Prozess vor dem Landgericht Regensburg
Rote Vogelmilbe und viel zu viele Hühner im Käfig – Tierleid bei „Bayern-Ei“ wissentlich in Kauf genommen?

06.12.2019 | Stand 13.09.2023, 0:45 Uhr
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Am Donnerstag, 5. Dezember, wurden im Prozess „Bayern-Ei“ eine Sachverständige, zwei Amtstierärzte und zwei Mitarbeiter des Landratsamts Dingolfing-Landau befragt. Der ehemalige Geschäftsführer der Firma „Bayern-Ei“ steht derzeit in Regensburg vor Gericht. Er soll von Salmonellen gewusst, aber trotzdem weiter Eier verkauft haben. In der Folge soll ein Senior in Österreich an einer Salmonellen-Erkrankung durch Eier von „Bayern-Ei“ gestorben sein.

REGENSBURG Eine Sachverständige aus dem Referat Tierschutz des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz war als Zeugin nach Regensburg geladen. Sie war bis 2016 im Referat Tierschutz des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit tätig. Die Prozessbeteiligten ließen sich von ihr über die sogenannte Rote Vogelmilbe, mit der auch „Bayern-Ei“ zu kämpfen hatte, aufklären. Die Expertin stellte zu Beginn klar, dass ihre Aussagen auf dem Analogieschluss beruhen, der besagt, dass Tiere ebenso wie Menschen bei Schmerzen bestimmte Reaktionen zeigen. Anschließend erklärte sie, dass die Rote Vogelmilbe ein temporärer Parasit ist, der in Ritzen, Spalten, Nestern und Ähnlichem lebt, und nachts das Blut der Tiere saugt. Dabei sind die Stiche der Roten Vogelmilbe für die Hennen sehr schmerzhaft und jucken. Da viele Stiche im Nacken, Rücken oder am Hals auftreten, wo sich die Hühner nicht kratzen können, werden die Tiere zunehmend gestresst, unruhig und leiden. Bei einem sehr massiven Befall kann es aufgrund von Blutarmut zu Todesfällen oder Kannibalismus kommen. Außerdem sind dann die Milben auch tagsüber aktiv. Ein Befall sei leicht erkennbar an rötlichen Belegen in Spalten oder Ritzen, so die Sachverständige. Weiß der Tierhalter von einem Befall, so hat er die Pflicht, diesen zumindest zu reduzieren. Das Problem dabei ist, dass eine Bekämpfung nicht ganz einfach ist und zudem viele Tierhalter betroffen sind. Es gibt seit 2017 ein wirkungsvolles chemisches Mittel, zum fraglichen Zeitpunkt für den Fall „Bayern-Ei“ sah die Situation aber noch anders aus. Mit Silikatstaub, der die Milben austrocknet, kann ebenfalls nur schwierig gearbeitet werden – vor allem in Kleintiergruppen – , da der Staub nicht auf die Legehennen selbst gesprüht werden darf. Nur in einem leeren Stall kann man wirkungsvollere Maßnahmen durchführen. In der Ettlinger Farm von „Bayern-Ei“ seien bei einer Kontrolle in einem Käfig für 60 Tiere 133 Tiere gezählt worden, warf Richter Michael Hammer ein – schon bei einer zulässigen Belegung mit 60 Tieren sei es kaum möglich, den Silikatstaub zu verwenden, ohne die Hennen zu beeinträchtigen – die Anwendung von Silikatstaub sei hier völlig unmöglich, erwiderte die Sachverständige. Zudem leiden die Tiere wegen des Überbesatzes extrem, da „essentielle Bedürfnisse der Tiere gestört werden“, gab die Expertin zu Bedenken.

Zur Vogelmilbe und zum Überbesatz bei besagter Kontrolle wurde auch eine Amtstierärztin befragt, die an einem Tag im Mai 2015 circa von 9 bis 20 Uhr durchgehend im Betrieb in Ettling war. Die Ärztin bestätigte, dass bei der Kontrolle ein hochgradiger Befall festzustellen war, da die Milben tagsüber aktiv waren und die Kontrolleure befallen hätten. An den Hennen selbst habe sie zwar nichts sehen können, allerdings sei die Beleuchtung im Stall auch sehr schlecht gewesen. Milbennester habe man auffinden können und nach der Kontrolle habe sie Milben an ihrem Körper, auf ihrem Autositz und in ihrer Handyhülle gehabt. Außerdem sei bei der Kontrolle aufgefallen, dass die Befiederung der Tiere ziemlich schlecht war und einige Tiere sehr blasse Kämme hatten. Die Amtstierärztin sagte aus, dass die Vogelmilbe in dieser Farm in Ettling „schon immer ein Problem“ war und sie darüber mit der Farmleitung und dem Angeklagten mehrmals gesprochen habe. Es sollte daraufhin Silikatstaub aufgetragen werden, dies wurde auch durchgeführt. Doch „während laufendem Betrieb kann man nicht viel machen“, gab die Tierärztin an. Ob und wann es einen Leerstand gab, konnte die Zeugin nicht sagen, sie sei jedenfalls nie in einem leeren Stall gewesen. Bereits am 9. Oktober hatte die Ärztin ähnliche Sachverhalte ausgesagt.

Zum Überbesatz berichtete die Amtstierärztin, dass bei der Kontrolle einige Käfige eng schienen und in Stall 3 daraufhin tatsächlich ein Käfig ausgezählt worden sei – sie sei daran beteiligt gewesen. Dabei wurden 133 Tiere in einem Käfig gezählt, der für 60 Tiere genehmigt worden war. Eine mögliche Erklärung für einen Überbesatz könne dabei sein, dass Hennen immer wieder auskommen und der Einfachheit halber in den nächstgelegenen Käfig zurückgesetzt werden. Dieser Überbesatz schien allerdings schon länger vorhanden zu sein, da die Nestmatten, die eigentlich von den Hennen selbst sehr sauber gehalten werden, sehr verschmutzt aufgefunden wurden. Ein Mitarbeiter des Landratsamts Dingolfing-Landau war bei der Kontrolle ebenfalls anwesend, bestätigte den Überbesatz und ergänzte in seiner Aussage, dass die Auszählung über eine Stunde gedauert habe. Auch seien ein paar der Tiere sehr abgemagert gewesen. Den schlechten Zustand einiger der Tiere bestätigte zudem ein weiterer Amtstierarzt, der ebenfalls am Donnerstag aussagte. Er schilderte zudem das Prozedere beim Schlachten der Tiere.

Am Dienstag, 10. Dezember, wird der Prozess „Bayern-Ei“ laut Plan fortgesetzt.

Regensburg