Zum fünften Mal
„Kunst.Preis“ für Menschen mit geistiger Behinderung vergeben

09.05.2018 | Stand 28.07.2023, 19:39 Uhr
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Der „Kunst.Preis“ für Menschen mit geistiger Behinderung in Niederbayern und der Oberpfalz hat sich seinen Platz im Kulturbetrieb gesichert. Bereits zum fünften Mal haben die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V. und der Kunst- und Gewerbeverein Regensburg e. V. den zweijährlich stattfindenden Wettbewerb ausgeschrieben.

REGENSBURG Insgesamt 180 Künstlerinnen und Künstler reichten 530 Arbeiten ein. 80 von ihnen sind mit 104 Werken aus Malerei, Skulptur, Grafik, Plastik, Objekt und Fotografie in der Ausstellung vertreten. Bei der Vernissage wurden Peter Zellner mit dem ersten Preis, Lena Klingshirn mit dem zweiten Preis und Ernst Seufzer mit dem dritten Preis ausgezeichnet.

Das Konzept des „Kunst.Preises“ sieht bei jeder Ausstellung den inklusiven Brückenschlag vor. Die Veranstalter freuen sich sehr, für die Gastausstellung die Ateliersgemeinschaft „Die Schlumper“ aus Hamburg gewonnen zu haben. Zu sehen sind Werke der Kunstschaffenden Miriam Hosner und Michael Gerdsmann. Eva Demski, Grande Dame der Frankfurter Literaturszene, Liebhaberin und Patin des Kunst.Preises, stellt fest: „Diese Kunst lehrt einen anders sehen – unvoreingenommener, neugieriger, mutiger.“

Die Veranstalter können es selbst noch nicht so richtig fassen, dass der „Kunst.Preis“ bereits in die fünfte Runde geht. „Denkt man an die Anfänge in 2010 zurück, hatten wir noch mit ganz anderen Fragen zu tun. Etwa der, ob Menschen mit einer geistigen Behinderung überhaupt nennenswerte Kunst machen können. Diese Frage“, so Dr. Georg Haber, erster Vorsitzender des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg, habe sich inzwischen von selbst beantwortet. „Der Kunst.Preis hat schon viele Barrieren beseitigt, überzeugt künstlerisch und leistet so einen wichtigen Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft. Nicht zuletzt gab dieser Wettbewerb einen wichtigen Anstoß, Ausstellungen mit Hilfe eines Aufzugs in unserem historischen Kunst- und Gewerbehaus für alle zugänglich zu machen und einen barrierefreien Zugang zu schaffen.“ Mehr Barrierefreiheit bietet auch der Ausstellungskatalog. Erklärende Worte von Dr. Georg Haber und Michael Eibl sind in Leichter Sprache verfasst.

Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge und Mitglied der Jury, ist zutiefst beeindruckt, welche enorme Entwicklung in den künstlerischen Arbeiten festzustellen ist. Der Wiedererkennungseffekt bei den Kunstschaffenden, die sich schon mehrmals beworben hätten, sei bemerkenswert. „Sehr erfreulich ist auch die konstant hohe Beteiligung. Jedes Mal gelingt es, neue Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen, die uns mit ihrem Können und ihrer Kreativität verblüffen. Ein herzliches Danke an alle für ihre Teilnahme an diesem Wettbewerb!“ Zugleich bedauerte Michael Eibl, auch im Namen der Jury, dass nicht alle Werke berücksichtigt werden konnten. Das Auswahlverfahren richte sich nicht nur nach dem künstlerischen Können, sondern sei auch dem Umstand geschuldet, dass die Ausstellungsräume im Kunst- und Gewerbehaus nur eine bestimmte Anzahl an Exponaten fassen würden.

Eine Biennale der besonderen Art

Eine der glühendsten Bewunderinnen des „Kunst.Preises“ dürfte die Patin und renommierte Schriftstellerin Eva Demski sein. Unermüdlich wirbt sie dafür, sich den Werken offen – losgelöst von sämtlichen Bewertungskriterien sogenannter Professioneller wie Galeristen, Kritikern, Kuratoren – zu nähern: „Wie kriegt man seine Unbefangenheit und die reine Freude an der Entdeckung zurück, wie die spontane, nahe Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter? Hier, in Regensburg, ist das alle zwei Jahre ganz leicht und ganz frei. Und wer sich von Beginn an auf diese Biennale der besonderen Art eingelassen hat, könnte jetzt schon über eine ansehnliche kleine Sammlung verfügen.“

Ausgezeichnet! Die Preisträger des „Kunst.Preises“ 2018

Peter Zellner aus Eggenfelden, 1. Preisträger, rechnet, schreibt und zeichnet. Schrift, Zahlen und sparsame Bildbezeichnungen verwendet er, um raffinierte Kompositionen aufzubauen. Darüber liegt, wie eine zweite Schicht, die Bedeutung des Textes. Dieser ist auf seine vielen Interessen und die Menschen in seiner Umgebung bezogen.

