Ausstellung
Katharina Sieverding zeigt ihr Werk „Deutschland wird deutscher“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie

25.05.2019 | Stand 28.07.2023, 13:54 Uhr
−Foto: n/a

Seit über 50 Jahren beschäftigt sich die international renommierte Künstlerin Katharina Sieverding ( geboren 1944 Prag) mit der Fotografie im Spannungsfeld von Geschichte und Politik, Individuum und Gesellschaft. Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg besitzt drei exemplarische Werke der Lovis-Corinth-Preisträgerin, die wesentlich zur Erweiterung des Kunstbegriffs und der interdisziplinären medialen Kunstpraxis beigetragen hat.

REGENSBURG 2018 konnte die großformatige Fotografie „Deutschland wird deutscher“ als Dauerleihgabe für das KOG gewonnen werden. Die bedeutungsvolle Entstehungs- und lebhafte Wirkungsgeschichte dieser Arbeit steht im Mittelpunkt der Ausstellung, die das KOG am 26. Mai 2019 um 11 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin eröffnet.

Am 6. März 1992 erschien in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ ein Leitartikel des politischen Redakteurs Roger de Weck mit dem Titel „Deutschland wird deutscher“. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Neugründung der Europäischen Union durch den Maastrichter Vertrag stellte der „Zeit“-Autor fest, dass sich im wiedervereinigten Deutschland euroskeptische Tendenzen breitmachen. „Armes Deutschland“ – so begann Roger de Weck seinen Artikel, dessen plakative Überschrift Katharina Sieverding augenblicklich aufgriff und weiterverarbeitete.

Mit ihrer vierteiligen Arbeit „Deutschland wird deutscher“ setzte Sieverding einen deutlichen Akzent gegen das Aufkeimen nationalistischer Gesinnung Anfang der 1990er Jahre. Das Zitat ist in eine schwarzweiße Fotografie eingeblendet, die ein von Messern bedrohtes Selbstbildnis der Künstlerin zeigt. Im Sommer 1992 sollte ihre Arbeit als großformatiges Plakat auf der internationalen Skulpturenausstellung „Platzverführung“ im Raum Stuttgart präsentiert werden. Aus Sorge, das Motiv könnte ohne Erläuterung missverstanden werden, stimmten allerdings 17 von 18 Gemeinden nicht zu.

Die Ausstellung im Kunstforum Ostdeutsche Galerie untersucht die damalige Diskussion um Sieverdings Projekt anhand von umfangreichem Dokumentationsmaterial. Die widersprüchlichen Reaktionen auf das Plakat zeigen, dass die Künstlerin ein sensibles Thema berührte, mit dem sich die Öffentlichkeit aufgrund des Erbes des Nationalsozialismus nicht offen auseinandersetzen wollte. Stattdessen wählten die verantwortlichen Entscheidungsträger den Weg der Zensur, das Plakat in 17 Kommunen einfach nicht aufzuhängen.

An die verhinderte Präsentation in den württembergischen Gemeinden schloss sich im Frühjahr 1993 eine Plakatierungsaktion in Berlin an. „Deutschland wird deutscher“ wurde als Großflächenplakat an 500 verschiedenen Orten der Bundeshauptstadt angebracht. Auch in Berlin war die Rezeption unter den Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund gespalten. Kulturschaffende und Presse legten Zeugnis über die spannende Dynamik öffentlicher Meinungsbildung ab. Die Ausstellung trägt dieses Material zusammen.

Die Slideshow „Metroboards“ gibt schließlich einen Überblick über die einzelnen Präsentationsorte von „Deutschland wird deutscher“ sowie über Sieverdings sämtliche bisher realisierte Arbeiten im öffentlichen Raum. Eindrucksvoll zeigt die Zusammenschau, wie sich die andernorts abgelehnte Kunstaktion im öffentlichen Raum erweitern kann.

Die Regensburger Ausstellung bezieht unmissverständlich Stellung zu Sieverdings politischer und künstlerischer Intention. Das Plakatmotiv „Deutschland wird deutscher“ wurde 1992/93 als kritische Reaktion auf herrschende gesellschaftliche Zustände formuliert. Sieverding setzte eine Geste des Widerstands zu einer Zeit, in der die nationale Identität des wiedervereinigten Deutschland in einer Findungskrise steckte. Die Frage nach der kulturellen und geistigen Identität und Weite der deutschen Nation ist angesichts der politischen Entwicklungen aktueller denn je. Im Hinblick auf die gegenwärtige Migrations- und Flüchtlingspolitik hat Sieverdings einst polarisierende Arbeit nicht an Wirkkraft verloren.

Broschüre und Begleitprogramm

Katharina Sieverding kommt während der Laufzeit der Ausstellung zweimal persönlich nach Regensburg. Am Sonntag, 26. Mai, begleitet sie die Eröffnungsmatinee um 11 Uhr. Beim Künstlergespräch mit dem Kurator der Ausstellung, Dr. Gerhard Leistner, am Donnerstag, 27. Juni, gibt Sieverding Einblick in ihr Schaffen. Überblicksführungen finden am Sonntag, 2. Juni, 7. Juli, 4. August und 1. September statt sowie am letzten Ausstellungstag, Sonntag, 8. September. Kurzführungen gibt es am Mittwoch, 26. Juni, 10. Juli, 7. August und 4. September. Zur Ausstellung erscheint eine begleitende Broschüre unter dem Ausstellungstitel „Katharina Sieverding, Deutschland wird deutscher. Präsentation und Dokumentation“, die an der Museumskasse erhältlich ist.

Regensburg