Cyber-Mobbing
WhatsApp-Schikane bescherte Ina (11) Albträume

30.05.2018 | Stand 29.07.2023, 8:17 Uhr
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Cyber-Mobbing: Ina (11) wurde von Mitschülerinnen per WhatsApp regelrecht fertig gemacht. Sie bekam Albträume und war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wir haben mit Ina und ihrer Mutter gesprochen.

LANDKREIS MÜHLDORF Ina (11, Name von der Redaktion geändert) lebt in einer kleinen Ortschaft im südlichen Landkreis Mühldorf und geht in die fünfte Klasse. An sich ist die junge Realschülerin ein ganz normales Mädchen. Sie ist meistens gut gelaunt und hat eine Handvoll bester Freundinnen, die sie schon seit dem Kindergarten kennt. Zum elften Geburtstag hat Ina im November ein Smartphone geschenkt bekommen. „Sie wollte es unbedingt, vor allem, weil sie in die WhatsApp-Gruppe ihrer Klasse aufgenommen werden wollte“, erzählt Inas Mutter.

Ina war nur noch ein Schatten ihrer selbst

Vor etwa zwei Monaten fiel der 38-jährigen Sozialpädagogin dann auf, dass sich ihre sonst eher gut gelaunte Tochter verändert hat. „Ina ist immer öfter mit verheulten Augen nach Hause gekommen. Sie war andauernd schlecht gelaunt, hatte keinen Appetit mehr und zickte rum, dass die Realschule blöd sei. Ihre Noten sind schlechter geworden. Es ging sogar so weit, dass meine Tochter Albträume bekommen hat und nicht mehr gut schlafen konnte.“

Es stellte sich heraus, dass Ina Ärger mit einigen Mitschülerinnen hatte. „Das ist eine Clique von fünf, sechs Mädchen, die in der Klasse den Ton angeben wollen“, sagt Inas Mutter. Die hatten das Mädchen schnell auf dem Kicker, weil es seinen eigenen Kopf hat und sich nicht gerne von anderen herum kommandieren lässt.

Bald wurde Ina von ihren Mitschülerinnen nach allen Regeln der Kunst mit modernen Kommunikationsmitteln gemobbt. Anonyme SMS-Nachrichten, hämische Kommentare, andauernde Beschimpfungen und rufschädigende Gerüchte via Whatsapp. Die gesamte Bandbreite des sogenannten Cyber-Mobbings.

Hämische Kommentare und Beschimpfungen

„Die haben nur noch blöde Sachen geschickt“, sagt Ina. Auf die Frage, warum sie die WhatsApp-Nachrichten eigentlich gelesen habe, antwortet das Mädchen zaghaft: „Ich war halt neugierig und wollte nichts verpassen.“

Inzwischen ist Ina fast gar nicht mehr auf WhatsApp, worüber ihre Mutter sehr froh ist. „Ina hat sich das alles enorm zu Herzen genommen. Sie stand neben sich und war völlig verunsichert. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nichts unternommen hätte“, sagt ihre Mutter. Ruhe ist nämlich erst, seit die 38-Jährige vor Kurzem einige sehr ernste Gespräche mit den Eltern der beiden Mobbing-Rädelsführerinnen geführt hat.

„Cyber-Mobbing ist kein Kavaliersdelikt“

Ina ist kein Einzelfall. „Statistiken zufolge sind in Deutschland über vierzig Prozent der jungen Menschen im Alter von 12 bis 18 Jahren schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing geworden“, sagt der Münchner Internet-Fahnder Rainer Richard im Gespräch mit dem Wochenblatt. „Diese Zahlen erschrecken, zumal sie jährlich steigen.“

Natürlich könnte man sagen, dass es Mobbing in Schulklassen schon immer gegeben hat. Doch früher war nach der Schule Schluss. „Durch das Internet hat Mobbing ganz andere Dimensionen angenommen. Der Täter kann relativ anonym arbeiten und ist nicht auf das lokale Umfeld begrenzt“, betont Kriminalhauptkommissar Rainer Richard.

Doch was tun? „Man muss den jungen Menschen klar machen, dass Cyber-Mobbing kein Spaß ist, sondern dass es sich um Straftaten handelt, mit denen man labile Menschen bis in den Selbstmord treiben kann“, sagt der Online-Fahnder. Dabei könne man die Verantwortung nicht auf die Schule abwälzen. Auch die Eltern sind gefordert.

Mühldorf a.Inn