Reha-Coaching-Car
Reha am Lenkrad

13.03.2018 | Stand 24.07.2023, 14:36 Uhr
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Schauflinger Rehazentrum setzt nach OPs, Unfällen und Schlaganfällen auf modernste Technik für den Schritt zurück in ein selbstständiges Leben – Eines von acht Coaching-Cars in Deutschland übergeben.

SCHAUFLING Kann ich wieder Auto fahren? Diese Frage brennt vielen unter den Nägeln, die in der Asklepios Klinik nach Unfällen, Eingriffen wie einer Hüft-OP oder einem Schlaganfall und neurologischen Erkrankungen ihre Reha oder Anschlussheilbehandlung machen. Ein eigens entwickeltes Reha-Coaching-Car hilft Patienten künftig in dem Rehazentrum im niederbayerischen Schaufling, ihre Fahrtauglichkeit zu testen, zu trainieren - und wieder fit für den Straßenverkehr zu werden. Jetzt wurde der BMW samt symbolischem Autoschlüssel im XXL-Format an die Klinik übergeben. Schaufling ist eine von nur acht Kliniken in Deutschland mit einem Coaching-Car und die erste Asklepios Klinik, die dank modernster Technik die „Reha am Lenkrad“ ermöglicht.

Der rote Teppich wird für Promis ausgerollt. Beim Festakt in der Klinik war der weiße BMW 2er Active Tourer in der Abteilung Ergotherapie, in der auch arbeitsplatzbezogene Therapien durchgeführt werden, der Star auf dem Teppich – ohne Motorengeräusch, dafür aber mit einem großen Bildschirm auf der Motorhaube und mindestens genauso viel Hightech im Inneren wie seine Kollegen draußen auf der Straße. Im Reha-Coaching-Car steckt viel Entwicklungsarbeit: Das BMW GroupWerk in Dingolfing, die BMW-BKK, die IT-Fachleute von Haberl Electronic aus Arnstorf und die Ärzte, Physio- und Ergotherapeuten der Asklepios Klinik Schaufling arbeiteten Hand in Hand, um den BMW zum Reha-Coaching Car zu machen, das zum Beispiel Brems- und Reaktionszeit misst oder Verkehrssituationen simuliert. „Das Coaching-Car bringt einen hohen Mehrwert, für unsere Patienten und für die Rehaarbeit“, verdeutlichte Klinik-Geschäftsführer Daniel Weiß, der sich bei allen Partnern für das Miteinander bedankte und die Ehrengäste aus Wirtschaft, Medizin und Politik begrüßte.

„Der Wunsch nach einem eigenständigen Leben steht bei vielen Menschen an erster Stelle“, betonte Dr. Helge Matrisch, der ärztliche Direktor der Asklepios Klinik. Sie wollen nach der Reha wieder am Alltag teilhaben, soziale Kontakte pflegen, den Schritt zurück ins Berufsleben schaffen. Mobilität ist oft der Schlüssel dazu – und das Reha-Coaching-Car mit seiner einzigartigen Technik ein wertvolles Instrument für eine frühzeitige Diagnostik und Therapie im Bereich Mobilität, die so schon im Rahmen einer Rehabilitationsbehandlung beginnen kann. Neurologische und orthopädische Erkrankungen können die Fähigkeit zum Autofahren gewaltig beeinträchtigen. „Viele wollen das aber nicht wahrhaben, sie überschätzen sich und würden sich am liebsten gleich ans Steuer setzen“, stellt Dr. Helge Matrisch immer wieder fest. Das Coaching-Car könne nicht eine behördliche Prüfung der Fahrtauglichkeit ersetzen, sei aber eine ideale Ergänzung in der Diagnostik und Therapie und somit ein guter Weg, um erste wichtige Aspekte der Fahrtauglichkeit zu beurteilen oder auch den Patienten ganz praktisch zu helfen, Leistungseinschränkungen zu kompensieren.

