Keine Brezen mehr für Birgit
Welttag der Zöliakie – glutenfreie Ernährung ist mehr als ein Trend

18.05.2018 | Stand 29.07.2023, 10:17 Uhr
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Glutenfreie Ernährung ist für Zöliakie-Betroffene wie Birgit Hofmann aus der Oberpfalz mehr als ein Trend: Schon eine Nudel pro Tag kann bei ihr zu starken Beschwerden führen. Der Welttag der Zöliakie am Samstag, 19. Mai, rückt die Glutenunverträglichkeit von ihr und vielen anderen Betroffenen in den Fokus.

REGENSBURG Wenn Birgit Hofmann die Bäckerei betritt, gibt es für sie trotz großer Auswahl an Broten, Kuchen und Gebäck keine Alternative zum glutenfreien Maisbrot. Sie leidet wie rund 800.000 andere Deutsche an Zöliakie. Das Klebereiweiß Gluten, das in Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Gerste oder Roggen und somit in vielen Backwaren und Fertigprodukten enthalten ist, führt bei ihr zu Entzündungen der Dünndarmschleimhaut. „Ich hatte schon als Kind gesundheitliche Probleme, die niemand einordnen konnte, und litt etwa 30 Jahre lang unter starken Verdauungsstörungen“, berichtet die Rentnerin aus der Oberpfalz. Auf eigenen Verdacht hin hat Frau Hofmann bereits vor Jahren den Verzehr von Lebensmitteln wie Nudeln, Mischbrot und Gebäck reduziert – mit mäßigem Erfolg: „Ich war sehr schlapp, müde und unkonzentriert. Wandern war gar nicht mehr und Treppensteigen nur mit größter Mühe möglich. Bei einem Bluttest wurde eine ausgeprägte Blutarmut festgestellt, sodass ich in der Notaufnahme behandelt werden musste.“ Nach der Akutversorgung durch die Notfallmediziner des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) bestätigten ein Bluttest und eine Dünndarmbiopsie in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR den Verdacht von Birgit Hofmann: Sie leidet an Zöliakie – glutenhaltige Lebensmittel machen sie krank.

„Die Zöliakie muss ernst genommen werden“, weiß Sophie Schlosser, Funktionsoberärztin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR und behandelnde Ärztin von Birgit Hofmann. Sie erläutert: „Bei Zöliakie-Patienten hat die Entzündung der Dünndarmschleimhaut gravierende Folgen: Die Schleimhaut verkümmert, Nährstoffe werden nicht mehr richtig aufgenommen, es droht eine Unterversorgung mit Vitaminen und Spurenelementen.“ Neben Verdauungsstörungen können diese Patienten deshalb unter unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Untergewicht leiden. Auch Osteoporose kann auftreten. Viele Patienten haben bis zur richtigen Diagnose einen langen Leidensweg hinter sich, denn chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten verursachen ähnliche Beschwerden. „Für die Therapie der Zöliakie ist es entscheidend, die Weizenallergie und Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität von der Zöliakie abzugrenzen. In der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR können wir diese Erkrankungen rasch innerhalb weniger Tage mit Atemtests, Bluttests sowie einer Magen- und Darmspiegelung ausschließen“, so Sophie Schlosser.

Die einzige Therapie-Option für Zöliakie-Patienten ist eine lebenslange, strenge Diät, in der sie komplett auf Gluten verzichten. Erlaubt hingegen sind Kartoffeln, Reis, Mais und die südamerikanische Getreidesorte Quinoa. Diätfehler können bereits nach wenigen Stunden in Durchfall und Bauchschmerzen enden, wie auch Birgit Hofmann immer wieder erlebt hat: „Da ich schon lange das Gefühl hatte, dass mir Getreideprodukte nicht bekommen, habe ich bereits vor der Diagnose auf vieles verzichtet. Ein Stück Kuchen ab und an habe ich mir aber schon genehmigt.“ Ein Fehler, wie sie heute weiß: Zöliakie-Patienten tolerieren weniger als zehn Milligramm Gluten pro Tag. Das entspricht ungefähr zehn Brotbröseln oder dem Drittel eines Croutons. Alles, was darüber hinausgeht, kann Beschwerden verursachen.

Birgit Hofmann wurde zunächst mit Eisenpräparaten versorgt. Die Diätassistenten und Ökotrophologen im Zentrum für Ernährungs- und Diabetesberatung des UKR haben gemeinsam mit Frau Hofmann eine Diät entwickelt, mit der sie sich auch ohne Gluten vollwertig ernähren kann. Für die Rentnerin bedeutet das Maisbrot statt Mischbrot am Abend und glutenfreien Kuchen am Nachmittag. „Ich backe viel selbst, das schmeckt mir auch besser als die glutenfreien Produkte, die es zu kaufen gibt. Normalen Kuchen vermisse ich aber schon. Doch die Beschwerden sind weg, ich kann wieder Radfahren und Wandern. Der Verzicht lohnt sich für mich“, zieht Birgit Hofmann nach einigen Monaten Diät Zwischenbilanz. „Frau Hofmann ist ein großes Vorbild: Sie hat es geschafft, ihre Zöliakie und die Diät so in den Alltag zu integrieren, dass sie beschwerdefrei leben kann. Ihre Blutwerte, die wir vierteljährlich überprüfen, sind mittlerweile absolut unauffällig. Es freut uns zu sehen, dass sie ihren Alltag wieder aktiv gestalten kann“, berichtet Professor Dr. Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR.

Entgegen des allgemeinen Eindrucks, ist die Glutenunverträglichkeit keine Modeerscheinung oder gar Trenderkrankung. Die Beschreibung der früher auch „Sprue“ genannten Krankheit reicht weit zurück bis ins 19. Jahrhundert. „Ob jemand an Zöliakie erkrankt, hängt stark von der genetischen Vorbelastung ab. Die Erkrankung tritt auch in Verbindung mit Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis, Autoimmunerkrankungen oder Schuppenflechte auf. Aktuell sind keine Maßnahmen bekannt, die der Zöliakie vorbeugen können“, erklärt Sophie Schlosser. Auf die mit Glutenunverträglichkeit verbundenen Herausforderungen im Alltag macht die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. (DZG) am 19. Mai eine breite Öffentlichkeit mit dem Welt-Zöliakie-Tage aufmerksam.

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