„Kein Gläschen in Ehren“
Experte warnt vor gravierenden Folgen von Alkohol in der Schwangerschaft

03.09.2020 | Stand 24.07.2023, 20:58 Uhr
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„Nur ein Schlückchen Sekt zum Anstoßen. Was soll da schon passieren?“ So einen Satz hören, oder sagen auch Schwangere selbst immer wieder. Laut einer internationalen Studie aus dem Jahr 2017 trinkt rund ein Viertel aller Frauen in Deutschland Alkohol während der Schwangerschaft. „Obwohl längst bekannt ist, dass Alkohol dem Ungeborenen schadet, werden die Folgen noch immer unterschätzt“, warnt Prof. Dr. Olaf Ortmann anlässlich des Tags des alkoholgeschädigten Kindes am Mittwoch, 9. September.

Regensburg. Bereits minimaler Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann zu einer Fetalen Alkoholspektrum-Störung (FASD) führen. Schätzungen zu Folge kommen jedes Jahr etwa 10.000 Kinder damit zur Welt. „FASD ist die häufigste Ursache für nichtgenetisch bedingte Behinderungen“, erklärt der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Caritas-Krankenhaus St. Josef und Inhaber des Lehrstuhls für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Regensburg.

„Leider ist die Meinung weit verbreitet, nur Kinder alkoholkranker Mütter oder von Müttern, die es in der Schwangerschaft mit dem Alkohol übertrieben haben, sind gefährdet“, weiß Prof. Ortmann. „Doch bereits geringe Mengen können dem Ungeborenen schaden.“ Der Grund dafür: Alkohol ist ein Zellgift, das Nabelschnur und Plazenta ungehindert passiert. Die Alkoholkonzentration im Blut des Fötus ist deshalb genauso hoch wie die der Schwangeren. Im Gegensatz zu Erwachsenen ist die Leber aber noch nicht ausgereift und baut den Alkohol nur sehr langsam ab – man geht davon aus, dass es bis zu zehn Mal länger dauert. „In dieser Zeit greift das Gift die Zellen an, die sich noch im Wachstum befinden, und hemmt die Zellteilung. Alle Organe und Organsysteme können Schaden nehmen, besonders das empfindliche Gehirn“, erklärt der Experte.

Schwerwiegende Folgen – ein Leben lang

Die Folgen reichen von ADHS-ähnlichen Symptomen wie Konzentrationsschwäche, Lernschwierigkeiten und aggressivem Verhalten bis hin zu schwersten Schäden. Babys, die schwerer betroffen sind, kommen untergewichtig und sehr klein zur Welt. Da das Gehirn in der Regel ebenfalls kleiner ist, ist auch der Kopf kleiner als bei gesunden Neugeborenen. Neben diesen Auffälligkeiten kann es zu Fehlbildungen an Nieren, Herz oder Schilddrüse kommen. Das Gehirn kann ebenso schwere Schäden davontragen: So kommt es unter anderem zu Seh- und Hörbehinderungen sowie einer verminderten Intelligenz. Alltägliche Aufgaben fallen Menschen mit FASD oft schwer, sie können sich in der Regel nicht strukturieren. Selbst einfache Aufgaben wie einen kleinen Einkauf oder den Weg zur Schule können sie oft nicht ohne Anleitung bewältigen.

Die Schäden, die das Ungeborene durch den Alkoholkonsum der Mutter erlitten hat, sind unheilbar und begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Man kann die Symptome lindern und mit speziellen Förderprogrammen arbeiten, so dass sie im Leben besser zurechtkommen, aber die kognitiven Einschränkungen werden nie ganz verschwinden. Deshalb rät Prof. Ortmann allen Schwangeren eindringlich: „Kein Alkohol in der Schwangerschaft, auch nicht das Schlückchen Sekt zum Anstoßen.“

Regensburg