Gefiederter Liebesbote
Die Turteltaube ist der Vogel des Jahres 2020

11.10.2019 | Stand 03.08.2023, 1:27 Uhr
−Foto: n/a

Sie ist ein Symbol für die Liebe, ihre Lebensbedingungen sind aber wenig romantisch: Die Turteltaube wurde vom LBV und seinem bundesweiten Partner NABU zum „Vogel des Jahres 2020“ gewählt. Damit wollen die Verbände darauf aufmerksam machen, dass die Turteltaube stark gefährdet ist.

BAYERN Auf die Feldlerche, Vogel des Jahres 2019, folgt damit ein weiterer Vogel der Agrarlandschaft. Als Zugvogel steht die Turteltaube auch für alle Arten, die durch illegale und legale Vogeljagd bedroht sind. Sie ist außerdem der erste Vogel des Jahres, der auch als global gefährdete Art auf der weltweiten Roten Liste steht – auf einer Stufe mit dem stolzen Kaiseradler oder dem prächtigen großen Hyazinth-Ara.

„Seit 1980 haben wir fast 90 Prozent dieser Art verloren, ganze Landstriche sind turteltaubenfrei“, so Heinz Kowalski, NABU-Präsidumsmitglied. „Unsere kleinste Taube findet kaum noch geeignete Lebensräume. Zudem ist sie durch die legale und illegale Jagd im Mittelmeerraum bedroht.“

„Früher hat man das markante Gurren der Turteltaube an jedem Dorfrand oder Flussufer gehört“, sagt Dr. Norbert Schäffer, LBV-Vorsitzender. „Wildkräutersamen an Feldwegen und Feldfrüchte aus Zwischensaaten boten ausreichend Nahrung. Heute brüten Turteltauben häufig auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in Weinbauregionen, wo sie noch geeignete Lebensbedingungen vorfinden.“

Die Turteltaube ist der erste von LBV und NABU gekürte Vogel, der als global gefährdete Art auf der weltweiten Roten Liste steht. Heute brüten in Deutschland nur noch 12.500 bis 22.000 Paare. Der bayerische Bestand wird auf nur noch 1.000 Brutpaare geschätzt. Im Freistaat kann die Turteltaube vor allem noch in Unterfranken und im Norden Niederbayerns beobachtet werden. Die meisten der höchstens 5,9 Millionen Turteltauben-Paare Europas leben in Spanien, Frankreich, Italien und Rumänien. Turteltauben sind die einzigen Langstreckenzieher unter den Taubenarten Mitteleuropas. Sie verlassen zwischen Ende Juli und Anfang Oktober Europa, um südlich der Sahara zu überwintern.

Die Intensivierung der Landwirtschaft verschlechtert die Lebensbedingungen der Turteltauben enorm – ein Schicksal, das sie mit vielen anderen Jahresvögeln teilt. Die Ausweitung von Anbauflächen geht mit einem Verlust von Brachen, Ackersäumen, Feldgehölzen und Kleingewässern einher. Damit verschwinden Nistplätze sowie Nahrungs- und Trinkstellen. Viele Äcker werden außerdem mit Herbiziden von „Unkraut“ befreit. Doch von genau diesen Ackerwildkräutern ernährt sich die Turteltaube. Außerdem vergiftet chemisch behandeltes Saatgut die Tauben.

Die 25 bis 28 Zentimeter großen Vögel mit ihrem farbenfrohen Gefieder ernähren sich fast ausschließlich vegan. Sie bevorzugen Wildkräuter- und Baumsamen. Dem Jahresvogel schmecken Samen von Klee, Vogelwicke, Erdrauch, und Leimkraut. Diese als „Unkraut geltenden Pflanzen wollen Landwirte jedoch nicht auf ihren Feldern haben. Darum hat sich die Taube seit den 60er Jahren angepasst und ihre Nahrung umgestellt. Der Anteil von landwirtschaftlichen Sämereien macht nun in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets mehr als die Hälfte ihrer Nahrung aus, statt wie früher nur 20 Prozent.

Eine zusätzliche Bedrohung ist die Vogeljagd im Mittelmeerraum. „Wissenschaftler konnten nachweisen, dass der Bestand der Turteltaube es nicht mehr verkraftet, wenn jährlich mehr als 1,4 Millionen Vögel in der EU legal geschossenen werden. Besonders skandalös: In manchen Ländern gilt das Schießen der stark gefährdeten Turteltauben als ,Sport‘ zum eigenen Vergnügen“, so Christiane Geidel, LBV-Artenschutzreferentin. Gegen Spanien und Frankreich wurden im Juli bereits Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission wegen des schlechten Erhaltungszustands der Art eingeleitet. Gegen vier weitere EU-Länder liegen offizielle Beschwerden vor. Dies ist notwendig, obwohl auf einem Treffen aller Mitgliedsstaaten im Mai 2018 ein Aktionsplan zum Schutz der Europäischen Turteltaube verabschiedet wurde.

Um den gefiederten Liebesboten zu schützen, fordern LBV und NABU Bundesumweltministerin Svenja Schulze mit einer Petition (www.vogeldesjahres.de/petition) auf, sich neben einer verbesserten Landwirtschaftspolitik auch für das dauerhafte Aussetzen der Abschussgenehmigungen in den EU-Mitgliedsstaaten einzusetzen.

Weitere Infos unter www.lbv.de.

Regensburg