„Ratgeber Gesundheit“
Vorhofflimmern nicht auf die leichte Schulter nehmen

19.11.2018 | Stand 04.08.2023, 2:36 Uhr
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Wenn der Taktgeber im Herzen nicht einwandfrei arbeitet, kann es das ganze Herz nicht mehr. Die Folge: Herzrhythmusstörungen. Die häufigste Form davon ist das Vorhofflimmern. Und das ist jetzt beim „Ratgeber Gesundheit“ am Klinikum St. Marien Amberg im Rahmen der Herzwochen 2018 im Fokus gestanden.

AMBERG Privatdozent Dr. Christoph M. Birner, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I, erklärte den rund 200 Interessierten, dass der Sinusknoten im Herzen elektrische Impulse erzeugt und an das Herz weitergibt. Das zieht sich daraufhin zusammen und pumpt das Blut in den Körper. „Beim Vorhofflimmern ist diese Reizbildung und -weiterleitung gestört“, so der Herz-Experte. „Die Herzvorhöfe nehmen nicht mehr an der normalen Herzfunktion teil. Sie füllen die Herzkammern normalerweise bis zu 40 Prozent. Weil sich die Vorhöfe wegen der gestörten Impulse aber nicht mehr geordnet zusammenziehen, sondern nur noch zucken und flimmern, geht diese Kammerfüllung dem Herzen verloren.“ Beim Vorhofflimmern unterscheidet man grob zwischen drei Formen: Dem paroxysmalen Flimmern, das von selbst wieder verschwindet, dem persistierenden Flimmern, bei dem das Herz nicht mehr selbst in den normalen Rhythmus zurückfindet, und dem permanenten Vorhofflimmern, das nicht mehr behandelt werden kann.

Ältere Patienten bemerken häufig gar nicht, dass sie an Vorhofflimmern leiden. „Bei diesen Patienten wird das Flimmern oft bei einem Routine-EKG festgestellt.“ Treten Symptome auf, sind diese meist leider sehr unspezifisch: Herzstolpern, ein Druckgefühl im Brustkorb, Schwindel oder Atemnot. „Wer solche Symptome bei sich feststellt, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen“, so Dr. Birner. „Denn solche Beschwerden können auch andere Ursachen haben. Handelt es sich um Vorhofflimmern, dann kann dies nur mit einem EKG vom Arzt sicher diagnostiziert werden.“ Das Problem dabei: Es kann auch sein, dass beim normalen Ruhe-EKG gerade kein Vorhofflimmern auftritt. „Dann können wir über mehrere Tage ein Langzeit-EKG schreiben. Eine andere Alternative ist ein externer Ereignisrekorder. Das ist ein kleines Kästchen, das sich die Patienten selbst an die Brust drücken können, wenn Symptome auftreten. Der Rekorder speichert die EKG-Daten. Genauso wie ein implantierbarer Ereignisrekorder, der unter die Haut implantiert wird und bis zu drei Jahre EKGs sammelt.“

Ist das Vorhofflimmern diagnostiziert, geht es an die Behandlung, die auf zwei wichtigen Säulen basiert: „Zum einen müssen wir natürlich die Rhythmusstörungen behandeln“, erklärte Dr. Birner. „Zum anderen müssen wir die Patienten aber auch vor einem Schlaganfall schützen. Denn: In den Vorhöfen gibt es sogenannte Blindsäcke. Das sind kleine Aussackungen, in denen das Blut steht, wenn das Herz nicht mehr ordentlich schlägt. Dieses Blut kann gerinnen und die Gerinnsel können sich ablösen und andere Gefäße im Körper verstopfen und einen Infarkt auslösen. Deshalb müssen die betroffenen Patienten Gerinnungshemmer nehmen, um das Blut zu verdünnen und solche Gerinnsel zu vermeiden.“ Gängige Medikamente sind hier die sogenannte Vitamin-K-Antagonisten wie beispielsweise Macumar oder die neuen Gerinnungshemmer, kurz NOAKS, wie Lixiana oder Eliquis. Obwohl Macumar schon sehr lange auf dem Markt ist, ist es nach wie vor nicht wegzudenken. „Vor allem bei Patienten, die eine mechanische Herzklappe oder eine Verengung der Mitralklappe haben“, schilderte der Kardiologie-Chefarzt. „Dann dürfen die NOAKS nicht eingenommen werden. Und auch wenn Patienten gut auf Macumar eingestellt werden, empfehlen wir keine Umstellung auf NOAKs.“ Wichtig sei aber eine engmaschige Kontrolle der sogenannte INR-Werte, die die Stärke der Blutverdünnung signalisiert. „Hat ein Patient beispielsweise einen Infekt, Durchfall oder stellt seine Ernährung komplett um, muss die Dosierung angepasst werden.“

Der Nachteil der Gerinnungshemmer: Die Blutungsneigung wird erhöht. „Da müssen wir sehen, dass das Verhältnis stimmt: Wir können das Schlaganfallrisiko jedes Patienten anhand bestimmter Scores berechnen. Ziel der Behandlung ist es, dass der schützende Effekt der Gerinnungshemmer wesentlich höher ist, als die Gefahr, die man durch eine Blutung erwartet.“ Aber was tun, wenn Patienten ein hohes Schlaganfallrisiko und ein hohes Blutungsrisiko haben? „Das ist zum Glück sehr selten, aber auch da gibt es heutzutage einen guten Weg: Wir können mithilfe eines Katheters über die Leiste eine Art ‚Stöpsel‘ einführen, mit dem wir den Blindsack im Vorhof verschließen. So kann dort zwar ein Gerinnsel entstehen, es kann aber nicht mehr heraus und so auch keinen Infarkt im Körper verursachen.“

Ist die Gefahr eines Infarktes gebannt, geht es an die Behandlung der Rhythmusstörung: Zuerst müssen die Ursachen behandelt werden – und dabei kann jeder Patient selbst mithelfen. „Mit Ausdauertraining beispielsweise“, erklärte Dr. Birner. „Nicht rauchen, gesunde Ernährung, wenig Alkohol und Koffein, Stress abbauen – das alles wirkt sich günstig auf die Herzgesundheit aus.“ Zusätzlich stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, um die Rhythmusstörungen oder den zu schnellen Herzschlag zu behandeln. „Die wahrscheinlich wichtigste Therapie bei Vorhofflimmern ist die Kardioversion. Dabei ist der Patient in Kurznarkose und das Herz wird durch einen gezielten Elektroschock wieder in den normalen Takt versetzt.“ Für Patienten, die trotz einer Behandlung mit Rhythmusmedikamenten deutliche Beschwerden haben oder für jüngere Patienten, die keine Langzeitbehandlung mit Medikamenten wünschen, gibt es noch die Katheterablation. „Dabei werden Herzzellen mit Hitze oder Kälte verödet. So wird eine Barriere zwischen den Lungenvenen und dem linken Vorhof erzeugt. Dadurch können die elektrischen Störimpulse nicht mehr auf die Vorhöfe übergeleitet werden.“

Schwandorf