Extraeinsatz an den Kreiskliniken
Grippewelle und die Folgen - plötzlich sind kleinere Kliniken gefragt

11.04.2018 | Stand 20.07.2023, 13:30 Uhr
−Foto: Foto: Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf

Die heftige Grippewelle hat die Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Robert Betz, Vorstand der Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf, dankt den Mitarbeitern - und übt scharfe Kritik am Gesundheitssystem.

BOGEN-MALLERSDORF Nach der heftigen Grippewelle ziehen die Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf Bilanz. Angesichts der zahlreichen Härtefälle der vergangenen Monate stellen sie fest: Kleinere Häuser spielen eine tragende Rolle im Versorgungsnetz.

Grippesymptome so ernst, dass viele gleich Notaufnahme aufsuchen

Angesichts vieler schwerer Grippeverläufe wagten die Ärzte der Kreiskliniken bis in den April hinein noch keine Entwarnung auszusprechen. Wie heftig Symptome der saisonalen Influenza sein können, sah man daran, dass viele gar nicht erst zum Hausarzt, sondern gleich in die Notaufnahme gegangen sind. Hinzu kommt der auch im Landkreis spürbare, deutschlandweite Trend, ohne vorherigen Kontakt zum Haus- oder Bereitschaftsarzt direkt die Klinik aufzusuchen. „Junge, sonst gesunde Patienten benötigen bei Grippe in der Regel keinen Krankenhausaufenthalt“, erklärt Johannes Kriele, Leitender Arzt der Zentralen Patientenaufnahme (ZPA) und Notfallambulanz der Klinik Mallersdorf. „Stellen sich diese bei uns vor, kommen wir nicht umhin, großen hygienischen und organisatorischen Aufwand zu betreiben, auch wenn die Patienten umgehend wieder in die hausärztliche Behandlung entlassen werden können.“

Chefärztin Dr. Claudia Schott von der Inneren Medizin und Gastroenterologie der Klinik Mallersdorf sieht die Grundversorgungskliniken in solchen Situationen „in der Verantwortung und verpflichtet, Patienten mit akuten Beschwerden zumindest zu sichten und bei Bedarf einen Schnelltest zu machen, auch wenn wir selbst am Rande unserer Aufnahmekapazität stehen.“ So wurden Grippepatienten an den Kreiskliniken zu keinem Zeitpunkt abgelehnt.

Anderthalb Stunden Anfahrt nach Mallersdorf

„Durch die Grippewelle waren dieses Jahr viele umliegende Kliniken zeitweise abgemeldet.“ berichtet Kriele weiter. „Das führte dazu, dass Patienten von außerhalb unseres Einzugsbereichs zu uns kamen. Einmal wurde sogar angefragt, ob ein Patient aus dem Rettungsleitstellenbereich Passau mit einer Anfahrtszeit von anderthalb Stunden zu uns gebracht werden könne.“ Grund war, dass in Mallersdorf das nächstgelegene aufnahmebereite Krankenhaus war. „Stationär aufgenommen wird bei uns nach Triage, also Einschätzung der Dringlichkeit einer Behandlung. Nur Patienten mit höherem Risiko und entsprechender Notwendigkeit nehmen unsere Ärzte stationär auf“, berichtet der Leitende Arzt weiter. Hierzu zählt er insbesondere Vorerkrankungen des Immunsystems, des Herzens und sonstiger Organe. „Nach Entwarnung konnten wir durchaus auch Patienten wieder nach Hause entlassen zum Auskurieren.“

Untypische Symptome erschweren Diagnose

Die seit drei Jahren in einer größeren Station untergebrachte ZPA mit 24-Stunden-Betrieb habe sich laut Chefärztin Dr. Schott in den Spitzenbelastungszeiten voll und ganz bewährt: „Ohne die ZPA hätten wir die vielen Patienten mit unklaren Symptomen gar nicht unterbringen können.“ Ihr ZPA-Kollege Kriele berichtet weiter: „Die Symptome der Grippe waren, anders als in den Jahren zuvor, häufiger nicht grippetypisch mit trockenem Husten, hohem Fieber und dergleichen. Sie äußerten sich stattdessen teils nur durch Übelkeit und Abgeschlagenheit, was die Diagnose erschwerte. Dafür traten häufiger Verläufe mit Herzmuskelentzündung auf. „ Das Mallersdorfer Labor hat in dieser Saison 474 Influenzaschnelltests durchgeführt, 50 mehr als im Vorjahr. 153 waren positiv, davon 123 vom Influenzastamm B. Zeitweise waren sogar die verwendeten Test-Kits nicht lieferbar.

