Debatte
Verkehrte Welt – Muezzin ist zu nackig und Muslima muss das Kopftuch ablegen

07.02.2019 | Stand 13.09.2023, 0:41 Uhr
−Foto: n/a

Verkehrte Welt: Im Nahen Osten erregt sich gerade eine Debatte um einen israelischen Muezzin, der fünfmal am Tag zum Gebet ruft und enlassen wurde. Der Grund: Er hatte als Bodybilder zu viel Haut gezeigt. In Deutschland wird derweil über eine Muslima diskutiert, die im Fitnessstudio ihr Kopftuch ablegen musste.

DEUTSCHLAND/WELT Der Islam ist Opfer und Täter zugleich geworden, wenn man so will. Dabei ist es schwierig, überhaupt von „dem Islam“ zu reden. Gemeint ist eine Religionsgemeinschaft, die eigentlich keine ist. Das wäre so, als würde man von „den Christen“ sprechen und dabei die evangelikale radikale Abtreibungsgegnerin aus den USA genauso meinen wie den Papst und den schwulen Bischof einer reformierten Kirche. Das ist Unsinn - und dennoch fallen wir darauf hinein. Opfer werden muslimische Gläubige häufig in unseren vermeintlich liberalen Demokratien. Wie jüngst eine Frau aus Hannover. Der ist folgendes passiert: Die Jura-Studentin mit afghanischen Wurzeln ist in ihr Fitnessstudio gegangen und wollte dort trainieren, wie die in Hannover erscheinende HAZ berichtete. Urplötzlich wurde sie von einem Mitarbeiter des Studios angesprochen, sie solle doch bitte das Kopftuch abnehmen. Zomaijah Ahmadi sagte der HAZ: „Ich war schockiert.“ Sie gehe seit Jahren in Fitnessstudios, doch soetwas habe sie „noch nie erlebt.“ Das Fitnessstudio bezieht sich auf Punkt 8 der Geschäftsbedingungen im Studio: „„Zur Vorbeugung von Unfällen und Erhalt der körperlichen Unversehrtheit ist das Tragen von Schmuck und Kopfbedeckungen beim Training nicht erlaubt.“ Die Jura-Studentin indes mag das nicht glauben. Sie ist sich sicher: „Ich wurde aufgrund meines islamischen Kopftuchs diskriminiert!“

Dabei ist die Religionsfreiheit in Deutschland ein hohes Gut. Immer wieder bestehen Muslima in Deutschland darauf, ihren Glauben durch das Tragen eines Kopftuches zum Ausdruck bringen zu dürfen. Der Staat reagiert unterschiedlich darauf: In Bayern etwa gibt es an Schulen für Lehrerinnen kein explizites Kopftuchverbot, aber die Formulierung, dass religiöse Symbole „auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist“.

Ganz andere Probleme gibt es derweil in einem Land, in dem Muslime besonders unter Druck stehen: In Israel nämlich. Etwa 20 Prozent der Israelis sind Araber. Sie leben oft Tür an Tür mit Menschen anderer Religionen. Wer durch das Heilige Land fährt, ist oft erstaunt, wie viele Minarette es gibt – verfolgt man deutsche Nachrichten, dann bleibt beim oberflächlichen Betrachten ja oft der Eindruck, Muslime seien in Israel nicht erwünscht. Das ist natürlich Unsinn, schließlich sind es Staatsbürger.

Doch obwohl Israel ein freies, liberales Land mit Rechtsstaat ist, übrigens die einzige echte Demokratie im Nahen Osten, sind Muslime hier oft auch Täter, wenn es darum geht, etwa die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen einzuschränken. Homosexuelle Araber haben in Israel sowie in den Autonomiegebieten oft massive Probleme, werden verfolgt, häufig von den eigenen Familien. Und dass Religion generell ein Problem mit zu viel Freizügigkeit haben kann, das merkt man an diesem Fall: Der Muskelprotz Ibrahim Al-Masri hat nämlich ein Problem. Al-Masri ist eigentlich ein Muezzin, er ruft fünfmal am Tag zum Gebet. Und das tut er in der wunderschönen, 1781 gebauten Moschee in der Hafenstadt Akko. Bisher - denn jetzt wurde er ausgestellt. Der Grund: Al-Masri ist Bodybuilder und ist deshalb auf Fotos zu sehen, wie er relativ freizügig bei Wettbewerben seine Muskeln zeigt. Der Imam sowie das israelische Innenministerium, das für Religionsausübung zuständig ist, haben beschlossen, dass das zu freizügig gewesen sei und der würde des religiösen Amts nicht würdig. Al-Masri kontert: „Die Religion des Islam ermutigt jeden zu körperlicher Ertüchtigung. Sport und Religion sind kein Widerspruch.“

In der Gemeinde jedenfalls regt sich Widerstand, denn man findet, Al-Masri habe eine wunderschöne Stimme. Viele wollen ihn zurück.

Regensburg