Bündnis „Fair Feiern“
„Unsere Altstadt ist eben bewohnt und keine Partyzone“

27.01.2019 | Stand 01.08.2023, 14:57 Uhr
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Zusammen kann man schon viel erreichen. In diesem Punkt waren sich bei der jüngsten Sitzung des Aktionsbündnisses „Fair Feiern“ alle einig. Am 16. Januar trafen sich Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Rechts- und Regionalreferent Dr. Walter Boeckh und der Leiter des Ordnungsamtes Dr. Patrick Veit mit 25 Vertreterinnen und Vertretern der Anwohner, der Gastronomie, der Polizei, der OTH, des Stadtjugendrings und der Stadtverwaltung zu einer konstruktiven Sitzung.

REGENSBURG „Ich freue mich sehr, dass Sie alle sich jedes Jahr für das Bündnis interessieren. Zusammen haben wir bisher wirklich schon sehr viel geschafft, auch wenn die warmen Sommernächte des vergangenen Jahres für uns alle nicht nur schön waren, sondern für manche auch eine Belastung bedeutet haben. Wir müssen weiter sicherstellen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner nicht zu kurz kommen. Unsere Altstadt ist eben bewohnt und keine Partyzone“, erklärte die Bürgermeisterin. Auch Dr. Walter Boeckh war es ein Anliegen, in seinem ersten Jahr als Rechtsreferent weiter an einem Ausbau des Bündnisses zu arbeiten. „Wir müssen immer weiter dran bleiben an diesem Thema und dürfen auch problematische Bereiche wie das Bahnhofsumfeld nicht ganz ausblenden.“

Der leitende Polizeidirektor der Polizeiinspektion Süd, Gerhard Roider, bestätigte den Eindruck der meisten Anwesenden, dass sich die Situation seit Beginn des Aktionsbündnisses 2010 deutlich gebessert habe. Die hohe Polizeipräsenz und die gute Zusammenarbeit mit den Gastronominnen und Gastronomen haben zu einer Entspannung der Lage geführt. Auch das Projekt „Sichere Altstadt“ der Polizei und weiterer Akteure trage hier zur Stabilität bei. Besonderes Augenmerk werde hier auch auf Drogendelikte gelegt. „Regensburg hat eine ausgeprägte Drogenszene“, bemerkt Roider. Auch die Beschaffungskriminalität spiele eine Rolle.

Die Gesamtzahl der Straftaten im Innenstadtbereich ist im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr gesunken. Hier setzte sich der Trend der Vorjahre also weiter fort. 2018 stoppte diese kontinuierlich positive Entwicklung jedoch mit einem leichten Anstieg der Gesamtzahl der Straftaten in der Innenstadt. Gerade im Bereich der Rauschgiftkriminalität liege das auch an verstärkten Kontrollen der Polizei.

Während 2017 die Gesamtzahl der Körperverletzungen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückging, blieben die Körperverletzungsdelikte 2018 auf einem vergleichbaren Niveau. Nur der Anteil der gefährlichen Körperverletzungen – begangen durch mehrere gemeinsam oder mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Gegenstands – an der Gesamtzahl sei deutlich gestiegen. Außerdem habe sich auch die Verteilung auf die Tage verändert. 2016 sprachen die Bündnismitglieder noch von einem starken Aufkommen von Körperverletzungen an Samstagen, da dies mit Abstand der beliebteste Party-Tag war. 2018 verteilten sich die Körperverletzungen vermehrt auf das ganze Wochenende. Dies wurde vor allem dem warmen Sommer zugeschrieben, der Party-Gänger fast täglich aus dem Haus lockte.

Auch die Sachbeschädigungen seien in der Hitze des Sommers im Innenstadtbereich deutlich angestiegen. „Dies ist auch einzelnen Deliktserien anzulasten. Bei einer Serie ließen sich alleine 18 beschädigte Autos zählen. Jedes Auto bedeutet einen Fall von Sachbeschädigung“, erklärte Roider.

Die Erfahrungen des heißen Sommers bestätigten auch Bewohner und Wirte als problematisch. Altstadt-Bewohner Helmut Knyrim zeigte sich von dem Verhalten der Feiernden extrem gestört. „Ich möchte es im Alter noch einmal erleben, dass ich in Ruhe schlafen kann“, hoffte er. Beschwerden wegen Ruhestörung würden jedoch wenig bringen, er setze eher auf eine Verlängerung der Sperrzeit – also früheren Schankschluss in Kneipen und Bars. Die Wirtinnen und Wirte lehnten dies jedoch ab, denn ein abruptes Ende der Feiern bedeute nur noch mehr Lärm auf den Straßen. Auch Rechtsreferent Dr. Walter Boeckh erklärte, dass die Stadt in Zukunft an der geltenden Sperrzeitenregelung festhalten wolle. „Die Stadt Regensburg hat in der aktuellen Sperrzeitverordnung die in der Bayerischen Gaststättenverordnung als Sperrzeit vorgesehene sogenannte „Putzstunde“, die von fünf bis sechs Uhr morgens reicht, bereits erheblich erweitert“, so Dr. Boeckh.

