Eine Zeitzeugin
Altöttingerin steuert Puzzleteil zur Suche nach Bernstein-Zimmer bei

22.01.2019 | Stand 01.08.2023, 10:56 Uhr
−Foto: n/a

An Elisabeth Bergmanns Kindheitserinnerungen hätte sogar Indiana Jones Interesse gefunden ...

ALTÖTTING. Das verschwundene Bernsteinzimmer übt auch nach Jahrzehnten auf viele Menschen eine große Faszination aus. Ob es wohl irgendwo verborgen auf seine Wiederentdeckung wartet oder ob es schon längst in den Besitz schwerreicher Kunstsammler geraten ist? Man kann nur spekulieren, wie trotz aufwändiger Recherchen auch die Autoren des Buches „Die Welt muss es wissen“. Anhaltspunkte, dass die begehrte Kostbarkeit zumindest zeitweilig auf dem Wallensteinschloss in Nordböhmen gelagert war, basieren auch auf den Erinnerungen zweier Zeitzeugen. Eine von ihnen ist Elisabeth Bergmann, Jahrgang 1931. Sie verbrachte in Friedland bis zur Vertreibung nach Kriegsende ihre Kindheit. Akribisch hat die ehemalige Volksschullehrerin mittlerweile ihre Erinnerungen und ihre Familiengeschichte notiert.

Schmunzelnd berichtet sie, wie eine Episode aus dem Herbst 1944 Aufnahme in die Bernsteinzimmer-Recherche von Erich Stenz und Georg Mederer fand. „Los ging es mit einer Radiomeldung, der zufolge das Bernsteinzimmer gefunden sei. Das ließ mich aufhorchen, erst recht, als es hieß, dass zwei Oberpfälzer überzeugt sind, dass es auf einem böhmischen Schloss gelagert sei - in meiner Geburtsstadt Friedland“, erzählt die 87-Jährige. Sie erinnerte sich an ihre Schulzeit und daran, was sie als Teenager erlebt hatte: „Ich habe die Hitler-Jahre als recht stressig für uns Kinder in Erinnerung, denn wir waren eigentlich permanent im Einsatz: Wir haben Tee gesammelt und Socken gestopft für die Soldaten, Ferien- und Feldarbeit geleistet, Matratzen befüllt und fürs Winterhilfswerk gesammelt. Hauptaufgabe für uns Schüler war die Altmaterialsammlung“, berichtet Liese Bergmann.

Als Schülerin bei Transport von Kunstschätzen dabei

Ein Einsatz, zu dem der Direktor der Oberschule im Herbst 1944 an die hundert Kinder der 7. und 8. Klassen beordert hatte, ist ihr als besonderes Erlebnis im Gedächtnis geblieben: „Wir wurden zum Schloss bestellt, wo wir eine Transportkette bilden mussten, um viele Kisten voller Kunstschätze aus dem Berliner Schloss von Militär-LKWs ins Alte Schloss zur Einlagerung zu bringen. In den Pausen durften wir durch das ganze Schloss geistern, das war wunderbar ...“, so die Altöttingerin. Aus heutiger Sicht meint sie, dass mit dieser Einlagerungsaktion getestet werden sollte, ob das Friedländer Schloss als Versteck für bedeutsamere Dinge geeignet war: „Das Bernsteinzimmer war in diesen Kisten sicher nicht verpackt, dafür waren sie viel zu klein ...“

Trotzdem hätte die Rentnerin den beiden Buchautoren ihre Geschichte gern erzählt und bat ihren Großneffen, diese im Internet ausfindig zu machen: „Wenig später meldete sich der BR und vermittelte den Kontakt zu den Oberpfälzern.“

Ihre Erwartungen musste Liese Bergmann erst einmal revidieren: „Statt wie angenommen mit zwei verwegenen jungen Typen bekam ich es mit zwei seriösen Herren im fortgeschrittenen Alter zu tun“, lacht sie. Unerwartet war für Liese Bergmann auch das spontane Angebot, die beiden Autoren im April 2016 nach Friedland zu begleiten: „Es sollte keinen Friedländer geben, der so ein Angebot ausschlägt“, betont die gebürtige Friedländerin. Die Reise zum Ort ihrer Kindheit barg für Liese Bergmann von allem etwas: Eindrucksvolle Begegnungen wie mit dem Friedländer Bürgermeister oder die Freude darüber, dass der Wald wieder gesund und kräftig um Friedland gedeiht. Aber auch Enttäuschung, dass der Blick in die alten Gewölbe verwehrt wurde. Noch heute teilt sie die Ansicht der beiden Buchautoren, die sich von den tschechischen Behörden in ihren Nachforschungen behindert und belogen fühlen.

Auch wenn die Fahrt nach Friedland nicht mit dem Fund des Bernsteinzimmers belohnt wurde, war das Interesse der Medien geweckt und Liese Bergmann erhielt Besuch von zahlreichen Fernsehteams: „Das waren ganze Heerscharen, die da angerückt sind. Am nettesten waren die Japaner ...“, so die ehemalige Lehrerin.

Was den Verbleib des Bernsteinzimmers anbelangt, so scheint für die Rentnerin die These der Buchautoren am wahrscheinlichsten: Die Nachbildung des Bernsteinzimmers, die 2003 der Welt in St. Petersburg präsentiert wurde, könnte demnach in Wahrheit das Original sein: „Ich hege meine Zweifel, ob die für einen Neuaufbau benötigten Unmengen an Bernstein aufgebracht bzw. die herausragenden handwerklichen Leistungen erbracht werden könnten.“

Die vermeintliche Nachbildung hat sich Liese Bergmann in St. Petersburg angeschaut - und war enttäuscht: „Nach dem Glanz und Pomp der goldenen Säle wirkte das Bernsteinzimmer auf mich eher matt und tot.“ Trotzdem ist sie überzeugt: „Sollte sich irgendwann herausstellen, dass das neue eigentlich das alte Bernsteinzimmer ist, dann hätte der alte Mythos neue Nahrung gefunden...“

„Die Welt muss es wissen“ ist im Bogner Verlag erschienen, ISBN-10: 3947035187

Altötting