Sammlungen werden immer schwieriger
Kriegsgräberfürsorge: Tausende Schicksale noch ungeklärt

27.11.2019 | Stand 02.08.2023, 23:00 Uhr
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„Das ist doch so lange her“, bekommen die Spendensammler der KSK oft zu hören ...

LANDKREIS. „Grüß Gott, ich komme von der Krieger- und Soldatenkameradschaft und bitte um eine Spende für die Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ – in den vergangenen Wochen wurden diese Bitte und Spendendosen an zahlreiche Haustüren im Landkreis herangetragen. Die Bereitschaft, einen Obolus zur Verfügung zu stellen, zeigt dabei eine ähnliche Tendenz wie die Zahl derer, die sich für diese Spendenaktion auf den Weg machen: Sie nimmt ab. Das muss auch Günther Wagner bestätigen. Der Vorstand der KSK Töging war in der Innstadt wie schon seit Jahren auch heuer selber unterwegs und zieht für seinen Ortsverband Bilanz: „Bei uns in Töging ist die Spendenbereitschaft bei den Haussammlungen noch vergleichsweise gut. Unser diesjähriges Erlebnis fällt mit 4942 Euro dennoch um 193 Euro geringer aus als im Vorjahr.“

Noch deutlicher tritt die Negativ-Tendenz im Zehn-Jahres-Vergleich für den ganzen Landkreis Altötting zutage: Brachten die Sammlungen 2009 noch 37.997 Euro in die Kasse des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V. waren es im vergangenen Jahr nur noch 30.962 Euro.

Vielerorts wird die Kriegsgräbersammlung seit Jahren von den Ortsverbänden der KSK übernommen – so wie in Töging. Aber auch die Zahl der Haussammlungen ist rückläufig: „Viele Ortsverbände führen nur noch sogenannte Straßensammlungen zu Allerheiligen oder zum Volkstrauertag auf den Friedhöfen durch, in manchen Landkreisgemeinden wird gar nicht mehr gesammelt und nur die Kommune unterstützt die Kriegsgräberfürsorge“, berichtet der Töginger. Auch in seinem KSK-Ortsverband ist die Entwicklung bedenklich: „1990/91 waren bei uns noch zwanzig Sammler unterwegs, heuer waren es noch sechs ...“

Der Krieg ist lange her und die KSK-Vereine schrumpfen

Die massiven Nachwuchssorgen, die die KSK-Ortsverbände plagen, sind ein Grund für diese Entwicklung: „Unser Verein überaltert. Unsere letzten drei Kriegsteilnehmer sind schon über 90 Jahre alt. Mit der Aufhebung der Wehrpflicht konnten wir kaum noch junge Leute für uns gewinnen. Selbst, als wir unsere Satzung dahingehend geändert haben, dass auch Nichtgediente aufgenommen werden, haben wir nur zwei neue Mitglieder verzeichnen können“, so Günther Wagner. Mit einem anderen Grund für die geringer werdende Spendenbereitschaft für die Kriegsgräberfürsorge wird der Töginger bei seinen Sammeltouren immer häufiger konfrontiert: „Früher waren viele Leute noch persönlich betroffen: Sie waren im Ungewissen über das Schicksal ihrer Väter, Brüder oder Ehemänner. Da hat man öfter persönliche Geschichten erfahren und es flossen auch Tränen, bevor die Leute eine kleine Spende leisteten. Heute hört man immer öfter, dass das alles ja schon so lange her sei. Die jungen Leute haben oft keinen Bezug mehr“, erzählt der Töginger KSK-Vorsitzende.

Motivation für sein Engagement schöpft er aus seiner eigenen Familiengeschichte: „Zwei Brüder meines Großvaters sind im Krieg gefallen. Außerdem ist es bei der KSK unsere Pflicht, das Gedenken an die Toten hochzuhalten“, sagt er und macht sich schon Gedanken, wie es künftig mit den vielfältigen Aufgaben des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. wohl weitergehen mag.

Deren Aufgabengebiet erstreckt sich schließlich nicht nur auf den Erhalt von Gedenkstätten für Gefallene, die in über vierzig Ländern weltweit betreut werden. Noch immer gehen Suchanfragen nach Vermissten ein oder werden Umbettungen organisiert. Die Kriegsgräberfürsorge stellt insbesondere die Friedensarbeit in den Mittelpunkt und veranstaltet für junge Menschen aller kriegsbeteiligten Länder Reisen, Camps und Treffen, um anschaulich zu machen, welch großes Leid Kriege den Menschen bringen, und um zur Völkerverständigung und Aussöhnung beizutragen.

Diese Aufgabe ist mit der Öffnung des Ostens noch einmal enorm gewachsen: Rund drei Millionen vermisste Soldaten - und damit mehr als doppelt so viel wie im Westen - werden laut Angaben des Volksbundes in den osteuropäischen Staaten vermutet. Günther Wagner bezweifelt, dass die KSK auf lange Sicht ausreichend Unterstützung für den Volksbund leisten kann: „Es ist nun einmal so, dass unsere Mitglieder wegsterben ...“

Ob allerdings über 70 Jahre Leben in Frieden ausreichen, um nicht mehr des Schicksals von Millionen Menschen in zwei Weltkriegen zu gedenken? Wer einmal an einer Gedenkstätte über die nicht enden wollenden Reihen weißer Kreuze geschaut hat, der ahnt, dass das nicht reicht.

Günther Wagner hat schon erlebt, wie mithilfe des Volksbundes die Angehörigen eines Vermissten informiert wurden, dass der Gefallene identifiziert und umgebettet wurde. Nach all´ der Zeit wenigstens zu erfahren, wo er begraben liegt ist ein unschätzbares Geschenk. Dafür wird er sich auch im nächsten Jahr wieder für die Kriegsgräbersammlung zur Verfügung stellen.

Altötting