Kommentar
Schwule und Lesben nicht „von Gott gewollt“ – Ihr Ernst, Herr Kardinal?

18.02.2019 | Stand 13.09.2023, 0:42 Uhr
−Foto: Foto: Zvonimir Atletic /123rf.com

Kardinal Gerhard Ludwig Müller bezweifelt, dass Homosexuelle von Gott gewollt sind. Eine Erwiderung, die bitte nötig scheint. Denn wie lässt sich erklären, dass tausende schwuler Männer in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben kamen, wenn doch alles nur eine Frage der Entscheidung sein soll?

ROM Jetzt also die Homosexuellen: Kardinal Müller hat sich eine Minderheit ausgesucht, die in seiner eigenen Institution keine geringe Rolle spielt. Schlimmer: Weil viele homosexuelle Kleriker etwas zu verbergen haben, sind sie oft die konservativsten Priester, sagen Aussteiger wie der Theologe David Berger. Müller stellt in Frage, dass Homosexualität gottgewollt ist. Mag sein, dass sein Gott keine Abweichung von der Norm zulässt. Doch welcher Gott ist das?

Es gibt kein einziges Jesus-Wort zu dem Thema. Die Kirche beruft sich in ihrer Ablehnung homosexueller Liebe auf Stellen im Alten Testament, in denen auch das Essen von Schalentieren als Gräuel bezeichnet wird. Im Neuen Testament ist es der Apostel Paulus, der Homosexualität verurteilt. Wer selbst einmal mit einem schwulen Priester gesprochen hat und ihn danach fragte, der bekommt diese Antwort: Paulus lehnt nicht Homosexualität ab. Sondern vielmehr, dass jemand wider seiner Natur handelt, ein Heterosexueller also mit einem Mann schläft. Schwule Priester verweisen gerne auf die Bibelstelle, in der es heißt, dass der spätere König David seinen Freund Jonathan mehr liebte als die Frauen. Solche Bibelstellen aber ignoriert Müller oder erklärt sie einfach weg.

Dass Homosexualität ganz natürlich vorkommt, liegt doch auf der Hand: Seit Jahrhunderten werden Homosexuelle verfolgt und eingesperrt. 15.000 homosexuelle Männer – Lesben gab es in der Vorstellung der Nazis nicht – wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Glaubt Müller, das sei freiwillig geschehen, weil die Männer damals einem „Lifestyle“ folgten? Wie absurd!

Die jüngsten Zahlen über die Kirchenaustritte belegen, dass die Kirche zunehmend an Boden verliert. Kein Wunder: Jeder kennt doch jemanden, dessen Ehe gescheitert ist und der wieder sein Glück gefunden hat. Und in den besten Familien gibt es homosexuelle Kinder, deren Eltern spüren: Egal, ob der Sohn oder die Tochter gottgewollt ist – geliebt sind sie allemal. Müller scheint von der aber wenig zu wissen. Doch darum geht es im Leben: um die Liebe.

Regensburg