Landau
Wer hat den Kilometerstand manipuliert? Autohändler muss sich vor Gericht verantworten

25.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:32 Uhr

Aus Mangel an Beweisen wurde der angeklagte Autohändler frei gesprochen. −Foto: Archiv/Birgmann

Von Madeleine Klee

Die Freude über ein neues Auto ist immer groß – auch wenn es ein gebrauchtes ist. Umso enttäuschter war ein junger Mann, als er feststellen musste, dass er beim Kauf über den Tisch gezogen wurde. Der Ford Focus hatte statt den ausgewiesenen 156000 Kilometer in Wahrheit mehr als 230000 Kilometer auf dem Tacho. Aufgefallen ist das rein zufällig bei einer TÜV-Untersuchung, weil der Bearbeiter gerade dieses Fahrzeug schon kannte und wusste, dass der Kilometerstand nicht stimmen konnte. Aber wer hatte den Stand manipuliert? Der Autohändler oder doch die Vorbesitzer? Das wollte Richterin Eva Ruhland am Landauer Amtsgericht herausfinden – was ihr allerdings nicht gelang. Der Angeklagte wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Gekauft hatte der damals 28-Jährige das gebrauchte Auto bereits im März 2020. 1950 Euro habe er dafür gezahlt, wie er vor Gericht aussagte. Es sei gut in Schuss gewesen, fahre immer noch. Erst beim nächsten TÜV-Besuch fiel dann der Betrug auf.

Der Angeklagte war sich keiner Schuld bewusst, bestritt den Vorwurf von Staatsanwalt Alexander Kosak, das Auto wissentlich über Wert verkauft und den Kaufvertrag mit dem Vorbesitzer gefälscht zu haben.

Unterschriebener Kaufvertrag lag Gericht vor

„Auf keinen Fall“, sagte Rechtsanwalt Joachim Berger. Sein Mandant habe einen Vertrag aufgesetzt – der dem Gericht auch vorlag – habe die Vorbesitzerin die persönlichen Daten selber ausfüllen und unterschreiben lassen. Der Tacho habe zum Kaufzeitpunkt knappe 156000 Kilometer angezeigt, die er dann schließlich auch im Vertrag so vermerkt habe. 1200 Euro habe er dafür bezahlt, habe es der Vorbesitzerin in bar ausgehändigt, wie er Richterin Eva Ruhland beteuerte. Laut Anklage habe er allerdings den Vorbesitzern nur 300 Euro für den Ford Focus bezahlt.

„Dieser Schrottpreis stimmt hinten und vorne nicht“, betonte Rechtsanwalt Joachim Berger. Denn: Selbst wenn der Beschuldigte von dem höheren Kilometerstand gewusst hätte, hätte er trotzdem den selben Preis bezahlt, weil das Auto „im guten Zustand war“, wie der Rechtsbeistand betonte. Außerdem habe der Autohändler im Kassenbuch die 1200 Euro bei den Ausgaben und die 1950 Euro bei den Einnahmen korrekt verbucht und versteuert.

Die Frau des Angeklagten und ein Freund bestätigten die Aussage des Autohändlers, seien beide beim Verkauf dabei gewesen und hätten auch den Vertrag gesehen. Richterin Eva Ruhland prüfte das Kassenbuch und den Kaufvertrag kritisch. „Das hat sie eindeutig ausgefüllt“, stellte sie fest, als sie die Schrift der Vorbesitzerin mit der Zeugenaussage und anderen Verträgen verglich. Ihre Aussage bei der Polizei – nach der sie nie einen Kaufvertrag ausgefüllt noch unterschrieben habe – konnte so also nicht ganz stimmen.

Als die Vorbesitzerin dann vor Gericht vernommen wurde, behauptete sie immer noch felsenfest, dass es nie einen solchen Vertrag gegeben habe. Erst als die Richterin ihr das Dokument zeigte, lenkte sie etwas ein und gab zu, den oberen Teil selbst ausgefüllt zu haben. „Das ist hier eine ernste Sache“, ermahnte die Vorsitzende die Zeugin nochmals zur Wahrheit. Sie blieb bei ihrer Geschichte, die Details dazu konnte sie nicht mehr eindeutig sagen. Sie könne sich nicht mehr erinnern, nur noch daran, dass sie für das Auto lediglich 300 bis 400 Euro verlangt habe, weil es „nur noch Schrott“ gewesen sei und der Kofferraum nach einem Wasserschaden bereits Schimmelbefall ausgesetzt war.

„Legen Sie doch endlich die Karten auf den Tisch und erleichtern Sie ihr Gewissen“, forderte Rechtsanwalt Joachim Berger die Zeugin auf. Schließlich habe bereits der Geschädigte vor Gericht bestätigt, dass der Ford Focus im einwandfreien Zustand gewesen sei. „Der war Schrott“, betonte die Vorbesitzerin abermals. „Das ist doch alles erstunken und erlogen“, war das Fazit des Rechtsbeistandes.

Richterin: „Das kaufe ich Ihnen nicht ab“

Die Aussage des Ehemanns der Vorbesitzerin fiel ähnlich aus, auch der konnte sich nur noch an sehr wenig erinnern, vor allem daran, dass es keinen Vertrag gegeben habe. „Das kaufe ich Ihnen nicht ab“, betonte Eva Ruhland und konfrontierte auch ihn mit dem Dokument, das dem Gericht vorlag. „Vielleicht hat den oberen Teil meine Frau ausgefüllt, ich weiß es nicht mehr, es ist ja auch schon drei Jahre her.“

„Irgendwer verarscht uns hier“, resümierte Staatsanwalt Alexander Kosak in seinem Plädoyer. Es gebe nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Händler oder eben die Vorbesitzer den Kilometerstand manipuliert. „Aber das lässt sich nicht mehr eindeutig feststellen“, sagte er und forderte deswegen Freispruch.

Für Rechtsanwalt Joachim Berger war ganz klar, wer schuldig war und wer vor Gericht gelogen hat. So seien die Aussagen der Vorbesitzer „vollkommen unglaubwürdig“ und abgesprochen gewesen. Er forderte Freispruch für seinen Mandanten.

Richterin Eva Ruhland war hin und her gerissen. „Ich bin weder von der einen Seite noch von der anderen überzeugt“, betonte sie bei der Urteilsverkündung. Wobei sie die Aussage des Autohändlers noch für wahrscheinlicher hielt. „Sie sind ja Gebrauchtwagenhändler, da wäre das alles etwas viel Aufwand gewesen“, findet sie. Schließlich wäre er auch auf seine Kosten gekommen, wenn er das Auto für 300 Euro ge- und für 900 Euro verkauft hätte, wie sie ausführte. Nichtsdestotrotz war die Beweislage nicht eindeutig, weshalb der Beschuldigte sowieso freizusprechen war: „Im Zweifel für den Angeklagten.“