Spielzeit 2019/20
Politische Themen, intelligente Unterhaltung und Spannung pur im Theater Regensburg

08.04.2019 | Stand 04.08.2023, 13:59 Uhr
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Die anstehende Spielzeit 2019/20 steht am Theater Regensburg unter dem Motto „Visionen“. Das Programm stellten Intendant Jens Neundorff von Enzberg und seine Spartenleiter Klaus Kusenberg (Schauspieldirektor), Chin-Chao Lin (Generalmusikdirektor), Georg Reischl (Künstlerischer Leiter der Sparte Tanz und Chefchoreograph ab der Spielzeit 2019/20) und Maria-Elena Hackbarth (Leiterin Junges Theater) am 5. April im Malsaal der Theaterwerkstätten vor.

REGENSBURG Das Motto „Visionen“ steht über der kommenden Spielzeit. Um Visionen zu entwickeln, muss das Hier und Jetzt genau in Augenschein genommen werden, erst dann kann Utopisches gedacht und mit Möglichkeiten gespielt werden. Ohne Visionen treten wir auf der Stelle. Visionen stellen ein bewusst gesetztes Gegenstück zur tagesaktuellen Aufgeregtheit dar, laden ein, Gedankenspiele zu verfolgen.

In der Spielzeit 2019/20 findet sich das künstlerische Leitungsteam des Theaters Regensburg teils neu zusammen: Georg Reischl wird als Leiter der Sparte Tanz und Chefchoreograph neue Ideen einbringen, Schauspieldirektor Klaus Kusenberg und GMD Chin-Chao Lin, seit der Spielzeit 2018/19 am Theater Regensburg, haben ebenfalls eigene Akzente gesetzt. Visionen geben die gemeinsame Richtung vor: Was wollen wir sagen? Was wollen wir erreichen?

Doch nicht nur in dieser Hinsicht wird die kommende Spielzeit „visionär“: Mit zeitgenössischer Dramatik und neubefragten Klassikern werden Stücke auf die Bühne gebracht, die sich mit aktuellen, politischen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen. Das Theater Regensburg geht mit elf Uraufführungen und zwei Deutschsprachigen Erstaufführungen wieder ganz unbekannte Wege und freut sich, ein neugieriges Publikum auf diese Reise mitzunehmen.

Dieser Spielzeitstart wird im Schauspiel ein besonderes Ereignis: Schauspieldirektor Klaus Kusenberg eröffnet im Velodrom mit einer Deutschsprachigen Erstaufführung. Der fesselnde Polit-Thriller aus den U.S.A. „Oslo – Mission für den Frieden“ von J. T. Rogers lief bisher äußerst erfolgreich am Broadway in New York und im Westend in London. Das Friedensabkommen von 1993 zwischen Israel und Palästina wird zum Greifen nah und spannend erlebbar gemacht!

Im Theater am Bismarckplatz werden zwei Klassiker der Weltliteratur neu befragt. Dafür konnten zwei renommierte Regisseure der deutschsprachigen Theaterlandschaft gewonnen werden: Zunächst widmet sich Peter Wittenberg Verführung, Lügen, alternative Fakten und Verschwörungstheorien in Molières französischen Komödienklassiker „Tartuffe“. Mit Shakespeares machtgierigem, skrupellosem und ehrgeizigem „Richard III“ wird Georg Schmiedleitner dann einen der schauerlichsten Bühnenschurken zum Leben erwecken, den das Theater kennt.

Im Theater am Haidplatz reicht die Auswahl der Stücke von aktuellen politischen Themen bis zu intelligenter Unterhaltung. So eröffnet das Stück des Jahres 2018 „Am Königsweg“ der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek die dritte Spielstätte. Es ist ein aufwühlender Text über die Brüchigkeit unserer westlichen Demokratie, welcher untersucht, warum bestimmte Menschen zu derartiger Macht gelangen können.

