320 Millionen Euro Kirchensteuer
Der Bischof von Regensburg ist ein armer Milliardär

13.12.2018 | Stand 13.09.2023, 0:26 Uhr
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Nicht erst seit dem Skandal um Bischof Tebartz-van Elst oder verspekuliertes Vermögen wie im Bistum Eichstätt sind die Kirchenfinanzen in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Das Bistum Regensburg veröffentlicht seit 1974 schnöde Bilanzberichte – seit kurzem aber präsentiert man sie professionell auf einer Website. Am Donnerstag stellten wichtige Vertreter des Bistums die Zahlen vor. Fazit: Die Kirche von Regensburg ist sehr reich, geht aber auch viele Verpflichtungen ein, die der Staat nicht leisten kann – oder will.

REGENBSURG Wer glaubt, ein Bischof sei ein reicher Mann, nur weil seine Diözese reich ist, der hat die Rechnung ohne die deutsche Gründlichkeit gemacht. „Der Bischof braucht, etwa wenn er wie jetzt ein neues Krippenmuseum einrichten möchte, die Zustimmung des Diözesan-Steuerausschusses“, sagt Bistums-Sprecher Clemens Neck. Am Donnerstag stellte Generallvikar Michael Fuchs mit den jeweils Verantwortlichen die Bilanz des Bistums vor. „Zahlen und Gesichter“ ist die Überschrift, dahinter steht nicht nur eine aufwendige Website, auf der nun jeder sehen kann, wie viel Geld die Diözese hat. „Uns ist wichtig, dass man sieht: Hinter jeder Zahl steht ein Mensch“, so der Sprecher.

Dabei ist das Thema Kirchenfinanzen immer wieder im Fokus der öffentlichen Debatte. Nicht erst seit dem Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst steht der Verdacht im Raum, ein Bischof könne schalten und walten, wie er wollte. Doch das ist nicht so. Auch in Limburg war das nicht so. Richtig aber ist: Immobilien, Vermögen und Kunst sind oft in Stiftungen eingelegt, die jahrhundertealt und dementsprechend anachronistisch wirken. In Limburg lag der Hund genau dort begraben: Der zwischenzeitlich in Regensburg und Rom lebende Tebartz-van Elst hatte für seine neue Bischofsresidenz Stiftungen aufgelöst – an der eigenen Finanzaufsicht vorbei.

In Regensburg kann man sagen: Arm ist das Bistum sicherlich nicht. Es ist aber auch reich an Verpflichtungen. Ein Beispiel: Die Schulstiftung, die noch Bischof Rudolfs Vorgänger Gerhard Ludwig Müller einrichtete, hat zwar ein Eigenkapital von 191 Millionen Euro. Erträge stehen 47 Millionen Euro im Buch. Aber klar: Die kirchlichen Schulen machen Defizite. Und zwar letztes Jahr mehr als sechs Millionen Euro. „14 kirchliche Schulen sind bislang in der Schulstiftung“, sagt der zuständige Domdekan Johann Neumüller. Doch insgesamt gibt es 61 katholische Schulen im Bistum. Gerade sind es fast 20 Schulen, die zur Sicherung der eigenen Existenz in die Stiftung drängen. Hamburg ist mahnendes Zeichen: Hier stehen Schulen vor dem Aus, weil sich das Mitglieder arme Bistum Hamburg diese nicht mehr leisten kann.

„Die Missbrauchsfälle und der falsche Umgang mit Geld lassen viele Menschen fragen, ob sie der Kirche noch trauen können, ob sie Gutes tut und dafür die gegebenen Mittel angemessen einsetzt“, sagt der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs. Schwindende Mitgliederzahlen indes sind auch nicht wirklich das Problem des Bistums. Die Austrittsquote lag, wie im Bistum Passau, in den letzten zehn Jahren niedrig wie sonst kaum in Deutschland: 0,45 Prozent der 1,2 Millionen Katholiken im Bistum Regensburg verließen die Kirche. In Passau waren es sogar nur 0,43 Prozent. Zum Vergleich: im Bistum München-Freising verließ fast ein Prozent der Gläubigen den Schoß der Kirche und trat aus. Die Einnahmen sprudeln dank der Wirtschaftslage.

