Buddhas sind erlaubt
Streit um Sonntags-Öffnung – „Ein Maßkrug ist in Bayern durchaus verehrungswürdig“

29.09.2018 | Stand 13.09.2023, 0:49 Uhr
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Nach einem Exklusiv-Bericht über die harte Hand der Stadt Regensburg gegen Souvenir-Händler folgten bayernweite Fernsehberichte. Jetzt versucht das zuständige Ordnungsamt, Lösungen zu finden. Am 4. Oktober trafen sich die betroffenen Händler mit den Beamten. Ein Ladenbesitzer kritisiert, dass Buddhas unter ein altes Gesetz fallen, wonach Devotionalien verkauft werden dürfen – „in Bayern ist auch ein Maßkrug durchaus verehrungswürdig“, sagt er.

REGENSBURG Im Welterbe geht die Angst um, dass irgendwann die Filialisten die Hoheit übernehmen. Kleine, liebevolle, Inhaber geführte Läden sind seit Jahren auf dem Rückzug, aber es gibt sie noch. Immer höhere Mieten aber machen ihnen das Überleben in der Altstadt Regensburgs sehr schwer. Einige setzen auf die immer mehr werdenden Touristenscharen, die vor allem von den Kreuzfahrtschiffen aus Regensburg in Beschlag nehmen. Doch zwischen der Stadt und zahlreichen Händlern ist es im Juli zum Showdown gekommen – Mitarbeiter des Ordnungsamtes schlossen im Zuge einer als „Razzia“ empfundenen Aktion Läden, die sonntags geöffnet hatten, aber angeblich zu wenig Regensburg typische Souvenirs verkaufen (wir berichteten). Nach unserem Bericht kam auch die BR-Sendung quer in Regensburg vorbei – spätestens seitdem ist Bewegung in der Sache. Jetzt kommt es zu einem Gespräch zwischen dem zuständigen Ordnungsamt und den betroffenen Händlern.

Einer ist Roland Kollert, er betreibt die „Wundertüte“ in der Brückstraße, vis-a-vis der legendären Steinernen Brücke. Auch viele Regensburger kaufen hier ein, denn Kollert bietet nicht nur Souvenirs, sondern auch liebevolle Artikel und Spiele, T-Shirts mit Regensburg-Bezug und vieles mehr.

Am Sonntag, 15. Juli, kamen mehrere Mitarbeiter des Ordnungsamtes in die Wundertüte. Sie teilten unmissverständlich mit, dass man nun in Regensburg in Sachen Sonntagsverkauf andere Seiten aufziehen würde. Die Mitarbeiter filzten die Regale, um auf der Suche nach Regensburg typischen Souvenirs genau zu eruieren, wie hoch der Anteil von Artikeln mit Regensburg-Bezug ist. Bierkrüge mit König Ludwig II. darauf beispielsweise zählten nicht. Genau das stört Kollert und seine Mitstreiter – es waren noch weitere Läden betroffen – immens: „Amerikanische Touristen wollen Souvenirs, die für ihren Besuch in Bayern stehen“, so Kollert.

Am 4. Oktober nun trafen sich die Altstadt-Händler mit dem Ordnungsamt im Alten Rathaus. Dabei hatte Kollert bereits im Vorfeld in einem Brief versucht, klarzumachen, dass sich der Souvenir-Handel massiv verändert hat, das Gesetz zum Ladenschluss in Bayern indes einfach veraltet ist. „Der einschlägige Souvenir-Großhandel wird aus China versorgt. So führen Kioske und Lädchen in nahezu allen touristischen Orten Deutschlands und Europas die gleichen Kleinwaren“, so Kollert. Ein Reisender könne in Köln, Hamburg, Berlin, Nürnberg, München, etc., auch in Regensburg, Lesezeichen, Kaffeebecher, Tellerchen, Herzanhänger, Teddybären, T-Shirts, Sweat-Shirts, Weihnachtskugeln und so weiter erstehen, die beschriftet sind mit Köln, Hamburg, Berlin und so fort. „Diese Art von Souvenir darf man Simpel-Souvenir nennen. Den Geschmack vieler Besucher in der Welterbestadt Regensburg trifft es nicht“, so Kollert.

Besonders der Umstand, dass es eine eigentümliche Ausnahme gibt, hat bereits bei unserem ersten Bericht für Kopfschütteln gesorgt. Die Stadt bestätigte, dass ein Laden an der Steinernen weiter sonntags öffnen darf, weil er Mineralien und Buddha-Statuen verkauft, die als „Devotionalien“ gelten. Viele touristische Orte in Bayern wie „etwa Altötting oder Schönau am Königsee findet man lange Kioske und Läden, die Bierkrüglein mit dem Bild der Schwarzen Madonna und dem Schriftzug ‚Altötting‘, König-Ludwig-Kugelschreiber, Kochlöffel, beschriftet mit ‚Königsee‘, Wandtellerchen mit einem Watzmann-über-Königsee-Foto und ‚Königsee in Bayern‘ etc. feil bieten“, so Kollert. Viele dieser Artikel würden in China gefertigt. Das Gesetz aber besagt, wer religiöse Artikel verkauft, der darf sonntags öffnen – ein Gesetz aus einer Zeit, als viele Touristen noch Pilger waren. „Die Definition ist nicht auf bestimmte Religionen beschränkt“, sagte eine Stadtsprecherin auf Anfrage.

Um diese Bierkrüge geht es bei dem Streit. Foto: ce −Foto:

Kollert kritisiert das scharf. Der Laden an der Steinernen, „der eine Ladenkette betreibt, hat unseres Wissens mit dem Regensburger Ordnungsamt über den Begriff der Devotionalie bereits erfolgreich einen Rechtsstreit geführt. Im Hinblick auf die Religionsfreiheit hat der Buddha-Laden gewonnen“, so der Händler. „Es reklamiert in Bezug auf das Devotinalienangebot deren esoterischen Charakter. Und die Passauer Filiale der Ladenkette firmiert unter ‚Mineralien und Esoterik“, sagt er weiter. Er fragt sich, ob es heute nicht schon so viele Atheisten gibt, dass man auch einen Maßkrug als eine Art Religionsersatz sehen müsste: „Vermutlich würden etliche heimatverbundene Bayern einen Maßkrug, der ein weiß-blaues Rautenmuster zeigt, als verehrungswürdige, urbayrische, weltliche Devotionalie betrachten. Sie würden jedenfalls nicht einsehen, warum so ein Bierkrug im bayrischen Regensburg sonntags nicht verkauft werden darf, eine Buddha-Figur aber schon. Der Regensburger sieht Passau als Vorbild: „Auch die Bischofsstadt Passau, an deren Donaulände dieselben Fluss-Kreuzfahrtschiffe anlegen wie in Regensburg, erlaubt allen Läden in ihrer Innenstadt, sonntags offen zu halten.“ Das wünsche er sich auch für Regensburg.

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