Entwicklungen in der Justiz
Das Richteramt – hoch angesehen und doch oft der Kritik ausgesetzt

12.11.2020 | Stand 13.09.2023, 6:56 Uhr
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Es ist ein Spannungsfeld, in dem Richterinnen und Richter leben – einerseits ist der Beruf hoch angesehen, andererseits werden Urteile, die in Deutschland ja „im Namen des Volkes“ gefällt werden, zerrissen. Heutzutage ist das auch ziemlich einfach, da jeder seine Meinung im Internet einer weltweiten Öffentlichkeit zugänglich machen kann. Darauf reagiert auch die Justiz – und auch auf weitere Geschehnisse in den vergangenen Jahren.

Regensburg. Wer heute in Regensburg ins Justizgebäude will, der muss durch eine Schleuse, wird kontrolliert und muss zu Zeiten der Corona-Pandemie auch noch eine Selbstauskunft ausfüllen. Das alles war früher einfacher, man konnte das Gebäude ohne Kontrollen betreten. Doch am 11. Januar 2012 änderte sich alles – in Dachau hatte ein Angeklagter einen Staatsanwalt erschossen, des Weiteren versuchte er auch den Richter, seine Anwältin und den Protokollführer zu töten. Diese Tat veranlasste den Freistaat dazu, die Gerichte nun verstärkt zu schützen. „Seitdem hat die bayerische Justiz flächendeckend aufgerüstet“, sagt Sibylle Dworazik, Präsidentin des Landgerichtes Regensburg. Nun gebe es Schleusen, bauliche Veränderungen haben stattgefunden, die Wachtmeister werden entsprechend geschult, externes Sicherheitspersonal kommt zum Einsatz – „wichtig für die Gesundheit unserer Mitarbeiter und der Bürger, die zu uns kommen“, so Dworazik.

Weitere Herausforderungen gibt es durch die Corona-Pandemie. Je nach Lage müsse man hier die Maßnahmen anpassen. „Es ist uns wichtig, dass die Öffentlichkeit immer gewahrt wird – auch in den Zeiten der Pandemie“, so Dworazik. Auch, wenn die Zahl der möglichen interessierten Bürgerinnen und Bürger in den Sitzungssälen aktuell eingeschränkt ist, wird alles dafür getan, dass die Zugängigkeit zur Justiz für die Bevölkerung erhalten bleibt.

Für Konfliktsituationen sei man vorbereitet – auch in der Zeit der Pandemie. „Unsere Wachtmeister werden regelmäßig auch in der Anwendung unmittelbarer Gewalt geschult“, so Dworazik. Auch der Bereich der Deeskalation gehöre zu den Schulungsthemen, so sei es dann oft gar nicht nötig, Gewalt einzusetzen. Bis auf einen kleineren Einsatz sei bislang alles mit Gesprächen zu regeln gewesen. Auch das Thema der herrenlosen Taschen beschäftigt die Justiz in Regensburg – im vergangenen Jahr hatte es zwei Fälle gegeben, bei denen Taschen aufgefunden worden sind, die nicht zugeordnet werden konnten. Die eine gehörte letztlich einer Rechtsreferendarin, die andere einer Rechtsanwältin. Um hier schneller fündig zu werden, wem die Tasche gehört, gibt es mittlerweile Bänchen – grüne für Vertreter externer Behörden, Anwälte oder Medienvertreter und rote für allgemeine Besucher, Angeklagte oder auch Zeugen –, die an Taschen festgemacht werden müssen (das Wochenblatt berichtete unter www.wochenblatt.de/artikel/308867).

Viele Bausteine sorgen so für die nötige Sicherheit im Gerichtsgebäude. Ein neues Feld an Unsicherheit hat sich im Internet aufgetan. Hier werden Urteile regelrecht „zerpflückt“, Richterinnen und Richter werden – teils aufs Übelste – beschimpft und beleidigt. Es gibt selten Fälle, in denen sich die Kommentatoren einig sind und das Urteil als gerecht ansehen. „Wir stellen uns der Kritik“, sagt Dworazik. Richterinnen und Richter stünden nicht auf einem Podest, „man darf uns kritisieren“. „Natürlich tut es weh, wenn ein Urteil, für das man sich sehr viel Mühe gegeben hat, komplett zerrissen wird“, schildert die Landgerichtspräsidentin, aber davon dürfe man sich nicht beeinflussen lassen. An einem gefällten Urteil könne man auch nichts ändern, der Fall sei für die Richterin oder den Richter zunächst abgeschlossen. Erst, wenn ein Urteil über den Instanzenzug wieder zurückkommt, dann müsse man sich neu damit befassen. Für diese Distanz sei natürlich ein hohes Maß an Professionalität nötig. Zudem mache jede Richterin, jeder Richter im Laufe der Jahre eine eigene persönliche Entwicklung durch, die dann zu diesem professionellem Umgang führe. „Menschlich werden sicher die Ereignisse, die Bilder, die Opfer – und manchmal auch die Schicksale der Täter – in einem drin bleiben“, aber: Schon im Prozess komme es ein Stück weit zur Verarbeitung des Gesehenen und Gehörten. Auch Dworazik hat solche Fälle, an die sie sich heute noch stärker erinnert als an andere: Für sie sind es Jugendschutzfälle, die sie in ihrer Zeit in einer Jugendschutzkammer zu verhandeln hatte. „Kindesmissbrauch, das steckt man nicht so einfach weg ...!“

Für das Ansehen der Justiz – und auch zur Erklärung der ein oder anderen Vorgehensweise – ist auch an Gerichten die Pressearbeit sehr wichtig geworden. Dworazik setzt hier auf Transparenz, manches müsse man erklären. Oder: Abteilungen, die oft nicht im Fokus stehen, sollen vorgestellt werden, um deutlich zu machen, wie bei Gericht gearbeitet wird. Am Landgericht Regensburg ist dafür Pressesprecher Thomas Polnik zuständig. Hier bestehe der Spagat zwischen der Transparenz für die Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsschutz, so Dworazik. Beidem müsse man gerecht werden, schildert Polnik. Es gebe gewisse Arbeitsroutinen, aber letztlich müsse man jeden Fall einzeln betrachten und entsprechend entscheiden, was an die Öffentlichkeit geht und was nicht. „Und dann brauchen wir Sie“, sagt Dworazik in Bezug auf die Medien. Denn nur in der Zusammenarbeit mit den Medien könne man dann auch die – oft komplizierten − Inhalte aus dem Landgericht in verständlicher Form an den Mann und an die Frau zu bringen. Das Regensburger Wochenblatt stellt sich dieser Aufgabe und ist ist regelmäßig bei Verhandlungen dabei, um zu berichten.

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