Diagnostik außerhalb der Klinik
Weltweit erstes mobiles Ultraschallgerät soll Schlaganfall schon im Krankenwagen erkennen – Erprobung in Regensburg

29.11.2019 | Stand 02.08.2023, 19:59 Uhr
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Das Gerät im Handtaschenformat sieht aus wie ein zu groß geratener Walkman aus den 1980er Jahren. „SONAS“ verbirgt sich hinter einer grauen, unscheinbaren Fassade. Doch das Innenleben ist im wahrsten Sinne des Wortes überlebenssichernd. Denn es handelt sich um das weltweit erste mobile Ultraschallgerät zur schnellen Erkennung eines Schlaganfalls, das in Regensburg in der Erprobung ist.

REGENSBURG Plötzliche Lähmungen, Sprachstörungen, Doppelbilder oder Schwindel: Ein Schlaganfall äußert sich in verschiedenen Symptomen. Momentan bestätigen nur Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) die Verdachtsdiagnose des Notarztes. Das Problem: Der Patient muss dafür in einem Krankenhaus sein. „Die Schlaganfalldiagnostik außerhalb der Klinik ist bisher sehr vernachlässigt worden“, sagt Professor Dr. Felix Schlachetzki. Dabei ist sie enorm wichtig: „Je früher die richtige Diagnose desto zielgerichteter ist der Transport ins Krankenhaus und optimierter die nachfolgende Behandlung – denn je mehr Zeit vergeht, desto größer ist die Gefahr bleibender Schäden fürs Gehirn – denn ‚Time is Brain‘!“

Sein Freund und Kollege Professor Dr. Thilo Hölscher aus San Diego, USA, hat mit seinem Team in den letzten Jahren an einem Gerät entwickelt, das den Schlaganfall schon im Krankenwagen erkennen soll. Die Idee dazu entstand während der gemeinsamen Zeit am Bezirksklinikum in Regensburg im Jahr 1997 bis 2002. Als passionierter Ultraschaller hatte Prof. Hölscher 2012 die Idee, schon im Rettungswagen die Hirndurchblutung zu untersuchen, und initiierte 2012 das „Regensburger Schlaganfallmobil“-Projekt – wieder in Regensburg. Dabei untersuchten Neurologen um das Team von Prof. Schlachetzki mit den ersten tragbaren Ultraschallgeräten mögliche Schlaganfallpatienten auf dem Weg in die Klinik. Um jedoch eine flächendeckende Diagnostik zu erreichen, braucht es eine einfachere mobile Lösung: „Wir wollten ein tragbares Gerät, das batteriebetrieben, Internet-fähig, günstig und vor allem einfach auch vom Rettungsassistenten zu bedienen ist.“ Beide Ärzte wissen, was in Notfallsituationen zählt: eine einfache Bedienung und zweifelsfreie Aussagen.

SONAS erkennt Durchblutungsstörungen durch Ultraschallwellen. Dazu werden beidseits Ultraschallproben mittels einer kopfhörerähnlichen Halterung an den Schläfen platziert. Das Gerät misst die Durchblutung in beiden Gehirnhälften, vergleicht sie miteinander und zeigt die Durchblutungsstörung in der betroffenen Hirnhälfte an.

Hölscher bezeichnet seine Innovation gern als „EKG fürs Gehirn“. Um die Entwicklung des Geräts voranzutreiben, gründete er in San Diego das Start-up „BURL Concepts, Inc.“. Dort wurde SONAS bereits an gesunden Versuchspersonen getestet. „In der jetzt laufenden zweiten Testreihe werden erstmalig akute Schlaganfallpatienten direkt nach Eintreffen in die Neurologie des Bezirksklinikums untersucht und die Messungen mit der aufwendigeren Perfusions-Computertomographie direkt verglichen. Die ersten Ergebnisse sind sehr ermutigend“, erklärt Professor Schlachetzki. Bei den Patienten wurde bereits durch eine herkömmliche Untersuchungsart ein Schlaganfall diagnostiziert. Die bestehende Diagnose konnte SONAS bei allen Teilnehmern bestätigen. Noch in diesem Jahr soll die Studie fertiggestellt werden.

Wird in Zukunft ein Patient mit Lähmungserscheinungen zur „Stroke Unit“ transportiert, könnte SONAS bereits im Krankenwagen prüfen, ob ein Schlaganfall vorliegt, welche Gehirnhälfte betroffen ist und informiert vorab die Zielklinik, damit diese zum Beispiel über Katheter ein Gerinnsel aus der Hirnarterie entfernen kann. Das Ergebnis wird bestenfalls schon vorab ans nächstgelegene Krankenhaus übermittelt. Auch in Hausarztpraxen, Altenheimen oder Rehakliniken könnte SONAS eingesetzt werden. Das Gerät eignet sich außerdem, um den Erfolg einer Schlaganfalltherapie ohne großen Aufwand am Krankenbett zu kontrollieren.

„Schlaganfälle sind nach dem Herzinfarkt die zweithäufigste Todesursache weltweit, und der mit Abstand häufigste Grund bleibender Pflegebedürftigkeit“, erklärt Professor Hölscher. In einem Großteil der Fälle liegt ein drohender Infarkt vor, also der Verschluss einer hirnversorgenden Arterie. Wird dieser schnell genug diagnostiziert, können Ärzte das Gerinnsel zeitnah entfernen oder auflösen. Seltener liegt eine Hirnblutung vor, die selten und meist nur bei komatösen Patienten operiert werden muss. Im günstigsten Fall schicken sie ihren Patienten anschließend gesund nach Hause.

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