Lena Klingshirn aus Abensberg-Offenstetten, 2. Preisträgerin, entwickelt klare und einfache Formen, die durch die gewählte Farbgebung betont werden. Ihre Werke – Zeichnungen, Aquarelle und neuerdings Arbeiten mit Klebebändern (Mischtechnik) – überraschen durch Leichtigkeit und Humor. Ausstellungen sind ihr wichtig: „Andere Leute sollen die Bilder sehen.“

Ernst Seufzer aus Abensberg-Arnhofen, 3. Preisträger, verwendet unterschiedliche Techniken wie Zeichnung, Aquarell und Acryl. Manchmal stellt er großformatige Bilder zusammen. Er möchte zeigen, was es in seiner Heimatstadt alles gibt. Dies gelingt ihm durch genaue Beobachtung, die in vielen kleinen Details in seinen Bildern zum Ausdruck kommt.

Bei der Vernissage überreichten Eva Demski, Patin des Kunst.Preises, Günther Lange, Regionalstellenleiter des Zentrums Bayern Familie und Soziales Oberpfalz, und Max Harreiner, Vorsitzender der Stiftung „Für junge Menschen.“, die drei Preise in Höhe von 1.000 Euro, 500 Euro und 300 Euro – zur Verfügung gestellt von „Für junge Menschen. Stiftung kirchliche Kinder- und Jugendhilfe“.

Zu Gast: Michael Gerdsmann und Miriam Hosner

Die Gastausstellung innerhalb des Kunst.Preises kommt dieses Mal aus Hamburg. Die Schlumper, eine Ateliergemeinschaft, wurde 1980 von dem Künstler Rolf Laute (1940 - 2013) gegründet. Heute sind die Künstler*innen mit unterschiedlichen Behinderungen und künstlerisch individuellen Positionen weit über Hamburg hinaus bekannt, berichtet Anna Pongs-Laute, künstlerische Leiterin: „Grundprinzip ist die selbstbestimmte und freie künstlerische Tätigkeit.“ Welche Ergebnisse das zeitigt, beweisen die beiden Kunstschaffenden Miriam Hosner und Michael Gerdsmann eindrucksvoll mit ihren Werken in Regensburg. Ein für Gerdsmann charakteristisches Thema sind Bahnhöfe und U-Bahnen, die ihren Ausdruck in Zeichnungen und Aquarellen finden. In Regensburg ist der Künstler mit dreidimensionalen Textilarbeiten zu sehen. Mit der klassischen Handarbeitstechnik Häkeln entstanden in den letzten Jahren Objekte, die sich auf der „Blumenwiese“ vereinen. Miriam Hosner entschied sich mit dem Ende ihrer Schulzeit, Künstlerin zu werden. Die Malerin arbeitet inhaltlich und technisch seriell. Themen und Techniken werden in umfangreichen Werkzyklen bearbeitet, die sich über mehrere Monate und etliche Bilder erstrecken.

Für die Veranstalter ist diese zusätzliche Gastausstellung jedes Mal Ermutigung und Ansporn für den eigenen Kunstwettbewerb: „Die Werke von Miriam Hosner und Michael Gerdsmann sind beeindruckend. Hier zeigt sich auch, dass es sich lohnt, Menschen mit Behinderungen über viele Jahre so ein Forum zu bieten, wie das ‚Die Schlumper‘ seit vielen Jahren in Hamburg ermöglichen“, so Michael Eibl.

Einen ganz besonderen und großen Dank richteten Michael Eibl und Dr. Georg Haber an die Jury mit Alfred Böschl, Künstler und Mitglied des Kunst- und Gewerbevereins, Dr. Rudolf Ebneth, Vorstandsmitglied des Kunst und Gewerbevereins, Renate Höning, Künstlerin und Heilpädagogin, Edmund Klingshirn, ehemaliger Behindertenbeauftragter des Landkreises Kelheim, Wilma Rapf-Karikari, Galeristin und Geschäftsführerin des KartenhausKollektivs, sowie Martin van Bracht, Künstler und Kunsttherapeut: „Dass der ,Kunst.Preis‘ heute so angesehen und künstlerisch hoch geschätzt wird, ist wesentlich auch der Jury zu verdanken, die ihre Arbeit genau und sorgfältig – viele Aspekte und Kriterien abwägend – vornimmt. Der Zeitaufwand für das Jurieren von nahezu zwei Tagen inklusive mehrerer Treffen für Vor- und Nachbereitung sowie die treue und zuverlässige Begleitung von Beginn an kann nicht genug gewürdigt werden. Wir danken Ihnen sehr!“

Regensburg