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Das Brauchtum feiert eine Renaissance – ein Regensburger erklärt im Fernsehen, warum

21.04.2019 | Stand 13.09.2023, 0:32 Uhr
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Brauchtumsexperte Hubertus Berger führt derzeit ein TV-Team durch Bayern. Was es mit dem Kathreintanz, der „Blutigen Lutz“ und dem Wünscheltutengehen auf sich hat.

REGENSBURG Wenn Hubertus Berger davon erzählt, warum man in Bayern Salz in einen Stall streut, leuchten seine Augen: „Man vertrieb damit die bösen Geister“, sagt Berger. „Dass man damit gleichzeitig desinfiziert, war der positive Nebeneffekt.“ Das zeige aber auch, „dass für unsere Vorfahren in Bayern alles einen Sinn hatte. Die Menschen lebten im Kreislauf und im Einklang mit der Natur – und ihren Mythen.“

Hubertus Berger ist ein Mensch, der Moderne und bayerisches Brauchtum vereint. Hauptberuflich ist er als Coach für Unternehmen tätig. Doch seine Leidenschaft gehört dem Brauchtum und den Geschichten, die einst von Generation zu Generation vermittelt wurden. Derzeit durchwandert Berger zusammen mit einem TV-Produktionsteam ganz Bayern, um diese Geschichten zu erzählen. Der Brauchtumshistoriker sagt: „Es gibt derzeit eine Renaissance hin zu den alten Werten. Die Menschen haben das Bedürfnis, mehr zu erfahren darüber, wie ihre Vorfahren tickten.“

Es ist der Jahreslauf, der das Leben der alten Bayern prägte. Kaum mehr jemand weiß, dass man sich am Lichtmesstag als Dienstmagd oder Knecht nach einem neuen Bauernhof umschauen konnte. Der Lichtmeßtag ist jener, an dem sich „Winter und Sommer begegnen“, wie es einst hieß. Und der Kathreinentag, der letzte Sonntag vor dem 25. November, hatte auch eine Bedeutung: „Sankt Kathrein stellt den Tanz ein“, sagt Berger voller Innbrunst. Danach begann der Advent und die Fastenzeit. Mancher kennt sie noch, die „Lostage“ oder auch „Lurtage“, die im Bauernjahr und im Volksglauben das Wetter der kommenden Monate vorwegnehmen sollen: Siebenschläfer ist vielleicht der Berühmteste von ihnen.

„In diesen christlichen Feiertagen verbergen sich oft Bräuche, die noch aus keltischer Zeit kommen“, sagt Berger. Er selbst stammt aus einer Familie, die stets mit der Natur zu tun hatte: „Ich stamme aus einem Forsthaus.“ Auch das Wünschelrutengehen ist etwas, was Berger praktiziert. „Früher war diese Tätigkeit überlebenswichtig, weil man vor 200 Jahren darauf angewiesen war, dass der Wünschelrutengeher eine Wasserader findet. Dort wurden dann Brunnen gebaut.“ Berger sagt, man spüre einen Zug der Wünschelrute Richtung Erde. „Wer dabei meinen Arm hält, spürt sofort, dass das nicht meine eigene Muskelkraft ist, die dort wirkt.“

So vielfältig Bayern ist, so unterschiedlich sind auch die Bräuche. In den Alpenregionen etwa hat man mit den „Goaßlschnalzern“, die durch die Straßen ziehen, eine Tradition, die ebenfalls böse Geister vertreiben soll.

Das Christentum insbesondere verkehrte viele heidnische Bräuche und Traditionen in ein positives Bild: Aus der „Blutigen Lutz“, einer Rauhnachtsgöttin, wurde die heilige Luzia, deren Gedenktag am 13. Dezember begangen wird. „Viele Menschen wissen nicht mehr, warum man die Räume eines Hauses mit Weihrauch ausräuchert“, sagt Berger. Natürlich diente auch das dazu, das Böse zu vertreiben.

Spielt all dies heute noch eine Rolle?

Aber spielt all das in unserer heutigen, technisierten Zeit überhaupt noch eine Rolle? „Früher hatten die Menschen keinen Zucker. Man süßte mit Honig.“ Dass Honig auch eine Wirkung hat, die angeblich antibakteriell sein soll. Auch die Verwendung von Kräutern und Korn wie etwa dem Amaranth, aber auch Kümmel und Beifuß sind wieder in den Fokus des Interesses gerückt.

Doch auch eine für ihn bedenkliche Entwicklung beschreibt Berger: „Mir ist wichtig, das wirkliche Brauchtum vom Mainstream zu trennen“, so der Brauchtumsforscher. So sind die Perchten etwa, die man mittlerweile in ganz Bayern kennt, eigentlich etwas, was nur im alpenländischen Raum auftauchte.

13 von 30 Drehtagen sind bereits absolviert, mehrere TV-Sender haben bereits ihr Interesse bekundet. Doch Berger ist vertraglich gebunden, darf die Sender noch nicht nennen. Bis in den Herbst hinein wird man drehen, denn neben den Regionen, die bereist werden sollen, ist auch der Jahreslauf wichtig. „Die Menschen lebten früher mit dem Jahreslauf und all den Mythen, die sie begleiten“, sagt Berger. „Ich will zeigen, warum.“

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