Wirte in der Corona-Krise
Versicherer wollen den Schaden nicht zahlen

03.06.2020 | Stand 13.09.2023, 0:32 Uhr
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Mit einer so genannten Betriebsschließungsversicherung glaubten sich viele Gastronomen in der Corona-Krise auf der sicheren Seite. Sie erleben jetzt ihr blaues Wunder. Die Versicherungsgesellschaften wollen nicht bzw. nur einen freiwilligen Beitrag, einen Bruchteil der eigentlichen Summe, zahlen.

Landshut. Einer der Betroffenen ist der Wirt des „35 millimeter“ in Landshut, Alexander Tiefenbacher (54). Er geht jetzt mit juristischen Mitteln gegen seinen Versicherer vor. Eine Betriebsschließungsversicherung soll dann einspringen, wenn ein Unternehmen zeitweise, zum Beispiel nach einem Unglück wie einem Brand oder einer Krankheit, schließen muss. Schließlich laufen Kosten wie Miete und Gehälter weiter.

Genau so einen Fall hatte Tiefenbacher schon einmal erlebt. Im Januar 2019 war in der Zwischendecke seines Lokals im Obergeschoss des City Center Landshut ein Feuer ausgebrochen. „Ich habe damals gesehen, wie wichtig so eine Absicherung ist und ich wollte bei jeder Eventualität eine Leistung bekommen“, erzählt er. Vor knapp einem Jahr schloss er deshalb bei der Zurich Versicherung eine Betriebsschließungsversicherung ab. Jetzt, in der Corona-Krise, als die Behörden alle Lokale dicht machten, wähnte er sich auf der sicheren Seite. Falsch gedacht.

In einem Schreiben der Versicherung an Tiefenbacher heißt es: „Wurde Ihr Betrieb aufgrund einer aktuellen Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung der Länder geschlossen, liegt in der Regel kein Nachweis einer Infektion oder ein konkreter Infektionsverdacht vor.“ Die Versicherung wäre aber für die Fälle ausgelegt, bei denen eine Erkrankung im Betrieb nachgewiesen und deshalb geschlossen worden wäre.

Gleichzeitig erklärt sich die Zurich Versicherung aber bereit, den von der Bayerischen Staatsregierung, Vertretern der Versicherungswirtschaft, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) und dem Gaststättenverband DEHOGA ausgehandelten Kompromiss zu akzeptieren. Der sieht eine freiwillige Leistung der Versicherer vor, wenn ein Betrieb wegen einer behördlichen Allgemeinverfügung schließen musste. Diese Leistung ist viel geringer als die Summe, die sich Tiefenbacher erhofft hatte. Sie beträgt nur 15 Prozent der geforderten Summe.

„Hier soll die Not der Wirte ausgenützt werden“, sagen seine Anwälte, Dr. Martin Jockisch und Thomas Hofknecht von der Kanzlei Dr. Jockisch in Landshut. Aus Verzweiflung würden sich viele auf besagte „freiwillige Leistung“ einlassen und damit auf jeglichen Rechtsanspruch verzichten, weil sie in der Corona-Krise auf schnelle finanzielle Hilfe angewiesen wären.

Das Schreiben, das die Juristen an die Zurich mit der Aufforderung schickten liest sich entsprechend: „Ihr Angebot nutzt die Not auch aus, die durch die Ausfallzeit entstanden ist, da mit der Annahme alle weiteren Ansprüche ausgeschlossen sind. Ihr Argument, es seien keine landesweiten Schließungen betroffen, ist mit Verlaub unsinnig; es heißt in den Bedingungen, dass die Schließung durch Bescheid ergehen muss – hier hat bekanntlich die Stadt Landshut die Schließung durch Bescheid angeordnet“, heißt es da.

„Zwar wären im Versicherungsumfang Krankheiten wie Cholera oder sogar Pest eingeschlossen, aber wohl nur, weil sich das zwar toll anhören würde. Hierzulande wären sie ja praktisch ausgerottet. „Das wird wie bei VW werden“, sind sich Hofknecht und Jockisch deshalb sicher. Auch dort wären zunächst Zahlungen abgelehnt worden. Erst, als richtungsweisende Urteile drohten, wären den Kunden Vergleiche angeboten worden, um das zu verhindern.

Für den Rechtsweg braucht man starke Nerven, weil er durch die Instanzen gehen kann und der Ausgang ungewiss ist. „Ich will das durchfechten“, sagt Tiefenbacher und seine Anwälte sind zuversichtlich, dass „wir den Fall gewinnen werden.“

Bei der Zurich-Versicherung glaubt man sich dagegen im Recht. Auf Anfrage erklärte der Sprecher der Versicherung, Bernd O. Engelien: „Bei den aktuellen flächendeckenden und branchenweiten Schließungen aller Betriebe einer Art in einem Bundesland bzw. sogar in allen deutschen Ländern handelt es sich um einen Fall, der so nie vom Versicherungsschutz umfasst sein sollte, also ein klares Fehlen der Grundlage, auf der der Vertrag beruht.“ Es müsse jedem Kunden eigentlich auch klar gewesen sein, dass im Fall des Shut Down der „halben Republik“ dies nicht von den Versicherern alleine aufgefangen werden könne.

„Die Schließung richtet sich hier nicht gegen den individuellen Betrieb, da dort eine Infektionsquelle identifiziert wurde, sondern zielt auf die Einschränkung des sozialen Kontakts in der Bevölkerung insgesamt ab. “ Hinzu komme in Tiefenbachers Fall, dass das Corona Virus generell und SARS-CoV2 im Besonderen von den vertraglich vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht umfasst wären.

Das beeindruckt wiederum Tiefenbachers Anwälte wenig. „Dass Coronaviren ausgeschlossen sein sollen, übertölpelt den Versicherungsnehmer. Man kommt ja nicht auf die Idee, dass gerade nach der Sars-Epidemie solche Krankheiten ausgeschlossen sein sollen.“ Außerdem würde in der Versicherung der § 6 des Infektionsschutzgesetzes genannt. „Die Bedingungen sollen auch die dort genannten Krankheiten einschließen“, so Jockisch und Hofknecht.

Es läuft wohl auf einen Rechtsstreit ums Kleingedruckte hinaus.

Landshut