Kirche
Was von unserem Papst Benedikt bleiben wird

09.12.2018 | Stand 13.09.2023, 0:27 Uhr
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Vor zehn Jahren gründete der spätere Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller das Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg. Die unfassbare Menge an Schriften, die er in mehr als 60 Jahren verfasste, sollen editiert werden. Das Institut bezeugt: Da war ein Mann des Wortes auf dem Stuhl Petri.

REGENSBURG Gebannt hören die Besucher der Vesper an diesem Abend dem Regensburger Bischof Rudolf bei der Predigt zu. Die Sätze, die er spricht, sind so geschliffen, man hört den großen Kirchenmann schnell heraus. Unfassbares sagt Bischof Rudolf den Gläubigen in der Regensburger Schottenkirche schließlich: „Diese Predigt hielt der 23-jährige Joseph Ratzinger, es war eine Probepredigt als Diakon.“ Sätze wie diese hatte sich der junge Joseph Ratzinger aufgeschrieben: „Das Urchristentum sprach von einer neuen Welt aus den Geburtswehen einer neuen Welt heraus.“ Ratzinger schrieb die Predigt 1950. Fünf Jahre vorher lag Europa in Trümmern. Welch‘ ein Bild: Die Geburtswehen einer neuen Welt. Aus dem 23-jährigen Diakon sprach schon der große Kirchenlehrer. Ja, vielleicht sogar der spätere Papst.

Heute, 68 Jahre und ein Theologenleben später, feiert Bischof Rudolf zusammen mit dem Gründer Gerhard Ludwig Kardinal Müller das zehnjährige Bestehen des Instituts Papst Benedikt in Regensburg. Müller wirkt angeschlagen, kürzlich hat er seinen eigenen Bruder nach einem schweren Unfall zu Grabe tragen müssen. Nach seiner Abberufung als Glaubenspräfekt gilt vielen Müller als Gegenkraft zu Papst Franziskus, der vielen Konservativen im Vatikan zu windelweich ist. Müller hasst diese Vereinnahmung. Doch sobald er am Rednerpult steht, blüht der Kardinal auf: „Das Verhältnis von Glauben und Vernunft, das ist die zentrale Botschaft des Theologen Joseph Ratzinger“, sagt Müller. „Als ich Papst Benedikt damals in Rom den ersten Band übberreichte, sagte ich ihm, am Ende werden es wohl 30.000 Seiten in vielen Bänden sein. Da ist er in seiner Demut erschrocken und fragte mich: ,Gerhard, wer soll denn das alles lesen`“? Müller, so erzählt er es heute, konterte Benedikt: „Eure Heiligkeit, ich weiß es nicht, aber ich kenne die Person, die das alles geschrieben hat.“

„Mozart der Theologie“ nannte man Joseph Ratzinger schon, lange bevor er Erzbischof von München und Freising, Glaubenspräfekt und schließlich Papst wurde. Kaum einer kennt die Schriften des zurückgetretenen Papstes so gut wie Christian Schaller, heute Leiter des Instituts, das im Priesterseminar in Regensburg seine Heimat hat. Schnell wird klar, dass man mit 30.000 Seiten für die gesammelten Schriften Benedikts nicht hinkommen wird, wenn man mit Schaller spricht. „Wir haben allein 30.000 Briefe, deren Auswertung allerdings wohl nicht mehr zu meinen Lebzeiten erfolgen wird“, sagt Schaller. „Der Schatz, der noch zu heben ist, ist glänzend und klar“, fügt er an.

Ratzingers Aufstieg in die Höhen des Geistes begann vor 50 Jahren. Damals erschien „Einführung in das Christentum“, Ausfluss einer Ringvorlesung des jungen Professors in Tübingen. Ratzinger wird zum Shootingstar. Es ist das Jahr 1968, in Europa gehen Studenten auf die Barrikaden. Da entwirft ein junger Theologe, der gerade noch dem erblindeten Kardinal Josef Frings am Zweiten Vatikanischen Konzil die Reden auf Latein schrieb und vorlas, damit er sie auswendig lernte, eine Blaupause dessen, was das Christentum ist: „Christentum heißt Begegnung“, sagt Schaller, „das ist die zentrale Botschaft. Begegnung mit dem Mensch gewordenen Gott.“

Schaller, der aus München stammt, hatte Joseph Ratzinger dann auch als Erzbischof von München und Freising erlebt. Er war aus Tübingen vor den Studentenunruhen geflohen ins beschauliche Regensburg, dort lehrte er – bis er 1977 von Paul VI. zum Erzbischof berufen wird. „Die Frauenkirche war stets bis auf den letzten Platz gefüllt, die Menschen hingen bei seinen Predigten an seinen Lippen“, so Schaller. Für ihn war stets das Besondere am Prediger Ratzinger: „Er ging immer auf diejenigen ein, die ihm zuhörten.“ Diese Empathie sei stets seine große Stärke gewesen.

Die Bilanz des Instituts lässt sich heute, nach zehn Jahren, durchaus sehen. Elf Bände sind zwischenzeitlich erschienen in 18 Büchern. 47 Publikationen gingen insgesamt aus dem Institut hervor. Viele weitere werden sicher folgen. Das Werk Papst Benedikts XVI. wird bleiben. In der ganzen Welt, denn Übersetzungen in viele Sprachen sind bereits vorgenommen worden.

Müller rückt in seiner Rede am Sonntagabend in Regensburg Benedikt dann auch auf Augenhöhe mit dem Heiligen der Kirche, über den der junge Joseph Ratzinger einst seine Doktorarbeit schrieb: Dem Kirchenlehrer Augustinus. „Diese gesammelten Schriften“, ist sich Müller sicher, „sind ein Geschenk für die ganze Kirche.“

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