„Das Auge isst mit“
Regensburger Psychologen untersuchen kognitive Einflüsse auf die Wechselwirkung von Farbe und Geschmack

14.03.2018 | Stand 25.07.2023, 0:10 Uhr
−Foto: n/a

„Das Auge isst mit“, das ist ein bekanntes Schlagwort. In der Tat lässt sich der Einfluss von visuellen Faktoren, wie zum Beispiel der Farbe, auf das Geschmackserleben in vielen Studien nachweisen. Nicht ganz so klar ist der Mechanismus, über den die Farbe Einfluss nimmt.

REGENSBURG Werden Farbe und Geschmack auf einer frühen Stufe der Verarbeitung zu einem multisensorischen Gesamtperzept integriert? Oder sind es höhere, kognitive Prozesse, wie zum Beispieldie erlernte Assoziation der Farbe mit einem bestimmten Geschmack, die zunächst unsere Erwartung an ein Lebensmittel und das erlebte Aroma desselben beeinflussen? In einer Studie, die im Fachmagazin i-Perception (im Sonderheft „Seeing Colors“) erschienen ist, sind Regensburger Wahrnehmungspsychologen um PD Dr. Tina Plank, am Lehrstuhl für Psychologie der Universität Regensburg und Prof. Dr. Mark W. Greenlee, Lehrstuhl für Psychologie der Universität Regensburg, diesen Prozessen auf den Grund gegangen.

Die Forscher gingen nach dem Vorbild eines früheren Experimentes von Stevenson & Oaten (2008) [Perception & Psychophysics, 70, 640-646] vor, die den Einfluss kognitiver Faktoren auf die Wechselwirkung zwischen Farben und Gerüchen untersucht hatten. In jedem Durchgang sollten Probanden aus drei Gläsern dasjenige auswählen, das jeweils eine Flüssigkeit mit einem Aroma enthielt, das sich von den anderen beiden unterschied. Gleichzeitig konnten die Flüssigkeiten kongruent zum enthaltenen Aroma eingefärbt sein (zum beispiel rot bei Unterscheidung zwischen Erdbeer- und Kirscharoma), inkongruent eingefärbt sein (in diesem Fall gelb) oder farblos präsentiert werden. Zusätzlich beeinflussten die Forscher die Kapazität an höheren kognitiven Prozessen, die den Probanden zur Erwartungsbildung zur Verfügung stand: Die Hälfte der Teilnehmer sollte während der Entscheidungsphase eine artikulatorische Suppressionsaufgabe (articulatory suppression task, AST) durchführen, die darin bestand, ständig das Wort „das“ laut zu wiederholen. Die Aufgabe sollte verhindern, dass inneres Verbalisieren der aufgrund der Farbe erwarteten Geschmacksrichtung stattfindet.

Der Gedanke dahinter ist folgender: Aufgrund des Sehens der Farbe der Flüssigkeiten bildet sich eine Erwartung an deren Geschmack aus, zum Beispiel bei der Farbe Rot die Erwartung von Erdbeergeschmack oder bei der Farbe Gelb die Erwartung von Zitronengeschmack. Die Gruppe der Probanden, die die AST nicht durchführt, kann diese Erwartung innerlich ungehindert verbalisieren (zum Beispüiel „Erdbeere“), so dass die Erwartung bei der tatsächlichen Geschmacksunterscheidung unmittelbar präsent ist und Einfluss auf das wahrgenommene Aroma nimmt – so wird die Identifikation von Aromen bei deren inkongruenter Färbung in der Regel schwerer, wie Studien zeigen. Wird jedoch das innerliche Verbalisieren durch das Ausführen der AST unterbunden, sollte die gebildete Erwartung weniger stark in die Geschmacksunterscheidung eingreifen, da sie sich zuvor nicht ausreichend konkretisieren konnte. Diese Hypothese konnten die Regensburger Forscher bestätigen: die Gruppe der Probanden, die die AST durchführte, traf ihre Entscheidungen durchschnittlich schneller und machte weniger Fehler. Die Ergebnisse sprechen für eine Rolle höherer, kognitiver Prozesse bei der Geschmacksdiskrimination. Die Ergebnisse sind für die Lebensmittelindustrie wichtig, da sie darauf hinweisen, dass und auf welche Weise Farben von Nahrungsmitteln die Wahrnehmung von Aroma beeinflussen können.

Regensburg