Eiserner Wille
Ein Ex-Schwergewicht bezwingt den Kilimandscharo

20.02.2019 | Stand 13.09.2023, 6:43 Uhr
−Foto: n/a

Wolfgang Seidl aus Neutraubling bei Regensburg nahm mehrere dutzend Kilo ab. Dann erfüllte er sich einen Traum und bestieg den Kilimandscharo.

REGENSBURG Nein, eine genaue Gewichtsangabe will er nicht in der Zeitung lesen. Und auch die Fotomontage gibt er nicht aus der Hand. Er verrät nur so viel: „Wenn ich noch zehn Kilo abnehme, dann habe ich mich halbiert.“ Der Neutraublinger hat ein Jahr lang an einem speziellen Programm teilgenommen, das mit wissenschaftlicher Unterstützung dabei hilft, massiv Gewicht zu verlieren. Bei Seidl dürften es sicher um die 40 bis 50 Kilo gewesen sein. Wer ihn fragt, erntet Achselzucken.

Gesprächiger wirdder 52-Jährige, wenn man ihn auf einen Berg in Tansania in Afrika anspricht: den Kilimandscharo. Zehn Tage lang verbrachte Seidl mit einem guten Freund in Afrika. Die Trekking-Tour führte Seidl zunächst auf zwei andere Gipfel: den „Little Meru“ und den „Mount Meru“, der Aufstieg war für Seidl „viel zu leicht.“ Immerhin hat der „Mount Meru“ eine Höhe von 4.565 Metern. Doch er habe sich „gespielt durch die außergewöhnlich gute Vorbereitung.“

Erst beim Kilimandscharo stößt er an seine Grenzen. „Ich wollte mehrere Male aufgeben“, so Seidl. „Es war knapp, dass ich es nicht geschafft hätte.“ Doch eine gute Freundin hatte ihm einen Talisman mitgegeben, der ihn alle Widrigkeiten vergessen ließ. Sein Trinkwasser war eingefroren, obwohl er sich extra eine Neopren-Ausrüstung für den Aufstieg besorgt hatte. Und zwei Hummel-Figuren in seinem Rucksack gaben ihm die Kraft, den Aufstieg zu schaffen. Seidl ist nämlich einer der renommiertesten Sammler der berühmten Hummel-Figuren: In seinem Gepäck hatte Seidl während des Aufstiegs eine Wanderfigur, die Maria Innocentia Hummel entworfen hatte, sowie ein Gipfelkreuz. Seidl sieht glücklich aus, als er auf 5.895 Metern auf dem Gipfel des Kilimandscharo die Figuren in die Kamera hält.

Dabei ist der Weg, den Wolfgang Seidl hinter sich hat, ein wahrlich beschwerlicher. Viele kennen das, was Seidl schildert. „Ich war eigentlich als Kind immer zu dünn. Doch im Laufe der Jahre wurde der Stress größer.“ In dritter Generation betrieb Seidl ein Gardinen-Geschäft. Dann wird die Großmutter krank. Die wirtschaftliche Situation verschärft sich. Als dann die Mutter auch erkrankt, wird der Druck auf ihn immer größer. Und die Kilos sammeln sich. „Wie ein Schutzpanzer“, sagt Seidl heute.

Ein erster Schritt, aus dem selbst gewählten Panzer auszubrechen, macht er 2011. Da trifft er eine Entscheidung, schließt das Geschäft – und geht vier Monate lang auf den Jakobsweg. „Damals habe ich 25 Kilo verloren“, sagt Seidl heute. Doch als er zurückkehrt, wartet wieder die Tretmühle auf ihn. „Die Probleme, die ich hatte, sind ganz normal, die kennt jeder.“ Die verlorenen Kilo waren bei Seidl aber schnell wieder oben. Erst letztes Jahr entschließt er sich: Es muss sich etwas ändern. Wie viele andere dicke Menschen hat Seidl da schon viele Diäten hinter sich. Diesmal sucht er sich professionelle Hilfe. Er meldete sich bei der Diät- und Ernährungsberater in der Klinik Donaustauf an. Essensprotokolle, gemeinsames Wiegen: All das hat Seidl in einem Jahr mit einer zunächst 15 Köpfe zählenden Gruppe absolviert. Am Ende waren es noch sechs Weggefährten.

Wichtig ist für Seidl, dass er bestärkt wird. „Freunde und Familie sind für mich zentral“, sagt er. Und diese Unterstützung hatte er vielfach. „Da schickten mir Freunde einen Link zu einem Artikel, wie jemand abgenommen hat. Und auch der Talisman, den ich dabei hatte, ist so ein Beispiel, wie man mir geholfen hat.“ Für jeden sei etwas anderes hilfreich. „Mir macht Sport viel Spaß, das kommt aus meiner Vergangenheit. Ein anderer Teilnehmer der Gruppe kocht beispielsweise gerne. Der hat seine Ernährung umgestellt.“

Und auch im Fitnessstudio hat Seidl eine Unterstützerin gefunden. „Die Chefin dort hat mir erlaubt, in der Vorbereitung 16 Stunden lang mit Rucksack und Sauerstoffgerät auf dem Laufband zu trainieren.“ Dabei erlebte Seidl aber auch etwas Kurioses: „Ein Sportmediziner hat mir gesagt, dass ich danach zunehmen werde.“ So war es auch. Denn Seidl aß nach dem Extremtraining drei Tage lang so viel, bis er beim Wiegen in der Klinik sage und schreibe 5,8 Kilogramm zugenommen hatte.

Wenn Seidl nach zwei Stunden Sport dann auch mal zwei Stück Käsekuchen ist, „dann ist das für mich kein Problem.“ Vorbei ist seine Reise aber ohnehin noch nicht. „Als ich angefangen habe, habe ich 300 Höhenmeter in der Stunde geschafft.“ Nach dem Kilimandscharo will er zwar erst einmal einen Gang zurückschalten. Derzeit läuft er 700 Höhenmeter in der Stunde „zur Beruhigung.“ Doch auf dem Weg zum Gipfel des Kilimandscharo hat er gelesen, dass ein Bergsteiger den Aufstieg in etwas mehr als sechs Stunden geschafft hat. Er selbst hatte für die Route auf den Gipfel und wieder runter fünf Tage gebraucht. Ein anspruchsvolles Ziel – aber wer Wolfgang Seidl kennenlernt, ist sich sicher: Der Mann schafft alles, wenn er sich ein Ziel setzt.

Regensburg