Die Produktion von Atomstrom in Bayern gehört der Vergangenheit an. Der Meiler Isar 2 ist kurz vor Mitternacht vom Netz genommen worden. Abgeschlossen ist das Thema Kernkraft damit aber nicht.
Die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland sind in dieser Nacht abgeschaltet worden - darunter auch Isar 2 in Essenbach im niederbayerischen Landkreis Landshut. Um 23.52 Uhr wurde der Meiler vom Netz getrennt, wie eine Sprecherin des Betreibers PreussenElektra der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Neben Isar 2 gingen auch die AKW Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg vom Netz. Damit ist der Atomausstieg in Deutschland vollzogen worden.
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Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder möchte nach eigener Darstellung Atomkraftwerke wie den abgeschalteten Meiler Isar 2 in Landesverantwortung weiter betreiben. Vom Bund verlangt er dafür eine Änderung des Atomgesetzes. „Bayern fordert deshalb vom Bund eine eigene Länderzuständigkeit für den Weiterbetrieb der Kernkraft. Solange die Krise (bei der Energieversorgung infolge des Ukraine-Kriegs) nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen ist, müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Bayern sei dazu bereit.
Es kann als ausgeschlossen gelten, dass die Ampel-Koalition darauf eingeht. Denn dann wäre unter anderem die Frage der Endlagerung des in Bayern weiter produzierten Atommülls gesondert zu klären. Bei der bundesweiten Suche nach einem Endlager für den bisher angefallenen Atommüll steht Bayern bereits jetzt auf der Bremse, sobald es um eine Lösung auf dem Gebiet des Freistaats geht.
Etwa 1000 Kernkraft-Gegner feierten den Automausstieg bereits am Samstagmittag in München mit einem Atomausstiegsfest. BN-Vorsitzender Richard Mergner sprach dabei von einem historischen Tag und einem riesigen Erfolg der Anti-Atom-Bewegung.
Bundesamt kritisiert Bayerns Forderung nach AKW-Hoheit für Länder
Das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) kritisiert die bayerische Forderung, abgeschaltete Atomkraftwerke in Landesverantwortung weiterzubetreiben. „Die heutigen Forderungen des Bayerischen Ministerpräsidenten unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt“, sagte Präsident Wolfram König am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. „Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht.“ Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.
Meiler Isar 2 war 35 Jahre lang in Betrieb
Auch CSU, Freie Wähler und FDP in Bayern kritisierten den Atomausstieg zum jetzigen Zeitpunkt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich jüngst bei einem Besuch in Essenbach für eine erneute Verlängerung der Laufzeit ausgesprochen und zwar bis Ende dieses Jahrzehnts.
Der Meiler Isar 2 war 35 Jahre lang in Betrieb, laut Betreiber ohne einen einzigen Störfall. Zusammen mit dem bereits 2011 abgeschalteten Block Isar 1 wurden demnach am Standort Essenbach in 44 Jahren rund 600 Milliarden Kilowattstunden Atomstrom in das Netz eingespeist.
Allein Isar 2 habe mit einer jährlichen Stromproduktion von etwa 12 Milliarden Kilowattstunden rund 12 Prozent des in Bayern verbrauchten Stroms geliefert, teilte das Unternehmen mit. 3,5 Millionen Haushalte seien damit „rund um die Uhr zuverlässig mit CO2-armem Strom“ versorgt worden. Zehnmal sei Isar 2 Weltmeister in der Jahresstromerzeugung gewesen. Umweltschutzverbände und etwa die Grünen sind überzeugt, dass der Stromverbrauch künftig mit erneuerbaren Energien gedeckt werden kann.
Folgen des Atomkraft-Zeitalters werden lange andauern
Die Folgen des Atomkraft-Zeitalters werden lange andauern. Der Atommüll muss gelagert und die Kraftwerke müssen rückgebaut werden. PreussenElektra hat die Genehmigung für den Rückbau von Isar 2 bei der Aufsichtsbehörde, dem bayerischen Umweltministerium, beantragt. Im Laufe des Jahres soll diese erteilt werden, so Guido Knott, Vorsitzender des Energiekonzerns. Dann könne mit der Demontage begonnen werden. Bis dahin seien Vorbereitungsmaßnahmen zu erledigen.
Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Mit dem Rückbau der bayerischen Kernkraftwerke steht eine große Aufgabe bevor. Ziel des Rückbaus ist die grüne Wiese.“ Sicherheit sei dabei oberstes Gebot, so der Minister. „Der Rückbau erfolgt unter den gleichen strengen Sicherheitsvorgaben wie der Betrieb der Anlagen. Es gibt keinen Sicherheitsrabatt.“
Trennung von radioaktiven und nicht radioaktiven Stoffen
Das Umweltministerium teilte mit, beim Rückbau kerntechnischer Anlagen gelte der Grundsatz „Trennung von radioaktiven und nicht radioaktiven Stoffen sowie deren gesicherte Entsorgung“. Jedes Teil werde nach dem Abbau zerlegt, gereinigt und ausgemessen. „Wenn die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden und damit für Mensch und Umwelt keine relevante Strahlung mehr von den Teilen ausgeht, werden sie den bewährten Stoffkreisläufen zugeführt.“ 90 Prozent der Teile könnten wiederverwendet oder -verwertet werden. „Der kleinere Rest der Abbaumassen wird als radioaktiver Abfall sicher entsorgt.“
In Bayern existieren für abgebrannte Brennelemente Zwischenlager an den Standorten Isar, Grafenrheinfeld und Gundremmingen. Betreiber ist der Bund, die Aufsicht liegt beim bayerischen Umweltministerium, wie der Ministeriumssprecher weiter erläuterte.
Ende der Atomkraftnutzung
„Die Endlagerung des strahlenden Atommülls steht noch vor uns“, sagte etwa Grünen-Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann anlässlich des Atomausstiegs. „Strom für ein paar Jahrzehnte, tödlicher Atommüll für Jahrtausende - das ist kein Zukunftskonzept.“ Umso wichtiger sei es, dass das Ende der Atomkraftnutzung nun auch die Zunahme des Atommülls begrenze. Mit dem Atomausstieg gewinne Deutschland mehr Sicherheit und Unabhängigkeit.
Den deutschen Atomausstieg hatte nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 die damalige Bundesregierung beschlossen. Eigentlich hätte er schon Ende 2022 vollzogen werden sollen. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise änderte die Ampel-Koalition nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Herbst jedoch das Atomgesetz, um die drei letzten AKW über den Winter bis Mitte April weiterlaufen zu lassen.
− dpa