Die Projektentwicklung „Demokratie – Eine postvisionäre Belastungsstörung“ von Mia Constantine und Nadine Wiedemann erforscht die politischen und gesellschaftlichen Grundlagen unseres Zusammenlebens als Plädoyer gegen die aktuelle politische Lethargie. In einem weiteren Themenblock im Haidplatz werden Geschlechterrollen und die daraus resultierenden Lebensformen genauestens unter die Lupe genommen: Es geht um Zwangshochzeit, die eigenen Bedürfnisse, Selbstverwirklichung, Beziehungsfragen und den Reiz des Verbotenen. Im Zentrum steht dabei „Effi Briest“, der bekannteste gesellschaftliche Roman aus dem 19. Jahrhundert von Theodor Fontane. Anlässlich des 200. Geburtstages des Autors wird sein größter literarischer Erfolg auf der Bühne des Haidplatzes zu sehen sein. Inszenieren wird die junge Regisseurin Pia Richter. Das zeitgenössische Erfolgsstück „The Who and the What“ von dem amerikanisch-muslimischen Pakistani Ayad Akhtar zeigt, was beim Aufeinanderprallen einer traditionell-muslimischen und einer modern-westlichen Lebensform passieren kann. In der zweiten deutschsprachigen Erstaufführung der Spielzeit wird Klaus Kusenberg gegenwärtige Beziehungsfragen und vor allem das Thema des verunsicherten, aufgeklärt-feministischen Mannes mit dem Stück „Sex oder Ex (AT)“ auf den Grund gehen.

In musikalischer Hinsicht wird es ein Wiedersehen geben: Das Team um Gerwin Eisenhauer, das mit „Der Sommernachtsalbtraum von St. Emmeram“ vor fünf Jahren das Velodrom rockte, findet sich wieder zusammen und bringt mit dem Regisseur und Autor Marc Becker gemeinsam einen musikalisch-intensiven Abend rund um Regensburg auf die Bühne: „Jenseits von St. Emmeram (AT)“.

Zum Ende dieser Spielzeit wird es wieder das allseits beliebte Sommertheater geben. Ferdinand Schmalz‘ Neubearbeitung „Jedermann (stirbt)“ von Hofmannsthals legendärem Spiel vom Leben und Tod wird auf der Freilichtbühne im Thon-Dittmer-Palais Figuren präsentieren, die direkt aus unserem eigenen Leben entsprungen zu sein scheinen.

Im Musiktheater wird die Spielzeit mit Puccinis „Tosca“ eröffnet, einem packenden Opernthriller um Machtmissbrauch und Widerstand, Liebe und Verrat, den der erfahrene Opernregisseur und ehemalige langjährige Intendant des Luzerner Theaters, Dominique Mentha, auf die Bühne des Theaters am Bismarckplatz bringen wird. Für die Ausstattung zeichnet wie schon bei „Nabucco“ das Erfolgsteam Helmut Stürmer (Bühne) und Katharina Heistinger (Kostüme) verantwortlich.

Antonio Vivaldi ist nicht nur ein Meister der Instrumentalmusik: „La fida ninfa (Die treue Nymphe)“ liefert den Beweis für sein außerordentliches Können als Opernkomponist. Die Regie führt Johannes Pölzgutter, der dem Regensburger Publikum durch seine Inszenierungen von Puccinis „La Bohème“, „Madama Butterfly“ und Flotows „Martha“ bestens bekannt ist (Bühne: Manuel Kolip, Kostüme: Janina Ammon).

Anlässlich des 80. Geburtstags des Komponisten Franz Hummel bringt das Theater Regensburg eine eigens für Stadttheater neu bearbeitete Fassung des Erfolgsmusicals „Ludwig II. – Sehnsucht nach dem Paradies“ über den visionären bayerischen Monarchen heraus (Regie: Sam Brown). „Ludwig II.“ erzählt die Geschichte des Märchenkönigs, um dessen Leben und Tod sich bis heute viele Legenden ranken.

„Minona“, mit dem sich der estnische Komponist Jüri Reinvere dem deutschen Publikum vorstellt, Beethovens vermutlich leiblichen Tochter Minona von Stackelberg. Somit wird es auch in der kommenden Spielzeit wieder eine Uraufführung im Musiktheater geben. Regie führt Hendrik Müller.

Das Berliner Musiktheaterkollektiv „Hauen und Stechen“, das für seine performativen Arbeiten bekannt ist, und der Komponist und Musiker Thies Mynther befragen Monteverdis Oper „L’Orfeo“ aus dem Jahr 1607 aus heutiger Sicht: Hier wird mit „M’Orpheo“ eine Musiktheaterperformance entstehen, bei der Konzeptionen von Geschlecht, Genialität und Schönheit auf die Probe gestellt werden. Eine dionysische Expedition zum Ursprung des Musiktheaters.