Arm, das kann jeder aus den Bilanzen der insgesamt zehn Körperschaften auf Bistums-Ebene ablesen, ist die Kirche von Regensburg nicht. Allein die Diözese Regensburg als Körperschaft hat ein Eigenkapital von knapp 900 Millionen Euro. Den Aufwendungen, etwa fürs Personal, stehen Erträge von 387 Millionen Euro gegenüber. Das Nettovermögen beläuft sich auf knapp 155 Millionen Euro. Auch der Bischöfliche Stuhl ist durchaus vermögend: Er hat ein Nettovermögen von ebenfalls 120 Millionen Euro. Auf dem Papier ist der Bischof von Regensburg, natürlich nur auf Zeit, quasi Milliardär. Fasst man all die Werte zusammen, die nur die unterschiedlichen Träger der Diözese aufweisen, kommt man auf etwa 1,3 Milliarden Euro. Enthalten sind beispielsweise Nettovermögen der Jugendfürsorge mit mehr als 150 Immobilien – doch man hat nicht nur 4.000 Mitarbeiter, sondern auch zahllose Kinderzentren, man baut Wohnungen für Behinderte und bildete letztes Jahr 1.500 junge Menschen aus, die sonst keine Chance hätten. „Teilweise finanzieren hier drei staatliche Stellen gegen – wir wollen vermeiden, dass die Betroffenen sich damit auseinander setzen müssen“, sagt Michael Eibl, Chef der Jugendhilfe.

„83 Prozent der Erträge von 380 Millionen Euro kommen über die Kirchensteuer“, sagt Alois Sattler, der Finanzchef des Bistums. 321 Millionen Euro davon kommen über die Kirchensteuer in die Schatulle des Bistums. „Sie ist die größte Einnahmequelle“, so Sattler. Das Bistum erzielte 2017 einen Überschuss von 84 Millionen Euro. Ob der Bischof von Regensburg also ein armer Milliardär ist? „Kann man so sagen“, antwortet Sattler lachend auf diese Frage.

Doch der Bischof kann nicht einfach über Geld verfügen: Er muss den Diözesan-Steuerausschuss konsultieren. „Der Ausschuss hat 16 Mitglieder, acht davon sind gewählte Laien“, so Neck. Hier ist die wirkliche Verfügungsgewalt über das Vermögen der Kirche von Regensburg. „Wenn der Bischof etwas will, das Geld kostet, muss er eine Vorlage schreiben für den Ausschuss, der dann darüber berät.“ Auch die kirchlichen Stiftungen und Körperschaften leiden indes unter den niedrigen Zinsen. Das Domkapitel etwa, auch eine ganz eigenständige Einheit, hat Erträge von 3,1 Millionen Euro. „Es ist das einzige Domkapitel in Deutschland, das die Säkularisation überstanden hat“, sagt der frisch gekürte Domprobst Franz Frühmorgen. Es hat 1.200 Jahre überstanden – auch finanziell.

Problematisch ist die Bewertung von historischen Gebäuden. Was ist ein Dom wie der Passauer eigentlich wert? In Regensburg stellt sich die Frage in den kommenden Jahren vielleicht ganz konkret. Denn er ist der einzige der insgesamt sieben Kathedrale in Bayern, die dem Freistaat, nicht dem Bistum gehört. Immer wieder gab es Überlegungen, den Dom zurückzukaufen, er geriet, wie viele kirchliche Güter und Gebäude, durch die Säkularisation nach dem Ende des Reiches in den Besitz des Staates. „Der Freistaat hat mir noch kein Angebot unterbreitet“, sagte Generalvikar Fuchs abschließend.

KOMMENTAR

Weniger Kirche heißt mehr Staat

Das Problem der Kirchen heutzutage ist klar: Während Jesus Armut predigte, wirken goldene Bischofskreuze und prunkvolle Altäre wie ein Hohn. Wenn dann noch, wie offenbar im Bistum Eichstätt geschehen, der Eindruck erweckt wird, man agiere auf Finanzmärkten wie die Heuschrecken, dann stehen die Bischöfe vor einem riesigen Glaubwürdigkeitsproblem. Zudem kämpft die Kirche damit, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt mit einer staatlich eingetriebenen Kirchensteuer ist. Viele Menschen finden es anachronistisch, das komplexe historische Verträge heute noch Gültigkeit haben sollen, 200 Jahre nach der Säkularisation. Warum zahlen wir Kirchensteuern? Und weshalb gibt die Kirche ihr Geld nicht den Armen? Ja wie ernst ist es uns mit der Trennung von Staat und Kirche? Antworten geben die jetzt veröffentlichten Zahlen des Bistums Regensburg auf diese Fragen nur bedingt. Fakt ist aber: Dort, wo der Staat die Schuldnerberatung, die Sorge um aus ihren Familien geholte Kinder und Jugendliche und letztlich auch um Kindergartenkinder und Schüler den Kirchen überlässt, dort hat sich der Staat auch freiwillig aus der Verantwortung genommen. Das funkelnde Bischofskreuz darf uns nicht blenden: Wer weniger Kirche in der Gesellschaft will, der fordert mehr Staat. Und auch den muss man sich als Steuerzahler erst leisten können.

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