„Politisch motivierte Gewaltkriminalität“
Ermittlungen abgeschlossen – LKA stuft tödliche Schüsse am OEZ in München als „politisch motivierte Straftat“ ein

25.10.2019 | Stand 03.08.2023, 1:21 Uhr
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Auch mehr als drei Jahre nach der schrecklichen Tat am OEZ in München beschäftigt sich das Bayerische Landeskriminalamt noch immer mit der Bewertung aller Erkenntnisse. Insbesondere die Prüfung einer möglichen Einstufung dieser Tat als „Politisch Motivierte Gewaltkriminalität“ war in den letzten Monaten Schwerpunkt der Untersuchungen.

MÜNCHEN Das bundesweit einheitliche polizeiliche Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität (PMK) ist sehr umfassend. So werden der Politisch motivierten Kriminalität Straftaten unter anderem dann zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer/ihres Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit oder äußeren Erscheinungsbildes, gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht. Für die Erfassung in der PMK-Statistik muss also eine entsprechende Motivlage des Täters weder sicher feststehen, noch muss diese der einzige Beweggrund für die Tat sein.

Bei der Tat von David Ali S. ist von einem Ursachen-/Motivbündel auszugehen. Dies wird auch von allen einbezogenen Expertisen, unter anderem auch durch die drei von der Landeshauptstadt München beauftragten Gutachten und das Gutachten von Frau Prof. Dr. Bannenberg, festgestellt.

Die Frage nach der Motivlage stellte sich zuletzt auch das zuständige Gericht, das über den Waffenhändler, der David Ali S. die Tatwaffe beschaffte, urteilte. Auch die 12. Kammer des Landgerichtes München I ging von einer Vielzahl von tatauslösenden Faktoren aus.

Dabei darf die rechtsradikale und rassistische Gesinnung des Täters nicht vernachlässigt werden. In Zusammenfassung der Erkenntnisse der letzten drei Jahre Ermittlungsarbeit erscheint es gerechtfertigt, von einer politischen Motivation im Sinne des Definitionssystems PMK zu sprechen.

Die Ermittlungen haben ergeben, dass die Rache für das erlittene Mobbing durch Mitschüler mit deutscher, deutsch-türkischer, polnischer, serbischer und bosnisch-herzegowinischer Nationalität nach Bewertung aller Umstände maßgeblich zu der Tat geführt hat. Neben das Rachemotiv treten weitere Faktoren, wie insbesondere die psychische Erkrankung, mangelnde soziale Kontakte, exzessives Spielen von Ego-Shootern, die Identifizierung mit Amoktätern und die rassistische Gesinnung. Insbesondere der Hass des David Ali S. auf die Herkunftsländer seiner Mitschüler kommt dabei zum Ausdruck. Die verschiedenen festgestellten Faktoren stehen untereinander in Wechselwirkung und bedingen sich gegenseitig.

Allerdings gibt es auch Anhaltspunkte, dass David Ali S. seine Opfer auch auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit und Herkunft ausgesucht hat. Auch in seinem Manifest äußerte er seine Ablehnung gegen ausländische Menschen eines Münchner Stadtviertels.

Weitere Anhaltspunkte für seine rechtsextremistische Orientierung zeigen sich in anderen massiven ausländer- und menschenfeindlichen Abwertungen und durch sein Interesse an dem rechtsmotivierten Attentäter Breivik. Die langwierigen Überprüfungen verschiedener Online-Plattformen ergaben weitere Hinweise auf rechtes Gedankengut. Auf diesen Plattformen werden vielfach menschenverachtende Kommentare, teils mit rechtsradikal motivierten rassistischen Elementen abgegeben. David Ali S. war auch Mitglied in derartigen Gruppen dieser Plattformen und gab dort Kommentare ab, die nahezu das gesamte Motivbündel widerspiegeln.

Die Tat wird daher vor dem Hintergrund des Motivationsbündels, welches sowohl Anhaltspunkte für das tatleitende Motiv der Rache als auch einer rechten Orientierung unter anderem enthält, als Politisch motivierte Gewaltkriminalität -rechts- eingestuft und im Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität ausgewiesen. Dementsprechend ist die Tat des David Ali S. vom 22. Juli 2016 nach abschließender Überprüfung durch das Bayerische Landeskriminalamt als politisch motivierte Straftat einzustufen.

Wichtig ist aber auch, festzuhalten, dass im Verlauf aller Untersuchungen, Ermittlungen und Bewertungen keine Hinweise auf weitere Tatbeteiligte oder Anstifter bzw. Mitwisser gefunden werden konnten. Ebenso sind keine Anhaltspunkte auf Netzwerke vorhanden.

Die gewonnenen Erkenntnisse fließen bereits in die Arbeit der Sicherheitsbehörden ein, um unter Ausnutzung aller präventiven und repressiven Maßnahmen derartige Straftaten bestmöglich zu verhindern.

Dazu der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamtes, Robert Heimberger: „Rassistisches Gedankengut muss genauso wie schwere psychische Probleme und Mobbing immer im Fokus der Betrachtung stehen. Die Gewalttat vom 22. Juli 2016 zeigt uns auf tragische Art die grausame Wirklichkeit auf, wenn diese Warnzeichen nicht frühzeitig ganzheitlich erkannt werden.“

Regensburg