Naturzerstörung in Vilsbiburg
Baumschnitt auf Niederbayerisch

07.04.2021 | Stand 07.04.2021, 14:45 Uhr

Wegen „Bruchgefährdung einiger Äste“ sei diese Bescherung am Grundstück des Rentners (66) geschehen. Foto: vb

Ein Faschingswitz sieht anders aus: Bäume, die teils 60 Jahre alt sind, wurden zerschnitten.

Von Veronika Bayer

Vilsbiburg. 15. Februar, Rosenmontag: Konrad Lehrhuber (66) wird in der Früh gegen 8.30 Uhr von lauten Sägegeräuschen geweckt. Der Rentner steht auf und blickt aus dem Fenster: Am Rand seines Grundstücks macht sich ein fremder Hubwagen mit schweren Gerät zu schaffen. Ast für Ast fällt aus mehreren Metern Höhe zu Boden oder auf den Zaun – seinen Zaun. Am Rosenmontag sägt ein Gehilfe im Auftag des Nachbars Konrad Lehrhubers 60 Jahre bestehenden Baumbestand zusammen. Über eine Linie von über 15 Metern und „soweit hoch, wie der mit seinem Hubwagen halt gekommen ist“, werden teils 25 Meter hohen Fichten und Birken kahl rasiert.

Ein fataler Schaden entsteht: Bei der Grundstücksbesichtigung türmen sich im Garten mehrere „Scheiterhaufen“ auf – Äste, zu dick, um mit der Hand umfasst zu werden, liegen nun tot am Boden. Steht man unter den Birken, dann ‚regnet‘ es: Birkensaft, man sagt, dass „Birken bluten“.

Bei einigen Bäumen wurden ganze Spitzen gekappt, so dass der Wuchs behindert, der Baum damit zerstört ist. Selbst die Bäume, die ‚nur‘ rasiert wurden, werden schwierig zu erhalten sein, sagt Baumsachverständiger Richard Kuther. Ein weißer Kalkanstrich, den man in solchen Fällen vornimmt, sei sehr aufwändig und teuer.

Als der Rentner fertig angezogen dem Treiben an seinem Grundstück Einhalt gebieten will, ist es bereits zu spät. Dass es der Nachbar ist, der für die Zerstörung verantwortlich ist, wird spätestens am 13. März, klar: Dann nämlich fischt der Pensionär aus seinem Briefkasten eine Rechnung. Über 400 Euro fordert der Nachbar schriftlich von ihm für den Schaden – den anzurichten er laut Rechnung keinen Gärtner, sondern eine Hubwagen-Vermietung beauftragt hat. Ein Mahnverfahren droht er bei Nichtbegleichung auch noch an. Auf Wochenblatt-Nachfrage will der Nachbar sich nicht äußern.

Konrad Lehrhuber wendet sich an die Polizei. Zum Stand der Ermittlungen erklärt ein Sprecher der Polizei Vilsbiburg: „Die Strafanzeige wird zeitnah der Staatsanwaltschaft Landshut vorgelegt.“

Die genaue Höhe des Schadens kann der Baumsachverständige noch nicht beziffern. Nur so viel im Allgemeinen: Schnipp-Schnapp-Baum-Ab ist bei fremden Gehölzen keine gute Idee. Die Bäume sind mit dem Grundstück verwurzelt, gehören also zum Grundstück – und ein Schaden am Baum ist ein Grundstücksschaden.

Deswegen führt der Sachverständige eine sogenannte „Grundstückswertermittlung“ durch. Richtig teuer kann das werden, auch in den fünfstelligen Bereich gehen – ein neues (Eco-)Auto wäre eine sinnvollere Investition. Dem leidenschaftlichen Imker nützt das allerdings nichts mehr: „Ich kann einen Ast ja nicht wieder ankleben“, so Lehrhuber. Die Fichten und Birken dienten nicht nur dem Garten, sondern schützten auch die rund 20 Bienenstöcke, die Lehrhuber auf seinem Grundstück hegt und pflegt. Besonders ärgert den Imker die sinnlose Zerstörung der Natur: „Das hätte nicht sein müssen.“ Auch der Sachverständige bestätigt: Das fragliche Nachbargrundstück werde gar nicht beeinträchtigt. Und die Bäume? „Gehen sie zugrunde, möchte ich neue pflanzen: Allein schon, um Bienen und Menschen zu schützen.“