NS-Verbrechen
„Hört ihm halt zu!“ – Eine Gedenktafel erinnert an Nazi-Opfer Michael Lottner

22.04.2019 | Stand 13.09.2023, 0:38 Uhr
−Foto: n/a

Die Industrie- und Handelskammer gedenkt einem Helden der Stadt Regensburg. Am 23. April 1945 ermordeten Nazis den pensionierten Polizisten Michael Lottner (+46). Sein einziges Verbrechen: Der Satz „Hört ihm halt zu, was er zu sagen hat“.

REGENSBURG Als sich Frauen und Kinder am 23. April 1945 versammelten, um für eine friedliche Übergabe der Stadt an die heranrückende US-Armee zu plädieren, sollte Domprediger Johann Maier sprechen. Doch das wollten die Nazis verhindern. Lottner plädierte dafür, dem Domprediger zuzuhören. Zusammen mit Josef Zirkl, einem Lagerarbeiter, wurde auch Maier hingerichtet. Lottner aber wurde in die damalige NSDAP-Kreisleitung verschleppt, die in der „arisierten“ (also enteigneten) Schwarzhaupt-Villa untergebracht war. Die Villa existiert heute nicht mehr. Als die Villa für den Neubau des Gebäudes der Industrie- und Handelskammer D.-Martin-Luther-Straße 12 teilweise abgerissen und in die neue IHK integriert wurde, verschwand auch die Gedenktafel. Heute erinnern nur die Stele am Dachauplatz an Lottner sowie der auf Privatinitiative verlegte Stolperstein vor seinem Wohnhaus in der Regensburger Glockengasse 8.

Die IHK stellt sich mit einer Tafel also der Geschichte, die doch nicht ihre eigene ist. Am kommenden Dienstag, 23. April, 74 Jahre nach dem Mord an Lottner, wird die Gedenktafel enthüllt. Bereits in den 50er Jahren gab es an dieser Stelle eine Gedenktafel. Doch damals war der Vorname Lottners falsch, auf der Tafel stand Hans statt Michael. Die Tafel ist heute verschwunden. Jetzt soll eine neue Tafel an Lottners Tod erinnern.

Bereits wenige Jahre nach dem Krieg erregte der sogenannte Lottner-Prozess in der Öffentlichkeit Regensburgs großes Aufsehen. Am 3. Juli 1948 kam es nach zweiwöchiger Verhandlung vor dem Landgericht zu einem Urteil: Hans Hoffmann, der aus München stammende Kreisamtsleiter der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt), wurde wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ein weiterer Angeklagter wurde freigesprochen, ein der Tat für schuldig befundener HJ Bannführer konnte nicht mehr belangt werden.

Das Gericht rekapitulierte die Vorgänge so, dass es gegen 18 Uhr an jenem 23. April 1945 zu einer großen Ansammlung von Menschen am damaligen Moltkeplatz kam. Eine „Gruppe von Volkssturmmännern aus Coburg, die im Gebäude der NSV neben der Kreisleitung einquartiert waren, [gingen] gegen die Demonstranten in rücksichtsloser Weise vor. Sie nahmen wahllos Männer, Frauen, Kinder und Verwundete fest und zerrten und stießen sie in die Kreisleitung.“ In diesem Tumult wurde ein Volkssturmmann mit einem Messer verletzt. Zwar ist die Äußerung Lottners zuvor nicht in dem Urteil erwähnt, doch überliefert ist der Satz: „Hört ihm halt zu, was er zu sagen hat“ im Hinblick auf Domprediger Maier. Sie könnte Anlass dafür gewesen sein, dass Lottner ergriffen, in die Kreisleitung verschleppt und dort getötet wurde. Tödliche Schüsse, zu der Überzeugung kam das Landgericht 1948, wurden von Hofmann abgefeuert. Doch Hofmann musste nicht die volle Strafe absitzen: Bereits 1954 erließ eine Kammer des Landgerichtes, dass er nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe auf Bewährung entlassen wurde.

Gedenktafel für den am 23. April 1945 erschossenen Lottner – der Vorname Lottners war allerdings Michael. −Foto: Archiv der Stadt Regensburg

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