Jahr. „Frauen, welche die Konfliktberatung in unserer Beratungsstelle durchgeführt haben, erhalten von uns auf Wunsch Kontaktdaten von Einrichtungen, die Abbrüche durchführen“, so die Sprecherin. „Falls gewünscht oder wegen Sprachproblemen notwendig, stellen wir auch den Kontakt zu den Ärztinnen und Ärzten her.“

Aber: „Wir beobachten in den letzten Jahren gerade in ländlichen Regionen einen Rückgang von Einrichtungen, die sich zum Schwangerschaftsabbruch bereit erklären, was einen Nachteil für eine wohnortnahe Versorgung darstellt“, schreibt die Sprecherin. Das ist auch für Stefanie Löchli von Donum Vitae ein drängendes Thema. „Da haben wir schon ein Problem bei uns“, sagt auch sie. Früher habe es einen Arzt im Landkreis gegeben, der einen medikamentösen Abbruch vorgenommen habe. Der sei weggegangen. Nun gebe es in Niederbayern nur noch eine Praxis in Passau, die solche Abbrüche durchführt.

Und an den Kliniken? Eine Sprecherin der LAKUMED-Kliniken teilt mit: „In den LAKUMED-Kliniken werden keine Schwangerschaftsabbrüche nach Fristenlösung durchgeführt. Lediglich in seltenen Fällen wird in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe ein Schwangerschaftsabbruch bei medizinischer Indikation durchgeführt.“

Auf Nachfrage beim Klinikum Landshut erklärt Dr. Ingo Bauernfeind, Chefarzt der Frauenklinik, dass in „äußerst wenigen Notfällen, die mit dem Paragrafen 218 a in Einklang stehen“, ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werde. „Insbesondere, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann“, erklärt Dr. Bauernfeind schriftlich.

Wohnortnahe Versorgung: „Da ist die Politik gefordert“

Darüber hinaus müssen Frauen nach Regensburg oder München, weiß Stefanie Löchli. „Im Gesetz steht geschrieben, dass eine ,wohnortnahe‘ Versorgung gewährleistet sein muss. Wir sprechen hier über eine Reise in die Oberpfalz oder nach Oberbayern. Das ist für mich nicht ,wohnortnah‘“, kritisiert sie. Deshalb müsse erst einmal die bestehende Situation verbessert werden. „Da ist die Politik gefordert“, sagt sie.

Und nicht nur bei der Versorgung. Auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche könnte sich verringern, wenn mehr familienpolitische Unterstützungen auf den Weg kämen, findet Stefanie Löchli. Neben dem Gefühl, psychisch oder physisch überfordert zu sein (+6 Prozent) habe gerade die Angst vor Verantwortung oder Zukunftsangst als Grund für einen Abbruch mit einem Plus von zehn Prozent einen deutlichen Anstieg erlebt. „Wir sehen deutlich mehr Klient*innen besorgt in die Zukunft blicken als noch in den Jahren zuvor“, erläutert Löchli.

Denn für viele bedeute eine ungewollte Schwangerschaft ein Armutsrisiko. „Existenzen hängen da dran“, weiß die Leiterin der Donum-Vitae-Beratungsstelle. „Da gehört auch in der Politik mehr Realität her. Es herrschen nicht überall traumhafte Verhältnisse. Und da kann man niemanden verurteilen, der sich aktuell nicht in der Lage sieht, ein Kind zu bekommen.“