Die Vertreterinnen und Vertreter der Szene-Gastronomie zeigten sich zufrieden mit den bisherigen Errungenschaften des Aktionsbündnisses. Wie schon in den letzten Jahren ist den Gastronominnen und Gastronomen das Phänomen „Saufen beim Laufen“ ein besonderer Dorn im Auge. Es werde sinnlos mehr konsumiert, wenn Kioske oder Eisdielen Bier zu günstigsten Preisen verkaufen. Das Feiervolk schlage so über die Stränge, die Bars blieben im Sommer leer und die Gäste kämen oft schon im betrunkenen Zustand an den Clubs an. „Wir Wirte halten uns an die Vorgaben des Ordnungsamtes, bekommen jedoch trotzdem Beschwerden von Anwohnern wegen der Leute, die vor den Kneipen mitgebrachten Alkohol trinken“, fasst der Wirt der Wunderbar, Martin Stein, die Situation zusammen. Zudem bemerke man, dass immer häufiger bei Gästen mehr als nur Alkohol ein Grund für einen besonders erratischen Zustand sei, erklärte auch die Wirtin der Filmbühnen, Karin Griesbeck.

Als Strafe für bekannte Straftäter hat sich inzwischen das vom Ordnungsamt eingeführte Betretungsverbot etabliert. Das Betretungsverbot untersagt es bestimmten auffälligen Partygästen fünf Regensburger Party-Meilen zu bestimmten Zeitpunkten zu betreten. „Wer gegen dieses Verbot verstößt, muss mit einem erheblichen Zwangsgeld rechnen“, erläuterte Dr. Patrick Veit. Auch Ordnungsstrafen gegen Ruhestörer gebe es bereits.

Sowohl die Bürgermeisterin als auch der Rechtsreferent betonten, dass eine verstärkte Einbindung der Hochschulen und Schulen in das Projekt geplant sei. Man wolle beispielsweise auch neue Studentinnen und Studenten nicht mit einem erhobenen Zeigefinger begrüßen, sondern ihnen einfach mitgeben, wie der Feierbetrieb in der Stadt für alle am besten läuft. Während sich die OTH bereits im letzten Jahr stark engagierte, wünschte sich das Bündnis von der Universität eine stärkere Beteiligung. „Ein wesentlicher Fokus muss in der Zukunft auf eine Schärfung des Bewusstseins vor allem junger Leute gelegt werden, beim Feiern die Rechte anderer zu respektieren. Dies beginnt mittlerweile schon bei den 14- bis 16-Jährigen an Schulen und setzt sich fort mit Aktionen an den Hochschulen oder etwa – wie vergangenes Jahr – im Rahmen eines Fußballspiels in der Continental-Arena“, sagte Dr. Boeckh.

Besonders in den warmen Sommernächten fühlten sich 2018 die Bewohnerinnen und Bewohner Stadtamhofs gestört. Bewohnerin Susanne Kraus bat bei dem Treffen um stärkere Kontrollen und Schilder mit klaren Verhaltenshinweisen im Uferbereich von Donau und Regen. „Die Zustände des letzten Jahres sind für uns Anwohner nicht zu ertragen“, so Kraus.

Der Rechtsreferent erwähnte daraufhin, dass derzeit ein entsprechendes Konzept für die Uferbereiche von Jahninsel und Gries erarbeitet werde. „Ihre Anregungen sind uns hier sehr wichtig. Regensburg ist eine attraktive Stadt mit einem hohen Bevölkerungsanteil an jungen Menschen unter 30 Jahren. Für diese soll die Innenstadt auch weiterhin für Freizeitaktivitäten, zu denen auch das Feiern gehört, offen stehen. Allerdings nimmt die Stadt die Beschwerden der Innenstadtbewohner sowie etwa von Opfern einer Sachbeschädigung sehr ernst.“, schloss Dr. Boeckh. Die Wirte werden nun in den nächsten Wochen zusammen mit der OTH und der Stadt ein neues Jahresthema für die „Fair Feiern“-Aktionen 2019 erarbeiten.

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