Wunder des Mittelalters
Eine Operation am offenen Herzen der Steinernen Brücke

10.06.2018 | Stand 13.09.2023, 2:56 Uhr
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Die Sanierung der Steinernen brachte Erkenntnisse über das Wunderwerk, die jetzt in einem aufwendig gestalteten Buch zusammen getragen wurden.

REGENSBURG Wer mit Baureferentin Christine Schimpfermann über die Sanierung der Steinernen Brücke spricht, der erlebt die ansonsten rationale Berufsstadträtin emotional. „Das war keine Baustelle wie jede andere“, sagt Schimpfermann begeistert. Die Original-Substanz des mittelalterlichen Wunderwerks wurde so schonend wie möglich saniert. Frühere Bausünden, beispielsweise in die Fugen gespritzter Zement, der die Brücke nicht mehr atmen ließ, wurden korrigiert. „Die Brücke, das wissen viele nicht, bewegt sich um mehrere Zentimeter, je nach Jahreszeit.“ Die Steinerne, sie atmet nicht nur Mittelalter-Luft, sie atmet auch im bauphysikalischen Sinne. Jetzt hat die Stadt Regensburg eine tolle Dokumentation herausgegeben, die dem staunenden Bürger vor Augen führt, was eigentlich geleistet wurde bei der Sanierung der Brücke. Erschienen ist das Buch im Gietl-Verlag.

In der Dokumentation ist natürlich auch ein historischer Abschnitt beinhaltet, der zum Beispiel den „Schwarzen Turm“ zeigt. Der nördliche Brückenkopf war von einer massiven Wehranlage begrenzt. Kein Wunder, hier verlief ja auch eine Landesgrenze. Schön erklärt sind die Bildwerke, die unsere Steinerne Brücke zieren – da gibt es den Brückenlöwen, zwei Streithähne und einen Basilisken, ein furchteinflößendes Ungeheuer. Und natürlich darf auch eine wissenschaftliche Bewertung des Rätsels nicht fehlen, das uns bis heute das Bruckmandl aufgibt.

„Wir haben fast 900 Jahre alten Mörtel gefunden“, schwärmt Baureferentin Schimpfermann dann auch. Architekturgeschichtlich hat die Sanierung der Steinernen so manche Sensation zu Tage gefördert. Denn man konnte auch dokumentieren, wie die Steinerne gebaut wurde – der extrem trockene Sommer des Jahres 1135 wurde ausgenutzt. Doch gleichzeitig entdeckten die Bauarbeiter bei der Sanierung die Balkenlöcher in den Bögen, an denen Holzgerüste aufgehängt waren. Die Baukräne des Mittelalters faszinieren die Wissenschaft.

„Wir sind eben kürzere Bauzeiten gewohnt“

„Das war eine Operation am offenen Herzen“, sagt Schimpfermann heute. Natürlich gab es Diskussionen, denn die Bauzeit hatte sich verzögert, nachdem man beim ersten Abschnitt eine neue Firma beauftragen musste. „Wir sind heutzutage natürlich auch andere Bauzeiten gewohnt“, so die Referentin. Einst war es ganz normal, dass große Bauwerke auch lange Zeit gebaut wurden – und da man für jeden Stein ein Sanierungskonzept anlegte, zogen eben die Jahre ins Land.

Dass es auch Diskussionen um den Belag gegeben hat, das sieht Schimpfermann heute auch gelassen. Das Kopfsteinpflaster, das viele bevorzugt hätten, war aber ohnehin erst aus dem Jahr 1903. Und es hatte einen entscheidenden Nachteil: Je mehr Fugen der Belag hat, umso mehr Wasser kann in die Brücke eindringen. Und man wollte das Monumental-Bauwerk schließlich für die kommenden 1.000 Jahre rüsten.

Eine Sage spricht ja davon, dass der Baumeister der Steinernen einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, der sollte die ersten drei Seelen bekommen. Damals waren das Kaiser, König und Herzog – doch der Baumeister war findig, er schickte Hahn, Henne und Hund über die Brücke. An die Sage glaubt Schimpfermann nicht. Aber dennoch ist sie froh, dass alles so glatt lief.

Wer ein Stück Geschichte fürs Bücherregal möchte, der sollte sich jedenfalls das Buch aus dem Gietl-Verlag sichern. Es lohnt sich allemal!

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