Vortrag am Klinikum Amberg
Das Internet ist für Prostatakrebs-Patienten kein guter Ratgeber!

12.04.2018 | Stand 20.07.2023, 15:35 Uhr
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„Heute wollen wir Ihnen erklären, was Prostatakrebs-Patienten auf keinen Fall tun sollten: sich voll und ganz auf das Internet als Ratgeber verlassen.“ Mit diesen Worten begrüßte Dr. Ralf Weiser, der Chefarzt der Klinik für Urologie, die Zuhörer beim „Ratgeber Gesundheit“ am Klinikum St. Marien Amberg.

AMBERG „Das ganze Internet ist voll mit mehr oder weniger geglückten Beratungen hinsichtlich der Behandlung von Prostatakrebs“, so der Urologe. „Vom Cyberknife bis hin zum OP-Roboter. Aber: Ins Internet kann jeder alles schreiben. Und oft sind die ersten Suchtreffer bei Google Anzeigen. Da bezahlen Firmen viel Geld dafür, dass ihre Anzeige ganz oben steht. Mit fachlich fundierten Therapieformen hat das leider oft nichts zu tun.“ Deshalb riet er gemeinsam mit Dr. Matthias Hipp, dem Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie, zur Vorsicht. „Es gibt gute Möglichkeiten, sich über die Erkrankung und mögliche Therapieformen zu informieren: zum Beispiel die Patientenbroschüre der Deutschen Krebshilfe“, so Dr. Weiser. Sie sei speziell für Patienten geschrieben und stamme von einem Gremium von Fachleuten, das bestimmte Leitlinien für die Behandlung ausarbeitet. „Darin steht, welche Therapie wann zur Anwendung kommen sollte, was gemacht werden kann und was man nicht machen soll“, erläuterte Dr. Weiser. „An diese Leitlinien sind Ärzte in Prostatakarzinomzentren wie hier am Klinikum St. Marien Amberg gebunden. Wir werden regelmäßig von externen Fachleuten überprüft, ob wir diese Regeln einhalten. Deshalb mein Appell an Sie: Wenn Sie die Diagnose ‚Prostatakrebs‘ bekommen, wenden Sie sich an ein zertifiziertes Zentrum. Nur dann können Sie sicher sein, dass sie die zu diesem Zeitpunkt bestmögliche Behandlung bekommen.“ „In unserem Zentrum bieten wir eine interdisziplinäre Sprechstunde an, in der ein Urologe und ein Strahlentherapeut den Patienten gemeinsam beraten“, fügte Dr. Hipp hinzu. „Hier sagt niemand: Meine Therapie ist die beste, sondern Sie werden beraten, was für SIE das Beste ist.“ Deshalb sei es nicht nur wichtig, Größe und Lage des Tumors vor einer Therapie zu bestimmen, sondern ebenso wichtig, Faktoren wie mögliche Nebenerkrankungen, das Alter des Patienten oder spezielle Wünsche zu berücksichtigen: „Viele Patienten müssen beispielsweise nicht operiert werden. Prostatakrebs wächst normalerweise sehr langsam. Deshalb lautet die Therapieempfehlung oft, den Tumor in regelmäßigen Abständen einfach nur zu überwachen“, schilderte Dr. Hipp. „Manche Menschen halten das aber psychisch nicht aus. Dann ist das kontrollierte Zuwarten eben nicht die richtige Therapievariante.“ Die Behandlungsempfehlungen werden in sogenannten Tumorkonferenzen interdisziplinär im Team mit allen an der Behandlung beteiligten Fachrichtungen besprochen. Ob Patienten dieser Empfehlung folgen, entscheidet der jeweilige Patient natürlich immer selbst.

In seinem Vortrag stellte Dr. Weiser anschließend verschiedene alternative operative Verfahren wie den hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU) vor: Hier wird die Ultraschallenergie mithilfe eines Spiegels auf ein linsenförmiges Areal fokussiert, wobei Wärme entsteht, die die Zellen zerstört. „Das Problem dabei ist, dass man damit nur Teilbereiche der Prostata behandeln kann. Wir wissen aber, dass Prostatakrebs in der Regel multifokal wächst, das heißt: an vielen Stellen gleichzeitig. Deshalb macht diese Behandlung wenig Sinn, weil man nicht weiß, ob an einer anderen Stelle nicht noch ein Tumor ist. Für diese Form der Therapie liegen noch keine längeren Studien vor. Wenn sie zum Einsatz kommt, sollte das nur im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie sein – bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen gilt die HIFU in unserer Leitlinie als nicht zur Therapie geeignet.“

Eine weitere Methode ist die IRE (irreversible Elektroporation), auch Nanoknife genannt. Dabei werden mehrere Nadeln um den Tumor herum eingeführt, über die ein Spannungsfeld angebracht wird. So werden die Zellen zerstört und der Krebs geht zugrunde. „So einfach, wie sich das anhört, ist es aber leider nicht“, schilderte der Urologie-Chefarzt. „Die Nadeln müssen über den Damm eingebracht werden. Das ist schmerzhaft und nicht so einfach. Und auch bei diesem Verfahren gilt: Wenn an einer zweiten Stelle auch ein Krebsgeschwür sitzt, bleibt dieses einfach unbehandelt. Wir haben mittlerweile erste Daten bei dieser fokalen Therapie, bei der nur bestimmte Stellen behandelt werden: Im MRT bei der Kontrolle nach nur einem Jahr sind bereits zehn Prozent der Patienten sogenannte Therapieversager und 20 Prozent haben einen Prostatakrebs an einer anderen Stelle – das sind 30 Prozent, bei denen die Therapie nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.“

