Putz und Dreier fordern mehr Impfstoffe
„Jede weitere Verzögerung kostet Leben“

31.12.2020 | Stand 24.07.2023, 21:37 Uhr
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Wann kann Bayern im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie mit den dringend benötigten, nächsten Lieferungen des Impfstoffs der Firmen BioNTech und Pfizer rechnen? Diese Frage sorgt zum Jahreswechsel auch in der Region Landshut für Wirbel.

Landshut. Am Mittwochmittag erhielten Oberbürgermeister Alexander Putz und Landrat Peter Dreier aus dem Bayerischen Gesundheitsministerium zunächst die Information, dass die vom Bund für die erste Januarwoche eigentlich fest zugesagte Lieferung entfällt – statt am 4. Januar wäre damit erst am 11. Januar mit Nachschub zu rechnen gewesen. Nun soll diese Tranche laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zwar immerhin am 8. Januar in den Ländern eintreffen, dafür aber soll offenbar in der zweiten Januarwoche keine Lieferung erfolgen.

Putz und Dreier haben für dieses Vorgehen keinerlei Verständnis: „Tag für Tag sterben in Deutschland etwa 1.000 Menschen an oder mit dem Coronavirus, auch in Stadt und Landkreis Landshut sind beinahe täglich Opfer zu beklagen. Trotz aller Einschränkungen bleibt die Zahl der Neuinfektionen auf einem viel zu hohen Niveau. Jeder Tag Verzögerung bei den Impfungen kostet also Leben, verursacht großes Leid für unzählige betroffene Familien und zwingt uns darüber hinaus eine Verlängerung der leider alternativlosen Beschränkungen bis hin zum Lockdown auf – mit allen negativen Folgen für die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft und die Bildungschancen unserer Kinder.“

OB und Landrat formulieren deswegen eine deutliche Forderung Richtung Berlin: „Die Bundesregierung steht in der Pflicht, unverzüglich eine lückenlose Lieferkette für den Impfstoff sicherzustellen und ihre ursprünglich kommunizierten Zeitpläne einzuhalten.“ Darauf hätten sich die Länder ebenso wie die kreisfreien Städte und Landkreise verlassen. „Unsere Impfzentren vor Ort sind – wie von Bund und Freistaat gefordert – bereits seit 15. Dezember einsatzbereit, wir könnten ab sofort täglich hunderte Menschen impfen“, sagen Putz und Dreier. „Woran es jetzt noch mangelt, ist allein der Impfstoff. Dieses Problem fällt in die Zuständigkeit des Bundes, der daher schnell eine tragfähige, dauerhafte Lösung finden muss.“

Andernfalls laufe die Politik Gefahr, das Vertrauen der breiten Bevölkerungsmehrheit leichtfertig zu verspielen. „Bisher ziehen weite Teile der Bürgerschaft beim Infektionsschutz vorbildlich mit. Ihnen, vor allem aber auch den Ärzten und dem Pflegepersonal in den Krankenhäusern, die sich seit einem Dreivierteljahr bis zur Erschöpfung um schwerkranke Covid-19-Patienten kümmern, sind wir es schuldig, die Impfungen so rasch wie irgend möglich voranzutreiben“, mahnen Putz und Dreier. Denn: „Einen anderen Weg aus der Pandemie und damit zurück zum normalen Leben gibt es nicht.“

Dieser Weg sei ohnehin weit und erfordere Geduld – selbst wenn der Bund die aktuell bestehenden Lieferengpässe beseitigen und Impfstoff im zugesagten Ausmaß zur Verfügung stellen würde, so OB und Landrat weiter. Das verdeutlichen die Zahlen für die Region Landshut: „Allein in der Stadt gehören etwa 7.000 Personen der höchsten Priorisierungsstufe 1 an. Sie sind also entweder über 80 Jahre alt oder Bewohner beziehungsweise Beschäftigte eines Seniorenheims oder haben als Ärzte und Pfleger in einem Krankenhaus direkten Kontakt mit Covid-19-Patienten. Geht man in dieser Priorisierungsgruppe von einer Impfbereitschaft von 70 Prozent der Berechtigten aus, wären das in Landshut rund 5.000 Menschen. Weil für jeden zwei Impfungen erforderlich sind, bräuchten wir also circa 10.000 Impfdosen, um alle aus der höchsten Priorisierungsstufe zu impfen, die das möchten“, rechnet Putz vor.

Bislang seien der Stadt bis inklusive der dritten Kalenderwoche 2021 jedoch nur rund 1.500 Dosen in Aussicht gestellt worden. Danach könne die Stadt Landshut nach jetzigem Stand mit wöchentlich etwa 600 Dosen kalkulieren. „Das heißt: Es würde bis April dauern, ehe wir die Impfwilligen der höchsten Priorisierungsstufe versorgt haben.“ Alle anderen Bürger müsse man dann entsprechend länger vertrösten.

Das könne nicht das letzte Wort sein, finden Putz und Dreier: „Unsere Bürger erwarten zurecht, dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern sich etwas einfallen lassen und zusätzlichen Impfstoff beschaffen, zumal die Herstellerfirma BioNTech in Deutschland sitzt. Die bisher auf EU-Ebene vereinbarten Kauf- und Lieferverträge mit verschiedenen potentiellen Impfstoffherstellern werden der Situation wohl leider nicht gerecht.“ Aber auch die EU dürfe sich nicht damit zufrieden geben, dass alle ihre Mitgliedsstaaten offenbar dieselben Schwierigkeiten hätten. „Dieser Impfstoffmangel ist kein Zeichen von Einheit und Stärke der EU, sondern nach fast zehn Monaten Pandemie ein Armutszeugnis – zumal seit einem halben Jahr absehbar war, welche Hersteller bei der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs am besten im Rennen liegen. Darauf hätte man schon im Sommer reagieren und entsprechende Verträge aushandeln oder anpassen müssen.“

Wie zügig die Impfung voranschreiten kann, wenn genügend Impfstoff vorhanden ist, sei bereits jetzt in Israel zu sehen. „Dort wurden bis gestern bereits mehr als 600.000 Menschen geimpft, das entspricht beinahe sieben Prozent der knapp neun Millionen Einwohner“, sagt Putz. Auch andere westliche Staaten wie die USA, Kanada und Großbritannien seien schon wesentlich weiter als Deutschland, wo bis gestern Abend nach Angaben des Robert-Koch-Instituts nur 78.000 der rund 83 Millionen Bürger teilimmunisiert worden sind. „Unser Anspruch muss es sein, im Interesse der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger jetzt aufs Tempo zu drücken und aufzuholen“, fordern Putz und Dreier. „Landkreise und kreisfreie Städte haben mit den vom Freistaat finanzierten Impfzentren binnen kürzester Zeit die erforderliche Infrastruktur für die bundesweite Impfkampagne geschaffen und auch das nötige medizinische Personal dafür akquiriert. Wir sind sehr zuversichtlich, dass bei uns auch nichts ruckeln wird, sondern dass alles gut funktioniert. Jetzt muss aber der Bund seinen Teil beitragen – und der besteht darin, die schnelle und flächendeckende Versorgung mit Impfstoff sicherzustellen. Das wäre unser Wunsch für den Beginn des Jahres 2021.“

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