„Hygiene vor Wahlleistung“

Ärzteschaft und Pflegeteam wurden nicht müde, bei den Patienten für Verständnis zu werben für unvermeidliche Wartezeiten, spezielle Erfordernisse bei der Unterbringung wie auch für die zügigen Entlassungen, um Isolationszimmer zu schaffen. Damit der Ansturm „systematisch und wie im Akkord“ abgearbeitet werden konnte, arbeiten laut Kriele alle Berufsgruppen vorbildlich zusammen - und das „auf Anschlag“. Auch auf Station erfolgte die Isolation nach Virustyp und nach Geschlecht. Sichere Zusagen für Einzelzimmer waren zeitweise nicht mehr möglich getreu dem Motto „Hygiene geht vor Wahlleistung.“

Hoher Aufwand zur Ansteckungsvermeidung

Da kein Kraut gegen Grippeviren gewachsen ist, sind Vorsorgemaßnahmen wie Schutzimpfung und Hygiene umso wichtiger. Für letztere beschäftigen die Kreiskliniken eigene Hygienefachkräfte und treffen nach deren Empfehlungen spezielle Sicherheitsvorkehrungen: Mund-Nasenschutz beim Aufnahmepersonal, intensivierte Hände- und Flächendesinfektion, Influenzaschnelltests und aufwändige Isolierzimmer, die nur mit spezieller Einweg-Schutzkleidung zu betreten sind. Hygienefachkraft Brigitte Stelzer entnimmt der Mallersdorfer Statistik „allein von Jahresbeginn bis 25. März 123 stationäre Patienten mit Influenza, von denen jeder im Schnitt sechs Tage blieb - eine beachtliche Zahl für ein 145-Betten-Haus“. Sie hofft, „dass sich alle lebhaft an diese Grippesaison erinnern werden, wenn im Herbst wieder der neue Impfstoff verfügbar ist.“

Desinfektion soweit der Patient reichen kann

Eine unverzichtbare Leistung erbringt in der Grippesaison auch das Reinigungspersonal. Bettina Stadler, die den Reinigungsdienst der Klinik Mallersdorf leitet, erklärt: „Alles in Reichweite des Patienten muss desinfiziert werden: Schränke, Fernseher, Lichtleisten, Kabel, Fensterbretter, Heizkörper, Badfliesen, Rollatoren, Infusionsständer, Pflege- und Nachtstühle -  selbst die Wände bis etwa zwei Meter Höhe.“ Für ein Zimmer benötigt eine Kraft etwa 1¼ Stunden. „Zu Spitzenzeiten hatten wir allein auf einer Station an nur einem Tag elf Zimmer zu ‚entisolieren‘, also so zu desinfizieren, dass ein Patientenwechsel stattfinden kann - auch dann, wenn der nächste Patient wieder den gleichen Virustyp hat.“ Die neuen, elektrisch verstellbaren Betten erwiesen sich als besonders aufwändig von Hand zu reinigen. Zu schaffen war dies nur in Sieben-Tage-Wochen, ohne dass jemand Urlaub nahm und dank Unterstützung von Kolleginnen, die aus dem Urlaub zurückkamen, was Stadler ihrem Team hoch anrechnet.

Mehrleistung finanziell abgestraft, Existenzberechtigung infragegestellt

Robert Betz, Vorstand der Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf resümiert: „Bei all dem Aufwand zur Erfüllung unseres Versorgungsauftrags und für unsere Kooperationsbereitschaft zur Entlastung überfüllter Kliniken rundum würde ich mir wünschen, dass wir zumindest kostendeckend arbeiten könnten. Stattdessen straft uns das derzeitige Vergütungssystem auch noch ab, denn meist können wir für die Diagnostik und Versorgung von Influenzapatienten nur die Notfallpauschale abrechnen. Diese deckt die entstehenden Kosten jedoch nicht annähernd.“ Dass obendrein auch noch die Existenzberechtigung kleinerer Häuser infrage gestellt wird, sieht der Vorstand „als blanken Hohn.“ Wenn schon die Krankenkassen und Gesundheitspolitik diese Leistungen nicht zu würdigen wissen, so wolle wenigstens er als Vorstand des Kommunalunternehmens seinen ausdrücklichen Dank aussprechen an alle Beteiligten: „von den Ärzten über die Pflege der Stationen wie auch der Aufnahme, dem Labor, dem Röntgen und nicht zuletzt dem Reinigungsdienst. Ohne diese Teamleistung wäre der Patientenansturm nicht zu bewältigen gewesen! Danke auch den Mitarbeiterinnen des Belegungsmanagements, die unter großem organisatorischem Aufwand belegbare Betten gesucht und gefunden haben. Zuletzt Dank an unsere Patienten für das entgegengebrachte Vertrauen, die Geduld und, dass sie Unannehmlichkeiten hingenommen oder auf Wahlleistungen bei der Unterbringung verzichtet haben.“

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