Zum ersten Mal wird das berührende Erfolgsmusical „The Sound of Music“ in Regensburg zu erleben sein. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die singende Trapp-Familie, die es in der Verfilmung mit Julie Andrews bis nach Hollywood geschafft hat. Die Broadway-Produktion wurde 1960 mit fünf Tony Awards ausgezeichnet. Bernd Mottl, gefragter Regisseur für Oper, Musical und Schauspiel, wird zum ersten Mal am Theater Regensburg arbeiten.

Verdis vorletzte Oper „Otello“ (Regie: Verena Stoiber) lebt von seiner emotional packenden musikdramatischen Stringenz und ist eine verstörende Parabel über Manipulation und die zerstörerische Kraft der Intrige. Mit der Verknüpfung von leidenschaftlichem Operngesang und orchestraler Klangverdichtung setzte Verdi im hohen Alter noch einmal Maßstäbe in der Entwicklung der Gattung.

Im Tanz stellt sich der neue Regensburger Tanzchef Georg Reischl zu Beginn der Spielzeit mit einem kontrastreichen zweiteiligen Abend vor: „Juke Box Heroes“ präsentiert ein Archiv von Arien und Songs und stellt so Stimmen in den Mittelpunkt, die im wahrsten Sinne des Wortes bewegen. Der erste Teil hinterfragt zu Countertenorarien klassische Rollenmodelle von Männern und Frauen, während zu Pop und elektronischer Musik im zweiten Teil Individualität und Gruppendynamik ins Zentrum rücken.

In „Drum Dancing“, dem zweiten Tanzabend von Georg Reischl, wird der Schlagzeuger Vincent Glanzmann schon in der Entstehungsphase im Ballettsaal mit dabei sein. Durch Glanzmanns unverkennbare Klanglichkeit und Energie entsteht eine unmittelbare Wechselwirkung von Musik und Tanz: „Drum Dancing“ zelebriert kraftvolle Körper im Austausch mit starken Rhythmen.

„Tanz.Fabrik!“ ist das beliebte Format für die TänzerInnen des Ensembles. Sie wechseln die Seite vom Tanz zur Choreographie und können ihre eigene Tanzsprache formulieren. Ein wichtiges und bewährtes Format geht in die achte Runde!

Das Junge Theater startet die Spielzeit 2019/20 mit zwei Kinder- und Jugendbuchklassikern. Das Stück „Die Brüder Löwenherz“ (ab elf Jahren) von Astrid Lindgren erzählt die Geschichte zweier Brüder, die ein aufregendes Abenteuer im Land Nangijala erleben, gegen das Unrecht kämpfen und dabei nicht nur über sich hinauswachsen, sondern auch ihre Angst vor dem Tod überwinden. Die Inszenierung wird Harald Fuhrmann übernehmen, der bereits in der letzten Spielzeit mit „Krähe und Bär“ gezeigt hat, wie man brillant anspruchsvolle Themen für ein junges Publikum umsetzt.

Um die Weihnachtszeit wird es wild, denn einige Hexen werden auf der Bühne des Velodroms tanzen! Das berühmte Kinderbuch von Otfried Preußler „Die kleine Hexe“ (ab sechs Jahren), inszeniert von Maria Elena-Hackbarth, lädt die ZuschauerInnen zum Mitfiebern ein: Wird die kleine Hexe es schaffen – mithilfe ihres Raben und Freundes Abraxas – eine gute Hexe zu werden, damit sie am Ende wie die großen Hexen auch auf dem Blocksberg tanzen darf?

Anlässlich des Jubiläums 30-Jahre-Mauerfall, widmet sich das Junge Theater dem großen Thema Wiedervereinigung. Hierfür hat das Theater Regensburg ein Auftragswerk an die junge Autorin Maria Milisavljevic (Preisträgerin des Kleistförderpreis 2013 und Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes 2016) vergeben. In der Uraufführung des Stücks „Das schaffen wir! Oder: Einer hat die Absicht eine Mauer zu bauen.“ (ab 14 Jahren), das die Spartenleiterin Maria Elena Hackbarth inszeniert, wird die Frage nach einer gemeinsamen Geschichte gestellt: Wie wird sie erzählt? Wer darf sie erzählen? Und gibt es sie überhaupt?

