Kardiologie-Chefarzt der Klinik Bogen
„Ein kardiologischer Befund kann Menschen völlig aus der Bahn werfen“

02.07.2019 | Stand 29.07.2023, 6:54 Uhr
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Chefarzt Dr. Dionys Daller von der Klinik Bogen über den unterschätzten Zusammenhang zwischen Herz und Psyche

BOGEN Der Kardiologe Dr. Dionys Daller kennt sie alle: die verschiedenen Risikofaktoren für Herzerkrankungen, darunter viele wohlbekannte, wie das Rauchen und hohe Blutfettwerte, aber auch unterschätzte Risiken wie das soziale Umfeld, psychologische und psychiatrische Probleme. „All diese Faktoren addieren sich auf, bis es für die Herzgesundheit kritisch wird“, warnt der Chefarzt der Kardiologie der Klinik Bogen und Inhaber der Kardiologiepraxis im FachArztZentrum Bogen. „Ohne Abhilfe geraten Betroffene schnell in eine gesundheitliche Abwärtsspirale. Herzerkrankungen und psychische Störungen sind eine relevante Kombination.“ Dies stellt er immer wieder bei seinen Patienten fest und sieht es auch durch Studien belegt. Depressionen, Angst- und Panikstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, kognitive Störungen oder Stress entstehen demnach oft in Kombination mit Herzerkrankungen beziehungsweise verstärken sich dadurch.

Bei Herzpatienten Vorsicht mit Antidepressiva!

„Depressionen treten beispielsweise bei rund 15 Prozent der Herzpatienten auf. Beim Arztbesuch sind die Patienten aber meist so sehr auf ihre Untersuchungen fokussiert, dass sie gar keine Gelegenheit finden, ihre Abgeschlagenheit, Ängste oder psychischen Belastungen zu thematisieren“, schilderte Dr. Daller den Praxisalltag. Er empfiehlt, potenziell Betroffene gezielt danach zu fragen. Ärzte können beispielsweise schon im Wartebereich Fragebögen zu diesen Themen auszulegen. Während körperliche Aktivität, Psycho-, Verhaltens- und Gesprächstherapien sowie Disease-Management-Programme uneingeschränkt empfohlen werden können, seien laut Dr. Daller Medikamente gegen Depressionen bei Herzpatienten nur mit äußerster Vorsicht zu verwenden. Risiken und schädliche Neben- und Wechselwirkungen bei vergleichsweise geringer Wirksamkeit erfordern eine engmaschige ärztliche Verlaufskontrolle.

Angst gefährdet selbst gesunde Herzen

Wenn bereits bei minimalen Auslösern der Puls rast und unkontrolliert Adrenalin ausgeschüttet wird, liege häufig eine Angst- oder Panikstörung zugrunde. Herzpatienten seien hierfür besonders anfällig, zum Beispiel aus Sorge vor einem erneuten Herzinfarkt oder davor, dass der Defibrillator auslösen könnte. „Bereits die Diagnose einer Herzerkrankung kann Patienten komplett aus der Bahn werfen“, schildert Dr. Daller aus seiner eigenen Erfahrung mit Betroffenen. „Patienten mit Angststörungen haben ein um 48 Prozent erhöhtes Risiko, einen kardialen Tod zu erleiden. Sogar ängstliche Gesunde sind doppelt so stark gefährdet für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie nicht-ängstliche.“ Auch Traumata seien in der Kardiologie häufig, zum Beispiel bei Reanimationssituationen. Patienten mit implantiertem Defibrillator haben eine um das Dreifache erhöhte Sterblichkeitsrate, berichtet der Kardiologe. Herzerkrankungen wie die Herzinsuffizienz beeinträchtigen oft auch die geistige Leistungsfähigkeit. Daher wird es laut Dr. Daller schwierig, die teils komplizierten Medikamentenpläne umzusetzen, was wiederum die Aussichten auf einen Behandlungserfolg senkt.

„Herzinfarkt gemütlich zu Hause auf der Couch“

„Stress ist für das Herz ähnlich schädlich wie Rauchen“, stellt der Kardiologe fest, unterscheidet dabei aber positiven, gesundheitsförderlichen von negativem Stress, wie er bei Feindseligkeit, Zorn, Trauer oder Trennung auftritt. „Bei einem Zornausbruch können alle möglichen furchtbaren Dinge im Körper passieren“, warnt Dr. Daller. „Insbesondere ist das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis sehr hoch.“ Es gebe aber auch „den Herzinfarkt gemütlich zu Hause auf der Couch“, nämlich bei aufregenden Fußballpartien. So wurden beispielsweise während der Fußball-WM 2006 zu Spielzeiten gegen „Angstgegner“ um ein Vielfaches erhöhte Herzinfarktzahlen gemessen. Der Schlüssel, psychischen Problemen im Zusammenhang mit Herzerkrankungen zu begegnen, liegt laut Dr. Daller letztlich immer im offenen Gespräch miteinander.

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