„Chess“ im Stadttheater
Grandioses Musical – Zug um Zug zum Politik-Drama

17.03.2019 | Stand 13.09.2023, 6:42 Uhr
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Im Stadttheater Regensburg sorgt die Inszenierung des Musicals Chess für eine Überraschung: So unterhaltend kann Weltpolitik sein.

REGENSBURG Acht mal Acht Quadrate, 32 Figuren, zwei Spieler: Sinnbild für eine Welt, die am Abgrund des Atomkriegs steht. Diese Bilder aus der Isländischen Hauptstadt Reykjavik des Jahres 1972 hatten das Schicksal der beiden Blöcke – dem Westen und der USA, dem Osten und der UdSSR – auf zwei Schachspieler projiziert. Bobby Fischer, das durchgeknallte Schachgenie aus den USA, traf auf den russischen Schachweltmeister Boris Spassky. Ost gegen West – wo Atomköpfe aufeinander gerichtet waren, zogen Türme, Springer, Damen und Könige ihre Bahnen auf dem Schachbrettmuster.

Funktioniert das? Ein Musical über einen Sport, den wenige als solchen überhaupt identifizieren? Kann man poppige Musical-Lieder singen über einen Kalten Krieg, der längst beendet scheint? Die Antwort fand am Samstag, 16. März, eine beeindruckend opulente Inszenierung, die das Publikum begeisterte.

Das Musical erzählt die Geschichte von Fischer und Spassky, nennt sie Frederick Trumper und Anatoly Sergievsky. Doch auch die Liebe spielt eine Rolle: Trumpers Geliebte Florence floh 1956 aus Ungarn in den Westen. Das Sowjet-System hatte den Aufstand blutig niedergeschlagen. Doch es folgen im Musical Seitenwechsel, bei den Liebhabern, aber auch den Blöcken.

Kaum bekannt, hat das Musical mehrere Trümpfe parat: Zum einen sind es die beiden berühmten „B“s der Gruppe Abba, die das Musical komponierten. Björn Ulvaeus und Benny Andersson schrieben 1884 die Music, Ulvaeus auch die Texte. Die Melodien sind so eingängig wie die Abba-Hits. Das macht das Musical musikalisch zu einem Genuss.

Dem Theater Regensburg gelingt es in der Inszenierung von Christina Schmidt, trotz des vermeintlich trögen Themas rauschende Bilder auf die Bühne zu zaubern. Nicht zuletzt verdankt das die Inszenierung auch dem grandiosen Einsatz des Tanz-Ensembles. Das Ensemble tritt als Cheerleader-Gruppe auf, unterlegt einen Auftritt der Schach-Kontrahenten in Bangkok als Tempeltänzer. Doch das Tanz-Ensemble symbolisiert auch die Geister, die Trumper quälen – das Genie Fischer wurde bis zu seinem Tod 2008, übrigens in Reykjavik, selbst zum tragischen Fall.

Imposante Bilder, gelungene Kostüme und hervorragende Gesangs-Darbietungen machen die Inszenierung von Chess, 35 Jahre nach seiner Entstehung, zu einem echten Glanzlicht im Spielplan des Theaters Regensburg. Die überzeugendste Leistung bringen Christiana Wimber als Florence und Thomas Christ als Sergievsky dar. Aber auch Ruud van Overdijk singt den genial-verrückten Trumper handwerklich sauber. Insgesamt überzeugen die Sänger auf der Bühne – unterlegt mit den Schachfiguren, die vom Popchor dargestellt werden.

Gekonnt werden Instrumente eingesetzt, die das vermeintlich überholte politische Thema in die Gegenwart holen. Beispielsweise, wenn auf Bildschirmen die Auseinandersetzungen zwischen Trumper und Sergievsky in Form von Tweets kommentiert werden. Einst waren es die Reporter, die den Kampf der Blöcke auf dem Schachbrett in den gedruckten Zeitungen bewerteten. Heute wären es die Sozialen Medien mit ihren digitalen Daumen, die mal nach oben, mal nach unten zeigen.

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