„Kind mal zuhause lassen“
Akuter Notstand im Kindergarten – Leitung schreibt Brandbrief an die Eltern!

19.04.2019 | Stand 13.09.2023, 0:31 Uhr
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Die Kindergartenleitung von St. Bonifaz schreibt einen Brandbrief an die Eltern. Der akute Personalmangel führt zu Engpässen.

REGENSBURG Es ist durchaus ein Brandbrief, den die Kindergartenleitung von St. Bonifaz in Regensburg formuliert hat. Er ging an alle Eltern vor den Osterferien. Und die sind nun alarmiert. „Liebe Eltern“, steht in dem Brief, „mit diesem Schreiben möchten wir sie über die momentane Personalsituation und die daraus folgenden Konsequenzen informieren!“

Dann schildert die Kindergartenleitung, dass der Fachkräftemangel voll in St. Bonifaz im Regensburger Stadtwesten durchgeschlagen hat. Drei Vollzeitstellen seien unbesetzt, eine Mitarbeiterin fiele nun noch mehrere Wochen aus. „Das fordert von der verbleibenden Belegschaft ein hohes Maß an Flexibilität, bringt unweigerlich Mehrarbeit und daraus resultierend Überlastungen für Jeden mit sich“, heißt es.

Dann folgt eine Streichliste: Geplante Aktionen wie die Waldwoche, die Teddyklinik und der Lauftreff könnten nicht stattfinden. Zudem könnten Kinder auch in anderen Gruppen untergebracht werden, wenn die Mitarbeiter ihre gesetzlichen Pausen nehmen müssten. Zudem sollen die Eltern laut Kindergartenleitung sich selbst disziplinieren: „Bitte unterstützen sie uns, indem sie sich mehr als sonst an unsere Regeln halten! Holen sie ihre Kinder pünktlich ab und verweilen sie danach nicht mehr im Kindergarten. Wir verlieren hier den Überblick“, so der Brandbrief. Die Eltern, die ihre Kinder in St. Bonifaz untergebracht haben, sind vor allem wegen dieses Satzes alarmiert: „Es kann durchaus sein, dass wir sie bitten müssen, ihr Kind auch einmal zuhause zu lassen oder früher abzuholen, falls durch Krankheit oder dergleichen noch mehr Kräfte ausfallen!“

Der Brandbrief beschäftigt nun auch Pfarrer Martin Stempfhuber. Er ist Vorsitzender des Kirchenverwaltungsrats. „Am 2. Mai werden wir uns in einer Sitzung mit dem Brief befassen“, sagt der Geistliche zu dieser Zeitung. Dem wolle er nicht vorgreifen. Stempfhuber will sich nur allgemein zur Situation äußern: „Wir sind bereits mit der Arbeitsagentur in Kontakt getreten und haben auch in Sozialakademien vorgesprochen, damit wir Mitarbeiter anwerben können“, so der Pfarrer. Doch generell sei die Situation extrem angespannt. „Das hat auch damit zu tun, dass der Staat vor ein paar Jahren die Zusage getätigt hat, dass jedes Kind einen Krippenplatz bekommt. Wie das aber bewerkstelligt werden soll, das hat er den Trägern überlassen“, so der Pfarrer. Deshalb habe man auch viel zu wenige Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet. Das mitunter rigide Arbeitsrecht der Kirche – keine wiederverheirateten Geschiedenen und keine gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – sieht der Pfarrer weniger als Problem. Im Gespräch sagt er sogar, man werbe um „männlich, weiblich und d“ – damit ist divers gemeint. Doch bislang eben noch mit wenig Erfolg.

Dabei geht es den kirchlichen Kindergärten derzeit genauso wie vielen Gemeinden, die ihren Kindergarten im Landkreis in Eigenregie betreiben. Denn die Stadt Regensburg hat angesichts des Personalmangels Prämien eingeführt. Sogar günstiger Wohnraum wurde organisiert, um überhaupt Auszubildende zu bekommen: Im Michelstift hat die Stadt Regensburg Wohnungen für Erzieherinnen-Auszubildende reserviert. Und in der jüngsten Stellenausschreibung heißt es wörtlich, man biete „eine Arbeitsmarktzulage in Höhe von 250 Euro pro Monat im 1. Jahr und 300 Euro pro Monat im 2. Jahr“.

Regensburg