„Mit dem Auto können unsere Rehabilitanden praxisnah üben und Fertigkeiten trainieren, die im Trockenlauf nicht möglich sind“, erklärte Hubertus Winkler, Chefarzt der Orthopädie. Schon vermeintlich Alltägliches wie das Ein- und Aussteigen ins Auto oder das Beladen des Kofferraums sei für Menschen mit einem Handicap oft keine leichte Aufgabe. „Wir haben aber auch Patienten, die sechs Tage nach einer Hüft-OP mit dem Auto anreisen und nicht wissen, dass man erst nach sechs Wochen wieder signifikant die Fähigkeit hat, um voll zu bremsen“, machte Hubertus Winkler klar. Wer sich beispielsweise nach einem Kreuzbandriss zu früh ans Steuer setze, müsse vielleicht sogar mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.

Einiges zu schmunzeln gab es, als Winkler berichtete, wie die Abteilung Orthopädie zu ihrem Spezialfahrzeug kam: Er erinnerte an die erste Idee 2013, an die Suche auf Schrottplätzen nach einem „halbierten Auto“, an das „echte“ Coaching-Car, auf das man zufällig im Internet stieß, an die intensive Zusammenarbeit seit 2017 mit allen Partnern, um das Projekt auch in Schaufling gemeinsam zu verwirklichen – und an den schönen Moment vor knapp zwei Wochen, als das Coaching-Car auf dem Hänger an der Klinik ankam. „Als erstes haben wir vor lauter Freude den roten Teppich gekauft, dann festgestellt, dass wir auch eine Wand durchbrechen müssen, um das Auto überhaupt ins Haus zu bekommen“, berichtete Hubertus Winkler. Um das lang ersehnte Spezialfahrzeug durch den Speisesaal an seinen Platz zu rollen und durch Türen und Durchlässe zu rangieren, packten Ärzte, Techniker und BMW-Mitarbeiter mit an.

Die BMW Group stellte der Klinik das Coaching-Car zur Verfügung, in enger Kooperation mit der BMW BKK, die schon lange mit der Asklepios Klinik Schaufling zusammenarbeitet. Drei Dingolfinger Auszubildende bauten den BMW 2er Active Tourer in den letzten Wochen in der hauseigenen Ausbildungswerkstatt zum Reha-Coaching-Car um. Thomas von Grossmann, Vertrieb der BMW Group, lobte die Arbeit der Azubis und verdeutlichte, wie wichtig Mobilität in der Reha ist. „Für die Patienten ist das Autofahren ein echtes Wohlfühlthema und das Coaching-Car ein Motivationsschub, der ihnen helfen kann, schneller gesund zu werden.“ Auch bei BMW ist die Freude über die Zusammenarbeit mit der Asklepios Klinik groß. „Es ist schön, dass wir gemeinsam in die Testphase einsteigen und das Coaching-Car miteinander weiterentwickeln“, verdeutlichte Thomas von Grossmann. „Es freut mich sehr, dass wir auf Basis der guten Zusammenarbeit mit der Asklepios Klinik Schaufling einen Kontakt zu unserem Trägerunternehmen herstellen konnten. Die Auszubildenden haben die Anforderungen an das Coaching Car hervorragend umgesetzt“, betonte Jens Gerhardt, Leiter BMW BKK.

Dass gerade in ländlichen Regionen wie dem Bayerischen Wald das Auto Verkehrsmittel Nummer 1 sei, unterstrich der stellvertretende Deggendorfer Landrat Roman Fischer. „Trotz Rufbus und ÖPNV sind die Leute bei uns auf das Auto angewiesen. Das Coaching-Car ist ideal, um Patienten wieder zu mehr Mobilität zu verhelfen.“ Was das Auto kann und wie hier künftig in der Schauflinger Rehaklinik damit gearbeitet werden soll, zeigten Ergotherapeutin Sabine Bühler und weitere Mitarbeiter den Besuchern, die auch selbst gerne zum Praxistest ins Coaching-Car stiegen.

Deggendorf