„Das war wirklich extrem“
Starkregen in Landshut war ein „100-jährliches Ereignis“

30.06.2021 | Stand 30.06.2021, 16:34 Uhr

Die DWD-Wetterstation Landshut-Reithof verzeichnete am Dienstagabend enorm hohe Niederschlagsmengen. −Foto: Stadt Landshut

Die DWD-Wetterstation in Landshut-Reithof verzeichnete am Dienstagabend laut Stadt binnen einer halben Stunde mehr als 57 Liter Regen pro Quadratmeter – und damit ein „100-jährliches Ereignis“.


Ein massives Unwetter mit extremem Starkregen und schweren Sturmböen hat am frühen Dienstagabend die Stadt Landshut heimgesucht. Besonders hart getroffen wurden die südlichen Stadtteile sowie die Innenstadt. Viele Keller, aber auch einige Erdgeschosswohnungen liefen binnen weniger Minuten voll, Autos wurden von der Wucht der Wassermassen mitgerissen.



„Das war wirklich extrem, so etwas habe ich noch nicht erlebt“


An einen Starkregen dieses Ausmaßes kann sich Thomas Schindler, Leiter des Zivil- und Katastrophenschutzes der Stadt Landshut, nicht erinnern. „Das war wirklich extrem, so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt er. „Die Sturzfluten, Erdrutsche, Schlammlawinen und Überschwemmungen waren dann eine unvermeidliche, katastrophale Folge dieser außergewöhnlichen Unwetterlage.“ Innerhalb einer halben Stunde, nämlich zwischen 18.05 und 18.35 Uhr, fielen den Daten der vom Deutschen Wetterdienst (DWD) betriebenen, im äußersten Osten des Stadtgebiets gelegenen Station Landshut-Reithof zufolge am Dienstagabend rund 57 Millimeter Niederschlag, das entspricht etwa 57 Litern Regen pro Quadratmeter. Ein „100-jährliches Ereignis“, wie der Grafik zu entnehmen ist.



Sehen Sie weitere Eindrücke der Nacht und das Statement von Oberbürgermeister Alexander Putz im Video:



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Auch die Wetterstation Schönbrunn verzeichnete zwischen 18 und 19 Uhr gut 50 Millimeter Niederschlag; dort wurde der Grenzwert zum „100-jährlichen Ereignis“ knapp unterschritten. Die Naturgewalten sorgten binnen Minuten für mehr als 1000 Anrufe von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in der Integrierten Leitstelle (ILS) und für Hunderte Einsätze von Feuerwehr, THW, Hilfs- und Rettungsdiensten.



Gute Zusammenarbeit der verschiedenen Einsatzkräfte



„Wir haben auch Unterstützung aus dem Landkreis Landshut und den Nachbarlandkreisen erhalten. Das BRK hat gegen Mitternacht zudem eine Verpflegungsstation für die Einsatzkräfte eingerichtet“, sagt Schindler. „Dafür sind wir dankbar, denn ohne diese Hilfe könnten wir eine solche Lage nicht in den Griff bekommen.“


Das unermüdliche Engagement der Einsatzkräfte hob auch Oberbürgermeister Alexander Putz hervor, der sich am Dienstagabend zusammen mit Bürgermeister Dr. Thomas Haslinger selbst an mehreren Einsatzstellen ein Bild der Lage gemacht hatte. „Was gerade die vielen Ehrenamtlichen in dieser äußerst angespannten Situation geleistet haben, verdient höchsten Respekt und herzlichen Dank“, sagte Putz. „Die Zusammenarbeit der verschiedenen Hilfsdienste und Feuerwehren klappt bei uns in der Region regelmäßig vorbildlich und trägt maßgeblich dazu bei, dass auch solche Extremereignisse bewältigt werden können. Glücklicherweise ist nach bisherigen Erkenntnissen nur ein Leichtverletzter zu beklagen.“



Wertstoff- und Entsorgungszentrum hebt Liefermenge an



Dennoch hätten natürlich viele Bürgerinnen und Bürger unverschuldet große wirtschaftliche Schäden durch das Unwetter erlitten. Putz plant daher, den besonders hart Getroffenen mit Spendengeldern aus der OB-Direkthilfe etwas unter die Arme zu greifen. „Damit können wir schnell und unbürokratisch wenigstens einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau leisten.“



Um Betroffenen die Aufräumarbeiten und insbesondere die Entsorgung von Sperrmüll zu erleichtern, hat das Wertstoff- und Entsorgungszentrum (WEZ) zudem mit sofortiger Wirkung die bisher gültige Begrenzung der Liefermenge auf drei Kubikmeter aufgehoben. Um Belastungsspitzen und damit lange Wartezeiten zu vermeiden, werden Nutzer jedoch gebeten, insbesondere am kommenden Wochenende nur den notwendigsten Sperrmüll anzuliefern.