Eine wichtige Methode bei der Behandlung von Prostatakrebs sei hingegen die Operation, für die es drei verschiedene Möglichkeiten gibt: die offene Operation mit größerem Schnitt, die OP mithilfe der Schlüsselloch-Chirurgie und die robotische Schlüsselloch-OP, bei der der Operateur an einer Konsole sitzt und die bewegbaren Arme eines OP-Roboters bedient. „Diese Verfahren werden seit vielen Jahren praktiziert und auch miteinander verglichen. Die Leitlinie besagt: Die Ergebnisse hinsichtlich Heilung, Komplikationen und möglichen Kontinenz- und Potenzproblemen sind ähnlich. Die Ergebnisse einer Operation hängen vor allem vom Können und von der Erfahrung des jeweiligen Operateurs ab. Das OP-Verfahren ist nicht relevant.

Wie bei der Operation gibt es auch in der Strahlentherapie die unterschiedlichsten Behandlungsverfahren. Eines davon ist die Strahlentherapie mit Protonen. „Das ist eine sehr aufwändige Technik“, so der Chefarzt der Strahlentherapie. „Derzeit verfügen nur drei Institutionen in Deutschland über diese Technik, die auch an eine Universität angeschlossen sind: In Heidelberg, Dresden und Essen. Die Protonentherapie eignet sich vor allem für sehr kleine Tumore, die gut zugänglich sind und in deren Umgebung kritische Risikostrukturen sind, die geschützt werden müssen, beispielsweise im Gehirn oder Rückenmark. Protonen sind sehr effektiv, haben aber unter anderem den Nachteil, dass die Einstrahlrichtungen begrenzt sind, was die Methode gegenüber der modernen konventionellen Strahlentherapie einschränkt.“ Die Leitlinie zur Prostatakrebsbehandlung sieht deshalb momentan noch keinen Vorteil gegenüber der Photonentherapie.

Das Cyberknife ist ein weiteres Stichwort, wenn es um die Strahlentherapie geht: Dabei handelt es sich um einen Linearbeschleuniger auf einem Roboterarm. „Cyberknife ist ein toller Name – das verkauft sich sehr gut“, so der Strahlenexperte. „Es ermöglicht eine optimale bildgeführte Strahlentherapie. Der schnell bewegbare Roboter passt sich jeder Bewegung des Patienten an und erlaubt höchste Genauigkeit. Allerdings muss man sehen, dass diese Methode für die Hochpräzisionsbestrahlung kleiner und kleinster Tumoren z.B. im Gehirn entwickelt wurde und die meist zur Verfügung stehenden Blenden Fixblenden sind. Nur in der neuesten Gerätegeneration können diese auf eine individuelle, nicht rundliche Form des Tumors eingestellt werden – was mit einem konventionellen Linearbeschleuniger heutzutage überhaupt kein Problem mehr ist. Und: Solche Geräte sind immer auf eine maximale Tumorgröße limitiert. Die überschreitet man bei einem lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom schnell. Außerdem reichen die bisher gesammelten Daten noch nicht aus, um etwaige Spätfolgen dieser Bestrahlung an Harn-, Genital und Darmtrakt abschätzen zu können.“ Deshalb wird in der offiziellen Behandlungsleitlinie dazu geraten, diese Methode nur innerhalb kontrollierter klinischer Studien und bei fortgeschrittenem Prostatakrebs gar nicht zu nutzen.

Bei der bildgeführten Strahlentherapie hingegen sei die Technik im Laufe der Jahre so optimiert worden, dass die Nebenwirkungen bei der Bestrahlung so gering wie möglich gehalten werden können. „Mittlerweile können wir die notwendige Dosis aus verschiedenen Richtungen verteilt zielgenau auf den Tumor strahlen“, so Dr. Hipp. „So kommt beim Tumor die nötige Strahlendosis an, aus jeder Einstrahlrichtung dringt aber nur die mindestens nötige Bestrahlung durch das gesunde Gewebe, das bestmöglich geschont werden kann.“ Ein weiterer Vorteil sei die Verfügbarkeit solcher Geräte: „Jede hochmoderne Strahlentherapie wie hier in Amberg hat diese Möglichkeiten. Dafür müssen Patienten keine langen Wege wie nach Heidelberg, Dresden oder Essen auf sich nehmen.“

Das Fazit beider Chefärzte: „Glauben Sie nicht alles, was in Hochglanzbroschüren steht – fragen Sie lieber Ihren Haus- oder Facharzt, wenn Sie Fragen haben!“ Auch spezielle Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen seien eine gute Anlaufstelle. „Deshalb unterstützen wir auch die Gründung einer Selbsthilfegruppe Prostatakrebs für die Region Amberg“, ergänzte Dr. Weiser. „In der Gruppe kann man mit anderen Betroffenen Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig bei Problemen helfen und Ängste offen ansprechen“, so Alfons Swaczyna, erster Vorsitzender von PROCAS Regensburg/Oberpfalz. Alle Betroffenen, die Interesse an einer Selbsthilfegruppe haben, können sich unter der Telefonnummer 09621/38-1704 und per Mail an urologie@klinikum-amberg.de an das Sekretariat der Klinik für Urologie wenden

Beim nächsten „Ratgeber Gesundheit“ am Dienstag, 8. Mai, geht es um das Thema „Divertikulitis“. Dabei handelt es sich um angeborene oder erworbene Ausstülpungen der Wand von Speiseröhre oder Darm. Der Vortrag von Dr. Wolfram Schief, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, beginnt um 18: Uhr im Speisesaal des Amberger Klinikums.

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