Pilotprojekt
Deutschlandweit einmalige Forschung zu Corona-Viren im Abwasser des Berchtesgadener Landes

04.12.2020 | Stand 20.07.2023, 23:08 Uhr
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Die Technische Universität München, der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowie die Kommunen und der Landkreis Berchtesgadener Land arbeiten gemeinsam in einem bislang einmaligen Forschungsprojekt, um einen möglichen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Pandemie zu leisten.

Landkreis Berchtesgadener Land. Durch die Analyse von Corona-Viren im Abwasser soll ein Frühwarnsystem zum Schutz der Bevölkerung entwickelt werden. Insgesamt werden Proben an zehn Messstellen im Landkreis ausgewertet.

Weltweit wird nach neuen Methoden gesucht, um neben dem Testen von Einzelpersonen auf das Corona-Virus, auch weitere Indikatoren und Anhaltspunkte zu finden, ein Ausbruchsgeschehen schnell und verlässlich zu identifizieren. Denn viele infizierte Personen entwickeln glücklicherweise zwar wenig oder kaum Symptome, können das Virus jedoch – oftmals unbemerkt - an Risikogruppen weitergeben.

Um die Infektionsketten bereits frühzeitig zu durchbrechen, suchen Wissenschaftler - neben dem strukturierten Testen von Risikopatienten, z. B. in Senioren- und Pflegeheimen - geeignete Frühwarnsysteme zum Schutz der Bevölkerung. An einem solchen Frühwarnsystem forscht die TU München in Kooperation mit dem Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe gemeinsam mit Epidemiologen der Bundeswehr nun im Landkreis Berchtesgadener Land. Erstmals in Deutschland werden flächendeckend Abwasserproben analysiert, die durch die Korrelation mit angeschlossenen Einwohnerzahlen sowie positiv bestätigten COVID-19 Fällen Aufschluss über das Infektionsgeschehen vor Ort geben.

Die Kommunen im Berchtesgadener Land, das Landratsamt und die Forscher ziehen hier gemeinsam an einem Strang. Finanziell wird das Projekt durch die Berchtesgadener Landesstiftung unterstützt, die 60 Prozent der anfallenden Kosten für die Probenahmen im Abwassersystem übernimmt, sowie durch das vom Bundesforschungsministerium geförderte Verbundvorhaben Biomarker CoV2.

Landrat Bernhard Kern erläutert Details zur aktuellen Probenahme im Berchtesgadener Land: „Derzeit werden an insgesamt 10 Messstellen zwei Mal wöchentlich die Proben entnommen, sodass zeitnah mit den ersten Trends und Bewertungen zu rechnen ist. Die Entnahmestellen befinden sich an den Zuläufen zu den Kläranlagen in Bad Reichenhall, Bayerisch Gmain, Berchtesgaden, Freilassing, Piding, Saaldorf-Surheim und Teisendorf. Zusätzlich wird an den Zuläufen in Laufen (Abwasserableitung zum Reinhalteverband Salzburg und Umgebung) und in Schönau a. Königssee (Ableitung zur Kläranlage Berchtesgaden) gemessen. Wenn die erste Pilotphase erfolgreich verläuft, sollen weitere Messstellen im Landkreis folgen.“

Dr. Katalyn Roßmann, Oberstveterinär der Bundeswehr, hat das innovative Projekt maßgeblich vorangetrieben und zeigt sich begeistert: „Die Zusammenarbeit mit allen hier im Landkreis und der TUM ist wirklich vorbildlich! Erstmals werden wir flächendeckend ein Frühwarnsystem für das Transmissionsgeschehen in einem Landkreis in Verbindung mit einer strukturierten Teststrategie für Risikopatienten in Heimen für ein umfängliches Lagebild verbinden können und damit eine weitere datenbasierte Voraussetzung für die Implementierung von Maßnahmen schaffen. Dies ist ein entscheidender Schritt für das Vertrauen in ein transparentes, evidenzinformiertes Ausbruchsmanagement - wichtig sowohl für die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung als auch für die Touristen der Region." Im Auftrag der Bundeswehr war Dr. Roßmann bereits weltweit als Public Health-Expertin im Einsatz. In der Corona-Krise unterstützt die Bundeswehr sowohl die Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung, der Sanitätsdienst ist zusätzlich fachlich und methodisch beratend für die Regierung und die lokalen Akteure bei der Pandemiebekämpfung tätig.

Am Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der Technischen Universität München werden die Abwasserproben von Professor Jörg Drewes genau analysiert. „Durch diese annähernd flächendeckende Beprobung eines ganzen Landkreises erfassen wir fast die gesamte Bevölkerung und damit auch die Infizierten und können durch die Bestimmung der viralen RNA der Coronaviren den Verlauf des Infektionsgeschehens unmittelbar abschätzen. Damit sind wir deutlich schneller, als auf die offiziellen Ergebnisse der Testungen zu warten", so Professor Drewes. Trotzdem sind die Corona-Tests von Einzelpersonen, insbesondere der PCR-Test im kommunalen Testzentrum oder bei den Hausärzten, weiterhin absolut wichtig und notwendig. Denn das Abwasser-Monitoring kann das Infektionsgeschehen nur für größere Siedlungsbereiche anzeigen.

Die Marktgemeinde Berchtesgaden hat bereits vor dem landkreisweiten Projekt mit eigenen Abwasserproben begonnen. Bürgermeister Franz Rasp: „Wir messen schon seit Beginn der „zweiten Welle“ in unserer Kläranlage und freuen uns, nun in das Pilotprojekt mit aufgenommen zu werden. Mit der Technischen Universität München und der Bundeswehr haben wir starke Partner an der Seite, da freuen wir uns auf die Zusammenarbeit.“

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