Kirchenjahr
Der erste Advent, eine Zeit zur Innenschau und Reue

08.12.2017 | Stand 31.07.2023, 17:10 Uhr
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Am Sonntag feierten wir den ersten Advent – für Christen heißt das, sich vorzubereiten auf Weihnachten. Doch auch die eigenen Fehler stehen im Fokus.

REGENSBURG Für viele Menschen ist der Advent eine besondere Zeit. Man versucht, das Leben zu entschleunigen, sich auf das Wesentliche zu besinnen und Zeit mit der Familie zu verbringen. Auch heute noch haben viele Traditionen im Advent einen hohen Stellenwert: Man singt traditionelle Lieder, zündet die Kerzen am Adventskranz an, feiert den Nikolausabend, stellt Barbarazweige in eine Vase, um an Weihnachten die Blüten sehen zu können. Umrahmt wird der Advent von Glühwein, Plätzchen und Lebkuchen. Ursprünglich aber war der Advent eine Fastenzeit. Christen bereiteten sich vier, teilweise sogar sechs Wochen lang auf das Weihnachtsfest vor und fasteten – ähnlich wie vor Ostern. Auch wenn das schon lange nicht mehr üblich ist, hat der Advent doch bis heute den Charakter einer Bußzeit: Das eigene Leben, die schlechten Gewohnheiten und die alltäglichen Fehler werden in den Blick genommen. Eine „besinnliche“ Zeit. Mit diesem Begriff verbinden wir – gerade im Advent – vor allem Gemütlichkeit: Während es draußen immer kälter wird und der erste Schnee fällt, sitzt man gemütlich am Kamin vor den brennenden Kerzen des Adventskranzes.

Wer am ersten Adventssonntag einen katholischen Gottesdienst besucht, wird in dieser Romantik getrübt. Da ist noch keine Rede von der Geburt Jesu. Wer die Texte hört, die in den Gottesdiensten gelesen werden, fühlt sich eher an seinen Tod erinnert. Christen glauben, dass nach dem Tod das Gericht Gottes wartet. All die Fehler des Menschen werden aufgerollt.

Und davon spricht das Evangelium des ersten Adventssonntags (Markusevangelium 13, 24-37).

Jesus spricht vom Ende der Zeit. Eine große Not werde kommen, danach werden sich Sonne und Mond verfinstern und „dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen“ (Markus 13,26). Das Ende der Zeiten, der Untergang der Welt. Ein unangenehmer Gedanke. Jesus gibt dann noch Tipps, wie man sich denn zu dieser Zeit verhalten soll. Und wie so oft tut er das in Bildern, die jeder Mensch verstehen kann. Es sei wie mit einem Mann, der sein Haus verlässt und auf Reisen geht. Jeder Diener bekommt einen bestimmten Verantwortungsbereich, um den er sich sorgen soll, solange sein Herr abwesend ist. Einer der Diener ist der Türwächter. Er bekommt einen logischen Auftrag: Als Wächter soll er wachsam sein. Er soll überwachen, wer in das Haus hineinkommt.

Natürlich wollen die Diener ihrer Aufgabe gerecht werden. Das Problem nur: Sie wissen nicht, wann der Hausherr wiederkommt. Faulenzen? Schwierig. Jederzeit kann der Herr in der Türe stehen und seine Diener ertappen. Der Rat Jesu: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, am Abend oder um Mitternacht“ (Markus 13, 35). Genauso sei es auch mit dem Ende der Zeiten.

Keiner weiß, wann der Herr kommen wird. Also sollte man die Zeit sinnvoll nutzen und jederzeit damit rechnen, dass der Herr zurückkommt. Diese Botschaft hat auf den ersten Blick nichts Weihnachtliches. Es geht nicht um schöne, romantische Gefühle. Mehr noch: Es geht nicht einmal um die Geburt Jesu. Im Gegenteil, das Ende der Zeiten steht im Mittelpunkt.

Das hat auch seinen Sinn. Schon seit den frühen christlichen Jahrhunderten steht der Advent unter einer doppelten Erwartungshaltung: Die Christen bereiten sich zum einen auf das Kommen Jesu in seiner Geburt vor. Das wird dann an Weihnachten gefeiert. Das bringt auch schon die Bezeichnung zum Ausdruck: Advent stammt vom lateinischen Wort „adventus“ und bedeutet Ankunft. Gleichzeitig aber ist es auch der Glaube der Kirche, dass Jesus am Ende der Zeiten wiederkommen wird, um die Welt zu richten. Dann kommt das ganze Leben vor ihn, das Gute wie das Schlechte, um von ihm „gerichtet“, gerade gerückt zu werden. Auch darauf blicken Christen im Advent.

Mehr als Glühwein und Lebkuchen

Mal ehrlich: Dieser Glaube ist nicht nur schön. Am Ende des Lebens Jesus in die Augen sehen und all seine Schuld zuzugeben, wird sicherlich keine leichte Erfahrung, für niemanden. Deshalb ist es sehr wichtig, unter welchem Vorzeichen wir auf dieses Gericht blicken. Und dazu hilft die erste Lesung (Jesaja 63). Das Volk Israel gibt zu, gesündigt zu haben: „Ja, du warst zornig; denn wir haben gegen dich gesündigt, von Urzeit an sind wir treulos geworden. Wie unreine Menschen sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein schmutziges Kleid“ (Jesaja 64,4-5). Das ist die Situation des Menschen vor Gottes Gericht: Er muss seine Schuld zugeben. Unumwunden. Doch damit ist nicht Schluss. Auch dieses Gebet, dieses Schuldeingeständnis wandelt sich: „Und doch bist du, Herr, unser Vater“ (Jesaja 64,7). Wenn die Kirche im Advent auf das Wiederkommen Jesu und auf sein Gericht schaut, ist das eine Zuversicht. Dieses Gericht wird väterlich sein. Der Advent ist also eine „besinnliche“ Zeit. Aber: Das kann mehr beinhalten als Glühwein und Lebkuchen. Es kann zu einem kritischen Blick auf die eigenen Lebensgewohnheiten führen. Was läuft falsch? Was kann ich ändern? Mühsam, ja. Aber hilfreich.

(Benedikt Bögle (23) ist katholischer Theologe und arbeitet als freier Journalist. Er studiert in Regensburg Rechtswissenschaften.)

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