Pandemie
Verbraucher-Service Bayern nimmt Anti-Corona-App unter die Lupe

07.04.2020 | Stand 03.08.2023, 12:29 Uhr
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Die Politik diskutiert derzeit über eine Anti-Corona-App. Erste Praxistests dafür sind bereits gelaufen.

Regensburg. Vermittels eines Datenabgleichs soll die App feststellen, ob sich das Smartphone des Nutzers in der Nähe eines Covid-19-Infizierten bzw. in der Nähe dessen Smartphones aufgehalten hat. Eine entsprechende Nachricht bekommt der Nutzer der App dann auf sein Handy übermittelt. Daraufhin soll er notwendige Maßnahmen ergreifen, das Gesundheitsamt kontaktieren, sich also vermutlich testen lassen und in häusliche Isolation begeben. Die Nutzung der App wird den Verbrauchern durch die Aussicht auf eine schnellere Aufhebung des Lockdowns schmackhaft gemacht.

Für den VerbraucherService Bayern kommt eine solche App jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen in Frage:

Datennutzung: Die App darf nur wirklich erforderliche Daten erheben. Die Maxime muss lauten: So viele Daten wie nötig, so wenige wie möglich. Die Nutzer müssen sich anonym anmelden können und die App sollte so programmiert sein, dass man nicht auf die Identität der einzelnen Nutzer schließen kann. Es dürfen auf keinen Fall Bewegungsprofile erstellt werden. Die Nähe zum Smartphone einer Corona positiv getesteten Person darf also nicht durch GPS-Daten ermittelt werden, sondern nur durch eine Bluetooth-Verbindung der Handys.

Datensicherheit: Die Datensicherheit sollte von einer unabhängigen Stelle, zum Beispiel dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, bestätigt werden, bevor die App auf den Markt kommt. Die möglichen Auswirkungen der App sind für den Nutzer so weitreichend, dass weder Fehler- noch Falschmeldungen passieren dürfen. Die App muss höchsten technischen Sicherheitsstandards genügen.

Corona-Tests: Die Testkapazitäten müssen weiter gesteigert werden, damit der App-Nutzer, der sich aufgrund einer Push-Nachricht freiwillig in häusliche Isolation begibt, nicht unverhältnismäßig lange auf einen Test und auf das Testergebnis warten muss oder gar 14 Tage überhaupt nicht getestet wird.

Freiwillige Nutzung: Die Politik spricht von einer freiwilligen Nutzung der App. Aber handelt es sich um echte Freiwilligkeit? Können wir davon ausgehen, dass den Verbraucherinnen und Verbraucher keine indirekten Nachteile wie zum Beispiel in punkto Versicherung oder im Rahmen einer möglichen Behandlung entstehen, wenn sie die App nicht nutzen oder sie nach kurzer Zeit der Nutzung wieder deinstallieren? „Mir scheint es fraglich, ob sich das Kriterium der Freiwilligkeit durchhalten lässt,“ meint Eva Traupe, Volljuristin beim VerbraucherService Bayern. „Sollten sich sehr viele Menschen dazu entscheiden, die App zu nutzen, wird auf die Anderen voraussichtlich sozialer Druck ausgeübt werden, dies auch zu tun. Für den Fall, dass nur wenige Verbraucher die App freiwillig nutzen, könnte es sein, dass sich die Politik – ähnlich wie bereits bei den Ausgangsbeschränkungen – überlegt, fehlende Freiwilligkeit doch noch durch eine Verpflichtung zu ersetzen, um den gewünschten Effekt zu erzielen.“

Keine Weitergabe der Daten: Es muss klar definiert sein, welche Stelle die erhobenen Daten nutzen darf und die Zwecke der Nutzung gilt es klar zu definieren. Eine Weitergabe der Daten an Unternehmen muss ausgeschlossen werden.

Die Speicherung der Daten muss auf die kürzest mögliche Zeit befristet werden. Die Effizienz der Maßnahmen ist regelmäßig zu kontrollieren. Nach Ablauf der Frist ist die verbindliche Löschung der Daten zu garantieren.

Zu guter Letzt: Laut Statista nutzten 2019 57,7 Millionen Menschen ein Smartphone, was aber über 20 Millionen Menschen ohne Smartphone lässt. Nach Abzug von jüngeren Kindern sprechen wir immer noch über einen relevanten Teil der Bevölkerung. Auch in Krisenzeiten sollte nicht vergessen werden, der gesamten Bevölkerung einen adäquaten Lebenszugang zu ermöglichen.

Regensburg