„Patricks Trick“ (ab neun Jahren) ist mittlerweile ein Erfolgsgarant auf deutschen Kinder- und Jugendtheaterbühnen. Das Stück für nur zwei Schauspieler von Regisseur und Autor Kristo Šagor erhielt 2014 den Baden-Württembergischen Jugendtheaterpreis und erzählt die Geschichte von Patrick, der sich auf seinen ungeborenen, womöglich behinderten Bruder vorzubereiten versucht. Nicht nur berührend, sondern auch rasant wird erzählt: Während einer der beiden Schauspieler fast immer Patrick ist, schlüpft der andere in viele verschiedene Rollen – von dessen ungeborenem Bruder über den kroatischen Boxer bis hin zur behinderten Gemüseverkäuferin. Sie alle wollen Patrick helfen und liefern Antworten auf Fragen wie: Was, wenn mein Bruder nicht sprechen kann?

Die Spielzeit im Jungen Theater endet mit einer weiteren Uraufführung – einer Geschichte über Freundschaft und die Kraft der Phantasie. Philipp Löhle, einer der meistgespielten deutschsprachigen Dramatiker seiner Generation, wird sein Kinderbuch „Vintulato, mein Hund und die Farbe Blau“ (ab vier Jahren) für die Bühne umschreiben und selbst inszenieren. Gemeinsam mit einem kleinen Jungen, der plötzlich sein Zimmer blau anmalt und nachts auf einen Kran steigt, dürfen sich die Kinder im Publikum fragen: Wer ist eigentlich Vintulato, der das Leben des Jungen auf den Kopf stellt, den aber nur er sehen kann?

Das Junge Theater bringt auch in dieser Spielzeit Kinder und Jugendliche aus Regensburg auf die Bühne und gibt ihnen eine Stimme: Passend zur Jugendbewegung Fridays for Future zeigt der Kinderclub mit „Weil es unsere Zukunft ist!“ (ab acht Jahren) wie für ihn die Welt in 30 Jahren aussieht. Durch Spiele und Improvisationen wird das Stück gemeinsam mit den Kindern entwickelt. Auch der Jugendclub beschäftigt sich im Zeitalter der Digitalisierung mit einem brandaktuellen Thema: Die Stückentwicklung „#nofilter“ geht der Frage nach: Was ist Wahrheit, was ist Fake – und zwar auf der Straße, im Theater und in den sozialen Medien.

In seiner zweiten Spielzeit am Theater Regensburg präsentiert GMD Chin-Chao Lin ein Konzertprogramm, das sowohl Meisterwerke des sinfonischen Repertoires versammelt als auch Bezüge zum Musiktheaterspielplan herstellt. In Anlehnung an die Premiere von Antonio Vivaldis Oper „La fida ninfa (Die treue Nymphe)“ finden sich im 2. Sinfoniekonzert Orchesterwerke des Barock sowie virtuose Arien aus Vivaldi-Opern, gesungen von Countertenor Onur Abaci. Mit sinfonischen Tänzen und spanischer Zarzuela beginnt im 3. Sinfoniekonzert das Jahr 2020, in welches der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens fällt. Dieses Jubiläum ist im Musiktheater Anlass für die Uraufführung „Minona“ und spiegelt sich auch im 4. Sinfoniekonzert wieder, in dem neben dem zweiten Klavierkonzert das fragmentarisch überlieferte „sechste“ Klavierkonzert Ludwig van Beethovens erklingt.

Am 1. Juni 2020 begibt sich das Philharmonische Orchester Regensburg ins Grüne und lädt mit „Gemeinsam sind wir Klassik“ zu einem opulenten Programm unter freiem Himmel: Nicht nur Klassikfans sind eingeladen, einen beschwingten Nachmittag auf der Picknickdecke im Regensburger Ostpark zu verbringen – der Eintritt ist frei. Natürlich wartet die Spielzeit 2019/20 auch mit vielfältigen Sonderveranstaltungen auf. So wird es in der kommenden Spielzeit auch wieder einen Theaterball geben und das Weihnachtsbenefizkonzert kommt nach einer mehrjährigen Pause auf die Bühne im Theater am Bismarckplatz zurück.

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