„Frühe Hilfen sind die wirksamsten“
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich informiert sich über Caritas-Frühförderung

26.06.2018 | Stand 04.08.2023, 10:14 Uhr
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Es gab große Einigkeit, viel Lob, aber auch drängende Probleme, als  Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich gemeinsam mit den Bezirksräten Cornelia Wasner-Sommer und Josef Heisl kürzlich den Caritas-Frühförderungsdienst (CFD) in Passau besuchte.

PASSAU Einig war man sich, dass sich Investitionen in die Entwicklung von Kindern, vor allem in einem sehr frühen Stadium, gesamtgesellschaftlich bezahlt machen. 

„Frühe Hilfen sind die wirksamsten“ um, wie Gerhard Krinninger, der Leiter des CFD, und Brigitte Lengdobler, Abteilungsleiterin Behindertenhilfe/Psychiatrie beim Caritasverband für die Diözese Passau e. V. betonten, „die Entwicklungschancen zu verbessern, soziale Teilhabe zu unterstützen und Eltern in der Erziehung zu stärken“.

Der CFD ist dabei  in  vielen verschiedenen Feldern im Einsatz. Er bietet interdisziplinäre Frühförderung an, wobei er die Therapeuten selbst anstellt, anstatt nur Kooperationsverträge zu schließen. „Das sorgt für ein hohes fachliches Knowhow im Haus“, so CFD-Leiter Gerhard Krinninger. Daneben unterstützt man über den Pädagogisch-Psychologischen Dienst (PPD) alle 110 Kindertagesstätten und -gärten und unterhält Beratungsangebote wie „Die wichtigen Jahre 0-3“. Die Nachfrage ist so groß, dass mittlerweile 54 Angestellte, darunter 33 in Vollzeit, für den CFD arbeiten und mit weiteren 30 Praxen kooperiert wird.

„Das ist organisatorisch kaum mehr zu bewältigen und wir müssen künftig eher begrenzen“, bedauert Krinninger, da es an sich ja erfreulich sei, wenn das Angebot so geschätzt werde. Derzeit werden in der Hauptstelle Passau, in den drei Außenstellen in Vilshofen, Hauzenberg und Ruhstorf sowie mobil in Familien und Kindergärten 752 Kinder betreut. Insgesamt waren es im Jahr 2017 980 Kinder in Stadt und Landkreis Passau, wobei 210 von ihnen aus der Stadt Passau kamen. Damit ist diese Einrichtung des Diözesan-Caritasverbandes die größte Frühförderstelle in ganz Niederbayern. Einmalig in ganz Bayern ist die Kooperation mit der Schwangerenberatung. Durch die moderne Technik in der Pränataldiagnostik würden mittlerweile 93 Prozent der Kinder mit Trisomie 21 nicht mehr geboren. „Wir wollen die Eltern vor allem umfassend informieren und ihnen unsere Hilfestellung aufzeigen“, so Krinninger. 

Der Bezirkstagspräsident lobte das vielfältige Angebot in Passau und freute sich, dass die Verantwortlichen die gute Zusammenarbeit mit der Sozialverwaltung des Bezirks Niederbayern so ausdrücklich hervorhoben. „Es läuft vorbildlich, vor allem, wenn man es mit anderen Bezirken vergleicht“, so Krinninger. Das umfasse die schnelle Bearbeitung von Anträgen und unkomplizierte Absprachen sowie ein hohes Maß an Datenschutz, da nur die Angaben eingefordert werden, die wirklich nötig sind.

Doch auch darüber hinaus erhofft sich der CFD bei einigen aktuellen Problemen die Unterstützung des Bezirks, wie die Verantwortlichen betonten. Zum einen, wenn es um die Mangelversorgung mit Logopäden und Heilpädagogen gehe. „Wir bekommen einfach kein Personal mehr – auch, weil es in Niederbayern keine Ausbildungsstätten für diese Berufsgruppen gibt“, so der CFD-Leiter. 50 Kinder, die eigentlich einen gesetzlichen Anspruch auf diese Förderung hätten, stehen derzeit auf der Warteliste für Logopädie.

„Aber sie können nicht warten, weil die Ausbildung der Sprache mit vier Jahren weitgehend abgeschlossen ist.“ Sein Vorschlag lautete deshalb, ob nicht der Bezirk selbst die Trägerschaft für solche Ausbildungsstätten übernehmen könnte. Heinrich will sich nun näher über die anderen Fachakademien in Bayern, ihre Trägerschaft und Finanzierung informieren und ein mögliches Engagement prüfen lassen. Er betonte, dass er sich eine private Schulgründung im Raum Passau gut vorstellen könne: „Da gibt es sehr gute und erfolgreiche Vorbilder“, so Heinrich. 

Die zweite „große Bitte“ bezog sich auf das Bundesteilhabegesetz, das nun schrittweise umgesetzt wird und bei deren Planungen im Vorfeld auch der Bezirk Niederbayern am Tisch sitzt. Ab 2023 werden die Kriterien neu festgelegt, die darüber bestimmen, welche Menschen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben. „Das Problem ist, dass diese Einteilungen nicht auf Kinder übertragbar sind, da sich viele Teilhabeeinschränkungen aufgrund ihrer Entwicklung noch nicht zeigen, sondern erst daraus erwachsen – etwa die Beeinträchtigung, nicht am staatsbürgerlichen Leben teilhaben zu können.“ Dies dürfe keinesfalls dazu führen, dass betroffene Kinder zu wenig Hilfeleistungen erhalten, nur, weil sich ihr Problem noch nicht exakt kategorisieren lässt.

Zuletzt sprach Gerhard Krinninger eine Finanzierungslücke an, die dem Verband Sorge bereitet. Denn abgerechnet wird nach individuellem Leistungsanspruch, die „Vernetzungspauschale“ sei hingegen sehr gering. Das heißt in der Praxis, dass der CFD gerade für die so wichtige Vernetzung und fachliche Kooperation zwischen Therapeuten, Ärzten, Erziehern, Heilpädagogen kaum finanzielle Mittel zur Verfügung hat. „Im Grunde machen wir diesen Bereich ehrenamtlich, haben aber ohnehin Personalengpässe. Und für das einzelne Kind wäre das enorm wichtig.“ Olaf Heinrich kennt diese Nöte auch von anderen Einrichtungen. „Alle Kostenträger jedoch an einen Tisch zu bekommen und einen Konsens zu finden, ist eine echte Herausforderung“. Denn die Ausgaben in diesem Bereich steigen ohnehin kontinuierlich an. „Es gibt jedoch den großen politischen Willen, dieser Verantwortung nachzukommen – vor allem, weil alle Beteiligten wissen, dass es unsere Gesellschaft langfristig viel mehr kosten wird, wenn wir das jetzt nicht tun“, lautete sein optimistischer Schluss am Ende des Gesprächs, für das sich die örtlichen Caritas-Vertreter sehr herzlich bedankten.

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