Zwischen 300 und 400 Einsätze im Stadtgebiet Landshut



Der ganze Umfang der Schäden war auch am Mittwochvormittag noch nicht abschätzbar; Feuerwehr, Katastrophenschutz und THW waren im Dauereinsatz. Bislang meldete allein die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Landshut zwischen 300 und 400 Einsätze im Stadtgebiet.



Infolge von Überschwemmungen, Erdrutschen und Schlammlawinen sind zudem zahlreiche Straßen und Wege unpassierbar. Die Bauamtlichen Betriebe der Stadt arbeiten zusammen mit Feuerwehr und THW fieberhaft an der Beseitigung dieser Schäden. Gleichzeitig werden alle Bürgerinnen und Bürger dringend gebeten, im Interesse der eigenen Sicherheit die geltenden Sperrungen und Umleitungen unbedingt zu beachten und vor allem keine Fahrten in verschlammte Bereiche oder ausgespülte, beziehungsweise unterspülte Straßenabschnitte zu riskieren. Grundsätzlich sollten momentan gerade in den besonders betroffenen Stadtteilen alle nicht unbedingt notwendigen Fahrten vermieden werden.



Corona-Impf- und Testzentrum musste Betrieb einstellen



Erhebliche Schäden hat indes auch die öffentliche Infrastruktur davongetragen. So wurden im Corona-Impf- und Testzentrum auf dem Messegelände Pavillons beschädigt und Bauzäune umgeweht. Der Betrieb musste daher am Dienstagabend vorzeitig eingestellt und eine laufende Impfaktion abgebrochen werden.



Neben zahlreichen Straßen im Stadtgebiet wurde zudem das Wegenetz im Hof- und Herzoggarten arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Hangbereiche dort sind laut Stadtgartenamt weitgehend unpassierbar und daher gesperrt. Der Hauptweg vom Hofgärtnerhaus zur Polizei kann momentan ebenfalls nicht begangen werden. Generell werden Besucher wegen des schlechten Zustands der Wege um erhöhte Vorsicht gebeten. Nicht betroffen sind dagegen der obere Bereich des Tiergeheges und der Spielplatz, der ohne Einschränkungen genutzt werden kann.



Friedhofsgräber sind teils von Erdsenkungen betroffen

Die Starkregenfälle der vergangenen Tage, die gestern Abend ihren traurigen Höhepunkt fanden, führten darüber hinaus auf den städtischen Friedhöfen und insbesondere in Teilen des Achdorfer Friedhofs zu beträchtlichen Schäden. Sowohl um die Gräber als auch innerhalb der Grabbeete kam es zu Erdsenkungen, wobei nach Schätzungen der Friedhofsverwaltung mehrere hundert Grabstellen betroffen sein dürften. Auch außerhalb von Grabflächen wurden Senkungen oder Einbrüche festgestellt. Die Stadt bittet alle Friedhofsbesucher daher, sich umsichtig auf dem Friedhofsgelände zu bewegen. Die Bediensteten der Stadtverwaltung werden in den kommenden Tagen abteilungsweise die außerhalb der Gräber aufgetretenen Senkungen und Löcher zu verfüllen.



Für die Grabbeete sind dagegen die Grabnutzungsberechtigten zuständig. Freiliegende oder abgesunkene Grabeinfassungen sowie teilweise oder ganz eingesunkene Liegesteigende sind umgehend wieder passend einzubauen. Auch dies obliegt den Grabnutzungsberechtigten, die gebeten werden, dafür gegebenenfalls einen Steinmetz zu beauftragen. Soweit von einzelnen Grabstellen eine besondere Gefahr für die Besucher ausgeht, werden die betroffenen Grabnutzungsberechtigten von der Friedhofsverwaltung direkt schriftlich benachrichtigt.

− vc