Zehn Jahre Kinderpalliativmedizin
365 Tage für schwerstkranke Kinder im Einsatz

31.05.2019 | Stand 28.07.2023, 10:32 Uhr
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„Für mich gibt es keine schlimmere Vorstellung, als, dass meine Kinder vor mir gehen müssen“ – ein Zitat des früheren Bayerischen Gesundheitsministers Marcel Huber. Ein Zitat, das Dr. Andreas Fiedler, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Klinikum St. Marien, nach einer der ersten Sitzungen des SAPPV-Teams Amberg im Gedächtnis geblieben ist.

AMBERG Nichts ist für Eltern schlimmer als der Tod des eigenen Kindes. So werden zum Beispiel in Deutschland werden pro Jahr etwa 7.000 Kinder mit einem Herzfehler geboren. Davon sind manche heilbar, manche nicht. Kinder leiden an angeborenen Schwächen im Stoffwechsel, Krankheiten, bei denen die Muskeln ihre Arbeit nicht tun können und, und, und. So sterben allein in Bayern ca. 600 Kinder pro Jahr an solchen Erkrankungen, die das Leben verkürzen.

Die Angehörigen in dieser schweren Zeit zu begleiten, die Pflege des Kindes vor Ort zu organisieren, das sind die Aufgaben des Kinder-Palliativ-Teams Ostbayern am Klinikum St. Marien Amberg. Bereits seit zehn Jahren gibt es das Konzept für die Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen sowie die Spezialisierte Ambulante Pädiatrische Palliativversorgung (SAPPV) in Bayern. Amberg ist einer von sechs Standorten. „Bayern ist das einzige Bundesland mit einer flächendeckenden Versorgung“, erklärt Dr. Fiedler. Das Team in Amberg gibt es seit 2012. „Aktuell sind wir ein Team von zwölf Mitgliedern. Unser Einzugsgebiet ist groß und reicht von Hof bis zum Landkreis Kelheim. Im Westen decken wir auch den Landkreis Neumarkt bis an die Grenze zum Bayerischen Wald ab.“ Im Moment betreut das SAPPV-Team 25 Familien. Das Konzept dahinter: Per Rufbereitschaft ist das Team 24 Stunden 7 Tage in der Woche im Einsatz, das schreibt das Gesetz vor. Aktuell sind in Amberg eine Pflegekraft und ein Arzt in Rufbereitschaft. „Unsere Pflegekräfte haben eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Sie müssen vieles alleine regeln. Wenn es allerdings um medikamentöse Entscheidungen geht, wird ein Arzt kontaktiert.“ Der ist auch immer dabei, wenn es zu kritischen Fällen geht. 1.000 Kilometer oder mehr können in einer Woche zusammen kommen, die das Team im Auto sitzt. Ihre Aufgabe ist es, eine Behandlung vorzuschlagen, sich mit den Hausärzten abzusprechen. Und ganz wichtig: Den Eltern die Angst nehmen, etwas falsch zu machen. „Am liebsten wäre es den Eltern, sie könnten uns via soziale Medien erreichen. Das ist aber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich“, weiß Dr. Fiedler. Dabei arbeiten wir telemedizinisch wo es irgend geht: So haben alle Mitarbeiter des Teams einen Laptop, mit dem sie auf die Daten der Patientinnen und Patienten zugreifen können, die wir in der Klinik gespeichert haben. Auch das ist schon eine große Hilfe.

Es gibt Familien, die zuhause eine kleine Intensivstation aufgebaut haben, damit die Kinder in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können. Die Aufgabe des SAPPV-Teams ist es, die Familie hier zu unterstützen. Gerade Geschwisterkinder haben es besonders schwer, wenn ein Kind chronisch erkrankt ist. „Hier arbeiten wir eng mit Hospizdiensten zusammen, die dann im Notfall eine Betreuung übernehmen. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir die Familien mit unseren Angeboten nicht überfrachten. Viele möchten nicht rund um die Uhr fremde Leute im Haus haben und damit einen großen Teil ihrer Privatsphäre preisgeben“, warnt Dr. Fiedler. Reden und sich Zeit nehmen, die Familie kennenzulernen, sind deswegen das A und O.

Seit 20 Jahren ist es Dr. Fiedler bereits ein Anliegen, für Familien mit schwerstkranken Kindern mehr zu tun, als in einer Klinik getan werden kann. „In einer Klinik gibt es in der Regel keine Privatsphäre. Stellen sie sich eine Intensivstation vor, rund herum Geräte, da ist es nicht möglich einmal eine halbe Stunde allein zu sein. Dabei ist doch das Wichtigste: Es muss menschenwürdig bleiben.“ Dieses Ziel wurde 2012 mit Hilfe des SAPPV-Teams erreicht. „Es ist schön zu sehen, dass die Akzeptanz für unsere Arbeit in der Bevölkerung gestiegen ist. Auch wenn eine Krankheit nicht heilbar ist, kann man trotzdem noch viel Gutes tun. Unsere Herausforderung für die Zukunft wird sein, unser Team dauerhaft zu stärken, aber wir sind auf einem guten Weg.“

Schwandorf